Jürgen Zurheide Allein im größten Bundesland Nordrhein-Westfalen gibt es rund 50 Clans, mit mehr als 10.000 Mitgliedern. Das Landeskriminalamt ist im Moment dabei, so etwas wie ein Lagebild zu erstellen, und was man sieht, lautet dann, die sind tätig in legalen, in illegalen Geschäften. Kfz-Handel ist dabei, Schlüsseldienste, Drogen, Rotlichtmilieu, das ganze Programm. Was kann man tun, was sollte man tun, da hat sich die Gewerkschaft der Polizei zusammengesetzt und zum Beispiel darüber nachgedacht, wie man Vermögen einziehen kann, das geht neuerdings. Und das scheint eine Sanktion zu sein, die außerordentlich wirkungsvoll ist. Darüber wollen wir reden mit Frank Schniedermeier von der Gewerkschaft der Polizei, außerdem Kommissionsleiter Wirtschaftskriminalität und Korruption in Dortmund. Guten Morgen Herr Schniedermeier!
Frank Schniedermeier: Guten Morgen, Herr Zurheide!
Zurheide: Zunächst einmal, welche Instrumente gibt es denn im Moment, Sie können Vermögen abschöpfen und Sie sagen, das ist außerordentlich erfolgreich. Welche Instrumente haben Sie da neuerdings an der Hand?
Mehr Effektivität durch Beweislastumkehr
Schniedermeier: Also, den Bereich der Finanzermittlungen und Vermögensabschöpfungen, den gibt es schon seit vielen Jahren, Jahrzehnten, der ist irgendwann in den 70er-Jahren mal in das Strafgesetzbuch eingeführt worden. Die neue schwarz-gelbe Landesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag beispielsweise geregelt, dass bei Vermögen unklarer Herkunft verfassungskonform eine sogenannte Beweislastumkehr gelten soll. Das heißt also, dass unser Straftäter im Grunde genommen nachweisen muss, dass er diese Vermögenswerte legal erworben hat. Da gibt es noch einige Schwierigkeiten, man ist sich da noch nicht sicher, ob das verfassungskonform ist, aber wir haben gerade unser Kriminalitätsforum angesprochen am 15.11. in Düsseldorf, das Thema war Abschöpfung illegaler Gewinne – auf der Spur des Geldes. Wir haben uns dazu einen Fachmann geholt von der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm, der dazu auch referiert hat, der beispielsweise auch gesagt hat, Schweigen reicht nicht mehr. Kriminelle protzen mit ihren Luxusschlitten und Villen, und das muss man abschöpfen. Es geht also um Abschöpfung illegaler Vermögen, insbesondere bei organisierter Kriminalität, Wirtschafts- und Clankriminalität.
Zurheide: Gibt es da besondere Beispiele, zeigen Sie uns ein Beispiel, wo Sie sagen, da haben wir es versucht und möglicherweise auch erfolgreich versucht.
Schniedermeier: Es gibt eine Vielzahl von Beispielen. Ein Beispiel war sehr spektakulär, ging auch durch die Medien, spielte in Berlin. Eine Person einer arabischen Großfamilie lebte von Harz IV und Kindergeld. Er soll dann aber auch Eigentumswohnungen und Grundstücke gekauft haben, das allerdings erst kurz nach einem sogenannten spektakulären Einbruch. Und in diesem Einbruch soll man eine Beute von mehr als neun Millionen erbeutet haben. Die Frage war letztendlich, mit welchem Geld hat dieser Mensch Eigentumswohnungen und Grundstücke gekauft. Die Ermittlungen führten dann letztendlich dazu, dass in Berlin 77 Immobilien und Vermögenswerte im Wert von ungefähr neun Millionen gesichert werden konnten. Das ist ein spektakuläres Beispiel.
Es gibt aber auch ganz einfache Beispiele, wie wir sie tagtäglich in jeder Stadt erleben. Wenn Sie einen Drogendealer haben beispielsweise, den Sie bei einem Geschäft beobachten, Sie nehmen ihn fest, durchsuchen ihn und stellen dann fest, der Mann hat meinetwegen beispielsweise 2000, 3000 oder 5000 Euro dabei. Dann haben Sie die Möglichkeit, dieses Instrument der Vermögensabschöpfung zu nutzen und ihm nicht nur die Drogen, die er vielleicht noch bei sich hat, wegzunehmen, sondern auch die finanziellen Mittel, also sein Geld, was er bei sich hat.
"Treffen, wo es richtig wehtut"
Zurheide: Das ist, sagen Sie, ein außerordentlich wirkungsvolles Mittel, vielleicht sogar wirkungsvoller als Gefängnisstrafen, wie sehen Sie das?
