Der Stadtteil Malmö-Rosengård – berüchtigt für brennende Autos, Schießereien, Trostlosigkeit. Die dortige Polizeistation am Rand des Zentrums ist ein dunkler Kasten, der sich nur wenig vom Herbstgrau abhebt.
Seit 24 Jahren arbeitet Mats Svensson hier als Polizist. Er ist 55 Jahre alt, und in den Siebzigern selbst in Rosengård zur Schule gegangen. Svensson hat eine stattliche Figur, eine Glatze und graue Bartstoppeln. Sein Job "Områdespolis" heißt wörtlich übersetzt Gebiets-Polizist. Seine Aufgaben:
"Normalerweise bin ich viel draußen und habe Kontakt zu den Bewohnern, zu Schulen, Firmen. Man kann sagen: verbrechensvorbeugende Arbeit."
Doch die Prävention komme zurzeit zu kurz, erklärt Svensson.
"Die Schießereien haben dazu geführt, dass andere Bereiche leiden. Klar haben die Mordermittlungen höchste Priorität. Aber vorbeugende Maßnahmen wären wichtig, um die Zahl der Verbrechen zu senken."
"Rosengård ist definitiv kein Slum"
Mats Svensson hat sich bereit erklärt, durch sein Revier zu führen. Der Polizist trägt nur einen Pullover, obwohl der Herbstwind ordentlich bläst. Er zeigt auf eine Häusersiedlung hinter dem Polizeirevier. Dort gebe es viele Eigentumswohnungen, da sei es recht ruhig. 99 Prozent der Leute, die hier leben, seien vollkommen unbescholten, sagt Svensson. Darauf bestehe er. Und ein Slum sei Rosengård definitiv nicht. Und es stimmt: Nach No-go-Area sieht es nicht aus. Mehrere Kita-Gruppen sind draußen unterwegs.
Viele Menschen erkennen den Polizisten, grüßen. Ein Mann mit arabischem Akzent spricht ihn an, fragt ihn, wie es ihm geht, und sagt, dass er sich demnächst mit ihm treffen möchte.
"Meine Beziehung zu den Leuten in Rosengård ist ziemlich gut, also zu den meisten. Ich kenne viele, der Schlüssel zum Erfolg ist ein guter Austausch. Du lernst die Leute kennen und sie dich."
Die Polizei in Malmö hat viele offene Flanken: Es sind nicht nur die Morde. Auch die Grenzkontrollen zu Dänemark, die wegen der Flüchtlingskrise eingeführt wurden, zehren an den Kräften.
"100 bis 200 Polizisten aus Südschweden wurden an die Grenzen geschickt, das sind sehr viele. Wir sind 800 oder 900 Polizisten in Malmö. Im vergangenen Jahr gab es 18 Morde und optimalerweise sind 25 Polizisten an einer Mordermittlung beteiligt. Man kann sich ausrechnen, dass wir leider nicht genug Ressourcen haben. Viele Ermittlungen bleiben liegen. Das ist überhaupt nicht gut für die Rechtsauffassung der Bevölkerung."
Ermittlungen bleiben liegen und keiner der Morde wurde bislang aufgeklärt. Nicht nur, weil es häufig an Zeugen mangelt. Ein paar Hundert Meter von der Polizeistation entfernt, Richtung Stadtteilzentrum, bleibt Svensson an einer Straßenecke stehen.
"Hier wurde ein junger Kerl erschossen. Im vergangenen Sommer. Zwei Typen auf einem Moped kamen mit einer Automatik-Waffe, einer Pistole. Und er stand hier mit seinen Kumpels. Er hat einer Gang angehört. Er war also kriminell. Aber er war ein sehr netter Kerl. Fröhlich und munter. Aber offenbar war er in irgendeinen Konflikt verwickelt."
Öresundbrücke ermöglicht Waffennachschub
Rosengård habe schon in den Siebzigern einen schlechten Ruf gehabt, erklärt Mats Svensson. Der Unterschied zu damals: Mehr soziale Spaltung und mehr Waffen. Die meisten stammen vom Balkan. Hilfreich für die Schmuggler: die Öresundbrücke zwischen der dänischen Hauptstadt Kopenhagen und Malmö. Sie wurde im Jahr 2000 eröffnet. Eigentlich ein Symbol für das Zusammenwachsen der Metropolen. Aber sie ermöglicht auch den scheinbar unbegrenzten Waffennachschub.
"Wir müssen einen ganzheitlicheren Ansatz finden. Wir machen hier einen Einsatz und da einen Einsatz. Im Moment rühren wir nur ein bisschen in der Suppe herum, ohne irgendwas Reelles zu tun."
Auf so einen ganzheitlichen Ansatz setzt die Verwaltung von Malmö. Drei Kilometer westlich vom Problemviertel, in dem junge Menschen auf offener Straße erschossen werden. Im Rathaus hängt ein Bild der Öresundbrücke. Auf einer Anrichte stehen Zimtschnecken.
Hier im siebten Stock hat Andreas Schönström sein Büro. Er ist Kommunalrat für Sicherheitsfragen. Und er schwört auf ein neues Konzept aus den USA, das Malmö als erste Stadt in Schweden anwenden will. "Communities that care". Ein Pilotversuch im Stadtteil Almgården sei erfolgreich gewesen. Es hat auch schon einen nationalen Preis erhalten. Nun soll das Konzept in ganz Malmö helfen:
"Wir gucken uns an, was die lokalen Risikofaktoren sind. Und gegen diese Risikofaktoren kämpfen wir an, gemeinsam mit der Polizei, der Wirtschaft, mit Vereinen, den Bewohnern. Alle sollen sich engagieren. Das ist Präventionsarbeit. Damit wollen wir dafür sorgen, dass nicht noch mehr junge Menschen kriminell werden."
Die Polizei wisse genau, wer diese Kriminellen seien. 205 junge Menschen, Durchschnittsalter 22, gemeinsam 1779-mal verurteilt.
"Was wir heute in Malmö erleben, ist eine Konsequenz daraus, dass die Polizei organisierte Banden vor einigen Jahren zerschlagen hat. Die meisten Anführer sitzen im Gefängnis. Dann entstand ein Machtvakuum. Jetzt kämpfen junge Kerle mit Waffen um die Macht."
Malmös Morde und Schießereien waren auch ein Auslöser dafür, dass zum Jahreswechsel in ganz Schweden die Waffengesetze verschärft werden. Wer mit Schusswaffen erwischt wird, kann bisher leicht einer Verhaftung ausweichen. Das soll sich nun ändern. Ein weiterer Baustein, von dem man sich in Malmö mehr Sicherheit erhofft.