Die Macht der Gewohnheit
Warum wir uns mit Veränderungen schwertun

"The same procedure as last year, Miss Sophie?", fragt der Butler im Silvesterklassiker "Dinner for One". "The same procedure as every year, James!", antwortet diese. Warum hängen wir eigentlich so am Gewohnten? Was läuft da im Kopf ab?

    Freddie Frinton als Butler James in dem Sketch "Dinner for One oder Der 90. Geburtstag" als Fernsehproduktion des NDR 1963.
    "Dinner for One" am Silvesterabend. Warum schauen wir eigentlich Jahr für Jahr immer wieder das Gleiche? (picture alliance / United Archives / Siegfried Pilz)
    Weihnachten ist eine Endlosschleife der Wiederholungen, Jahr für Jahr das Gleiche. Zimtsterne und Lebkuchen, „Last Christmas“ und Tannenbaum. Die Macht der Gewohnheit schlägt voll zu.
    Im neuen Jahr soll dann alles anders werden. Natürlich besser. Mehr Sport, gesünder ernähren, ohne Fleisch – und aufs Rad umsteigen wegen des Klimas. Tja, schön wär’s! Auch hier meldet sich die Macht der Gewohnheit. Das haben wir schon immer so gemacht, sagt der Kopf. Same procedure as every year, James! Ätsch, die Wampe bleibt! Das Auto und das Steak auch! Warum ist der Mensch eigentlich so auf Gewohntes aus?

    Inhalt

    Warum unser Gehirn keine Änderungen mag

    Klar, Wiederholungen sind wichtig. Schließlich lernen wir durch sie. Aber hat sich etwas erst in die Gehirnwindungen gegraben, lässt es sich nicht so ohne Weiteres umprogrammieren. Routinen werden in bestimmten Situationen fast automatisch ausgelöst, sagt die Neurowissenschaftlerin Lieneke Janssen. Es sind quasi „gelernte Abkürzungen“, die uns schnell reagieren lassen, aber auch extrem unflexibel machen. Das Hirn freut sich bei gewohnten Abläufen über den Energiesparmodus. Gewohnte Verhaltens- und Gedankenmuster zu verlassen, kostet uns dagegen einiges an Anstrengung.

    Wie wir uns Verhaltensweisen angewöhnen

    Der Mensch ist ein Gewohnheitstier – und das auch aufgrund des Neurotransmitters Dopamin. Der spielt eine entscheidende Rolle beim Erlernen von Routinen und Gewohnheiten. Das sogenannte Glückshormon sei „ganz wichtig für unsere Motivation, uns anzustrengen“, sagt Lieneke Janssen. Es wird ausgeschüttet, wenn beispielsweise Ziele erreicht werden oder eine Belohnung in Aussicht steht.

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    Das kann die Vorfreude auf einen leckeren Milchshake sein, die Erwartung von zahlreichen Likes beim Posten oder eben die Vorfreude auf das Weihnachtsfest. "In unserem Kopf gibt es so ein System, was ständig vorhersagt, was als Nächstes passiert und wie gut das wohl ist, was passiert", sagt der Hirnforscher Manfred Spitzer.
    "Deswegen haben wir an Weihnachten alles systematisiert, was uns zum Positiven bringt." - Seien es nun Licht in der dunklen Zeit, Schokolade oder gemeinsames Singen und Geschenke als positive Überraschungen. Man könnte Weihnachten deswegen eigentlich auch "Dopamin-Glückszentrumsfest" nennen.
    Wir wiederholen also, was uns glücklich macht - und ermöglichen uns dadurch die Vorfreude. Dabei gilt laut Untersuchungen des Max-Planck-Instituts für Stoffwechselforschung: Je größer das eigene, subjektive Verlangen, desto größer ist auch die Dopaminausschüttung. Dieses System kann allerdings langfristig auch negative Folgen haben, beispielsweise in die Sucht führen.

    Warum wir Dinge tun, die uns schaden

    Bei abstrakten Themen wie Klimaschutz scheint es besonders schwer, seine Gewohnheiten zu ändern. Denn der innere Schweinehund ist ein höchst emotionales Tierchen. Logische Argumente haben wenig Chancen. „Ich finde, dass sehr viel über Affekte, Emotionen, Gefühle läuft, die sich natürlich einschleifen, die uns an gewissen Dingen hängen lässt", sagt Jan Slaby. Er ist Professor für Philosophie und hat eine Theorie entwickelt, warum ein Verhalten, das die Umwelt und das Klima schädigt, beibehalten wird.
    Einerseits wüssten die Menschen, dass viele ihrer Gewohnheiten umweltschädigend seien. Doch die Folgen des eigenen Verhaltens bleiben "ungefühlt". Wer im Auto sitzt, der ärgert sich dann vielleicht über die Schlaglöcher oder fehlenden Parkplätze. "Aber wo jetzt die Rohstoffe herkommen, aus denen das Auto besteht, welcher Raubbau an der Natur betrieben wird, damit es überall Straßen und Parkplätze gibt, das liegt mir nicht vor Augen, das ist nicht Teil dieser unmittelbaren gefühlten praktischen Realität.“

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    Höchstens kommen Schuldgefühle auf und münden darin, dass wir die Wirklichkeit weiter verdrängen. Der öffentliche Diskurs in den Medien führe zusätzlich dazu, sich aus der eigenen Verantwortung rauszunehmen, meint Slaby, "weil gesagt wird: Die Probleme kommen doch woanders her, du bist da selber mit deinen eigenen privaten Praktiken gar nicht beteiligt".
    Keine guten Voraussetzungen, um seine Gewohnheiten in Bezug auf Klimaschutz zu ändern – und etwa aufs Rad umzusteigen.

    Wie wir aus Routinen ausbrechen

    Wer seine Gewohnheiten ändern möchte, der muss erst die Trigger erkennen, sagt die Neurowissenschaftlerin Lieneke Janssen. Was führt dazu, dass ich abends mit Chips oder Popcorn auf der Couch sitze: Spendet das Essen Trost? Oder gehört es für mich zum Streaming-Abend einfach dazu? Wir müssen also unser eigenes Verhalten intensiv reflektieren, so Janssen. Aufmerksamkeit sei dafür unabdingbar.
    Ähnlich sieht es der Psychologe Hans-Werner Rückert. Neujahrsvorsätze sind für ihn deswegen ohnehin Blödsinn. Denn wer vorschnell Vorsätze fast, erzeuge „unter Umständen sofort Widerstand, weil ich meine persönliche Freiheit beenge“. Statt auf Vorsätze, um mit alten Gewohnheiten zu brechen, setzt er auf Wünsche – und zahlreiche Zettel, um diese ganz genau aufzuschreiben. Dabei solle man gründlich überlegen, warum man sie verfolgen will. Ist es wirklich der eigene Wunsch – oder der des Partners, der Medien, der Gesellschaft? Was muss ich tun, um diesen Wunsch zu erreichen? Ist es mir das wirklich wert? Was mache ich, wenn ich die Lust daran verliere?
    Wer etwas ändern möchte, sollte also auf Vorfreude statt Zwang setzen, auf Wünsche statt Verbote.

    lkn