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Gewaltsame Blockupy-Proteste
"Das ist eine neue Qualität"

Den Politikwissenschaftler und Grünen-Politiker Hubert Kleinert haben die gewalttätigen Ausschreitungen bei den Blockupy-Protesten nicht überrascht - das Ausmaß der Gewalt sei jedoch neu, sagte Kleinert im DLF. Er sieht die Verantwortung dafür bei den Demonstranten, nicht bei der Polizei.

Hubert Kleinert im Gespräch mit Reinhard Bieck |
    Ein Blockupy-Aktivist demonstriert anlässlich des EZB-Neubaus vor einer brennenden Barrikade in Frankfurt.
    Ein Blockupy-Aktivist demonstriert anlässlich des EZB-Neubaus vor einer brennenden Barrikade in Frankfurt. (dpa / picture alliance / Andreas Arnold)
    Silvia Engels: Viele Experten hatten im Vorfeld damit gerechnet, dass die Proteste in Frankfurt am Main anlässlich der Einweihung der neuen EZB-Zentrale nicht friedlich bleiben würden. Doch das Ausmaß, mit dem die Gewalt eskalierte, überraschte gestern dann doch viele: insgesamt über 200 Verletzte. Mahnungen von Veranstaltern der Bewegung Blockupy, friedlich zu bleiben, waren also recht wirkungslos verhallt. In der Nacht beruhigte sich die Lage überwiegend.
    Über die gewaltsamen Proteste sprach mein Kollege Reinhard Bieck gestern Abend mit dem Politikwissenschaftler und Gründungsmitglied der Grünen, Hubert Kleinert. Er wollte wissen, ob die Veranstalter der Bewegung Blockupy mit diesen Ausschreitungen hätten rechnen müssen.
    Hubert Kleinert: Es ist ja nicht das erste Mal, dass aus solchen Anlässen bei solchen Demonstrationen auch Gewalthandlungen vorgekommen sind. Das haben wir gehabt, das beginnt in 2000 bei den Protesten in Genua gegen den G8-Gipfel. Insoweit, kann man sagen, ist das keine völlige Überraschung. Nur das Ausmaß, das sich da in Frankfurt abgespielt hat, das glaube ich schon, dass das so nicht erwartet worden ist. Das scheint ja doch eine neue Qualität angenommen zu haben. Das hat sich ja offenbar nicht entwickelt sozusagen aus der Konfrontation, sondern das ist ja offenbar von einem Teil der Demonstranten gezielt schon vor Beginn der eigentlichen Aktionen angefangen worden. Das ist wohl eine neue Qualität.
    "Anliegen in der Sache rücken in den Hintergrund"
    Reinhard Bieck: Muss man denn inzwischen sagen, hier in Deutschland muss jeder, der gegen irgendetwas auch mit friedlichen Absichten auf die Straße geht, damit rechnen, dass er auch ungewollt einfach Hooligans dieser Art eine Bühne bietet oder magnetisch anzieht?
    Kleinert: Ich wäre da mit solchen Verallgemeinerungen ein bisschen vorsichtig. Dass zur Demonstration auch Regelverletzungen gehören und dass es auch schon mal, sagen wir mal, zu Gewalthandlungen kommt, von Einzelnen oder von Gruppen von Teilnehmern, ist ja keine völlig neue Entwicklung. Wenn ich mal die Jahrzehnte zurückdenke, das hat es auch schon früher gegeben. Insofern würde ich jetzt doch davor warnen, dass man das übertreibt. Aber natürlich darf man das auch nicht schön reden. Das ist schon äußerst bedenklich, was sich dort abgespielt hat, vor allem auch deshalb, weil es ja dazu führt, dass die Anliegen in der Sache, die es ja allemal verdient haben, ernst genommen zu werden, in den Hintergrund rücken.
    Bieck: Jetzt heißt es aber vonseiten auch dieser friedlichen Organisatoren, die Polizei sei übertrieben hart vorgegangen. Aber was sollen denn eigentlich die Sicherheitskräfte anderes machen, als auf Gewalt mit Gewalt zu reagieren?
    Kleinert: Mit Demonstrationen, bei denen es auch zu Ausschreitungen kommt, habe ich zu tun in der einen oder anderen Weise seit vielen Jahrzehnten, oder da etwas mitbekommen. Ich kann mich an keinen einzigen Fall erinnern, wo die Veranstalter nicht auch zumindest einen Teil der Verantwortlichkeit am Ende bei der Polizei abgeladen haben. Das mag in vielen Fällen auch berechtigt gewesen sein, wenn man mal in die Geschichte zurückgeht, aber diesmal scheint es offensichtlich nach allem, was man mitbekommen konnte bis jetzt, unberechtigt gewesen zu sein. Hier liegt die Verantwortung wohl ausschließlich oder jedenfalls ganz überwiegend bei den Demonstranten. Nach allem, was man bisher weiß. Ich bin nicht da gewesen, Sie sind auch nicht da gewesen, wir kennen natürlich nicht alle Details. Aber alles, was man bisher hat mitbekommen können, spricht eindeutig dafür, dass die Gewalt von den Demonstranten ausgegangen ist.
    "Manchmal hat man das Gefühl, dass es da vor allem um Randale geht"
    Bieck: Hubert Kleinert, Sie haben es gerade selber angesprochen. Sie haben als Jugendlicher und später als junger Mann die 68er-Zeit erlebt und waren hier selbst Teil einer politischen Bewegung, die auch schon mal Steine geschmissen hat. War das in Frankfurt, ist das im Hamburger Schanzenviertel oder in Kreuzberg, ist das so wie vor 40 Jahren?
    Kleinert: Da habe ich schon Probleme mit diesen Vergleichen. Selbstverständlich: Steine sind Steine und Eier sind Eier und brennende Autos sind brennende Autos. Auf der anderen Seite habe ich schon den Eindruck, dass es in diesem gewaltbereiten Teil der Demonstranten dumpfer und, wie soll ich sagen, weniger reflektiert zugeht. Manchmal hat man das Gefühl, dass es da wirklich vor allem um die Randale geht. Da würde ich dann schon differenzieren wollen. Aber damit will ich nicht rechtfertigen, dass es auch früher schon bei Demonstrationen zu Übergriffen und Gewalttätigkeiten gekommen ist, die man nicht rechtfertigen kann.
    Engels: Der Politikwissenschaftler und Grünen-Gründungsmitglied Hubert Kleinert im Gespräch mit meinem Kollegen Reinhard Bieck.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.