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Gewinneinbruch bei Siemens

Sechs Milliarden Euro Jahresgewinn - das war das Ziel, das sich Siemens für das laufende Geschäftsjahr gesteckt hatte. Doch die heute vorgelegten Zahlen für das erste Quartal zeigen, es wird ein schwieriges Geschäftsjahr für den Industriekonzern.

Von Michael Watzke |
    Siemens-Chef Peter Löscher stammt aus Kärnten. Als Österreicher kennt er sich mit Bergwanderungen aus. Diese Kenntnisse kann er gut gebrauchen. Denn Löscher will mit Siemens mittelfristig 100 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr erzielen:

    "Angesichts der weltwirtschaftlichen Wetterlage wird es ein Aufstieg mit flacheren und steileren Etappen werden. Aber Bergwanderer wissen, Gipfeltouren verlaufen nie stetig."

    Derzeit droht bei der Siemens-Gipfeltour ein kräftiger Gewitterschauer. Der Gewinn brach zum Start des neuen Geschäftsjahres um 17 Prozent ein, die angepeilten sechs Milliarden Euro Jahresergebnis rücken in weite Ferne. Löscher nahm vor der Hauptversammlung sogar kurz das böse R-Wort in den Mund: Eine Rezession drohe in Europa, wenn auch eine milde, und nur für kurze Zeit:

    "Die Realwirtschaft kann sich den Einflüssen der volatilen Finanzmärkte nicht entziehen. Öffentliche Budgets sind angespannt. Sorgen vor Kreditengpässen bremsen die Investitionsbereitschaft und die Weltkonjunktur flacht ab. Für das zweite Halbjahr sehen die Prognosen der Konjunkturforscher dann die Chance auf eine Entspannung und allmähliche Erholung."

    Die Zahlen für 2011 sind glänzend: Siemens hat im vergangenen Jahr mehr als 73 Milliarden Euro umgesetzt. Der Gewinn sprang um 65 Prozent auf mehr als sieben Milliarden Euro. Und der Konzern sitzt auf zwei dicken Polstern: einem Auftragseingang von 85 Milliarden Euro. Und jeder Menge Cash. Denn Siemens hat kaum Geld in teure Übernahmen gesteckt. Deshalb haben die Wettbewerber wie General Electric höhere Umsatzsteigerungen erzielt als Siemens:

    "Ihr Wachstum war allerdings durch oft hochpreisige Akquisitionen getrieben. Da wollten wir ausdrücklich nicht mithalten. Vorstand und Aufsichtsrat schlagen Ihnen eine Dividende in Höhe von drei Euro vor."

    Nur müder Applaus bei den 5000 Aktionären in der Münchner Olympiahalle. Viele hatten sich mehr erhofft. Lauter ging es vor der Halle zu. Dort protestierten Mitarbeiter der Siemenstochter Osram und von NokiaSiemensNetworks (NSN) gegen einen geplanten Stellenabbau. Osram will in Deutschland 1000 Stellen streichen, NSN weltweit 17.000. Gesamtbetriebsrats-Chef Georg Nassauer forderte:

    "Die unternehmerische Führung zurück nach Deutschland und stärker an Siemens binden. Verzicht auf externe Berater. Diese McKinseys, diese Herren in 'Konfirmandenanzügen' brauchen wir nicht."

    In der Olympiahalle sprach Siemens-Chef Löscher nur kurz über NSN und Osram – die schwierigsten Baustellen des Konzerns. Bei NSN erwartet Siemens im laufenden Quartal Belastungen in mittlerer dreistelliger Millionenhöhe. Und die Licht-Tochter Osram wollte Löscher eigentlich schon an die Börse gebracht haben:

    "Das ist weiter unser Plan. Wir werden diesen Schritt aber erst tun, wenn die Marktbedingungen dafür wieder günstiger sind."

    Vielleicht in der zweiten Jahreshälfte. Dann rechnet Bergwanderer Löscher wieder mit steileren Aufstiegsrouten für die Weltwirtschaft – und für Siemens.