Schniedermeier: Also, die Experten sind sich einig, eine sogenannte Freiheitsstrafe mit Bewährung trifft den Täter nicht da, wo es ihn treffen soll, nämlich da, wo es richtig weh tut, und das ist, wenn man ihm seine Luxusschlitten, seine Immobilien, sein Geld wegnimmt und ihm damit diese Statussymbole, die er sich ja eigentlich ertrogen hat, wegnimmt. Das trifft den Straftäter nach Ansicht von Experten am meisten.
Zurheide: Jetzt haben Sie natürlich darauf hingewiesen, das alles muss rechtsstaatlich sauber sein, bei dieser Beweislastumkehr, das setzt natürlich einen erheblichen Ermittlungsaufwand auch voraus. Dafür müssen Sie unter anderem kooperieren mit vielen anderen Behörden. Gelingt das inzwischen besser als in der Vergangenheit?
Schniedermeier: Sie müssen wissen, dass das Land Nordrhein-Westfalen, das können Sie überall nachlesen, nur 140 Finanzermittler zur Verfügung hat, die sich auf die Kreispolizeibehörden verteilen. Wichtig ist, dass Finanzermittler ihre Arbeit machen können und nicht für andere Arbeiten, Fußballeinsätze, Demogeschehen und sonstiges herbeigezogen werden, dass die ihre Arbeit machen können. Auf der Gegenseite brauchen Sie dann natürlich einen fachlich versierten Staatsanwalt, der dann das Ganze in entsprechende Anträge ummünzt, und dann brauchen Sie letztendlich noch einen Richter, der in einem Gerichtsverfahren dazu kommt, diese Vermögenswerte dann letztendlich einzuziehen. Weil alles das, was Polizei und Staatsanwaltschaft im Vorhinein machen, sind vorläufige Vermögenssicherungen. Letztendlich muss man sich deutlich machen: Straftaten dürfen sich nicht lohnen, das ist der Sinn und Zweck der Gewinnabschöpfung, auch Sinn und Zweck der Änderung des Gesetzes zur Vermögensabschöpfung. Und letztendlich ist es nur gerecht, wenn dem Täter das zu Unrecht erlangte wieder weggenommen wird.
Mehr spezialisierte Ermittler notwendig
Zurheide: Auf der anderen Seite muss natürlich das rechtsstaatlich sauber ablaufen, das heißt, man muss, selbst wenn er beweisen muss, dass er das Geld legal oder illegal bekommen hat, das muss alles zusammenpassen. Wie schwierig ist das dann am Ende in der Praxis, was können Sie da für Erfahrungen sagen?
Schniedermeier: Ich bin selber 2004 mal zum Finanzermittler, also Vermögensabschöpfer, fortgebildet worden und weiß, wie viel Arbeit ein Finanzermittler hat, wie schwer es ist, auf die Spur des Geldes zu kommen. Das fängt an, wenn der Täter sein Geld ins Ausland gebracht hat, in sogenannte Steuerparadiese. Da kann man dann mit Rechtshilfeersuchen arbeiten, aber das dauert dann sehr lange, bis diese bearbeitet werden. Ansonsten haben Sie über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht viele Möglichkeiten, Geldströme nachzuvollziehen, sich Kontoverbindungen geben zu lassen – also die Arbeit des Finanzermittlers ist sehr komplex und unter dem Strich brauchen wir mehr! Wir brauchen mehr spezialisierte Ermittler, aber nicht nur im Bereich der Vermögensabschöpfung, sondern auch im Bereich der OK-Ermittlungen.
Zurheide: Was wünschen Sie sich insgesamt von der Politik für diese Arbeit, die Sie da machen?
Schniedermeier: Ich wünsche mir hochspezialisierte Kriminalbeamte, die in ihrem Job, beispielsweise OK oder Finanzermittlungen, ihre Arbeit machen. Ich wünsche mir aber auch gleichzeitig, dass diese Finanzermittler in diesen Bereichen bleiben können und sich nicht aufgrund Karrieremöglichkeiten, die bei uns nicht so groß sind, die Dienststellen verlassen und dann andere Dienste aufnehmen, um noch mal befördert zu werden. Also ich wünsche mir eine sogenannte Aufhebung des Decklungsbeschlusses.
Zurheide: Das war Frank Schniedermeier von der Gewerkschaft der Polizei in Nordrhein-Westfalen zu einem wichtigen Feld der Kriminalitätsbekämpfung. Herr Schniedermeier, herzlichen Dank, dass Sie uns das heute morgen geschildert haben. Dankeschön!
Schniedermeier: Danke, Herr Zurheide!
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