Endlich! Von einer nahegelegenen Moschee klingt der Ruf des Muezzins über den Abbasaga-Park im Istanbuler Stadtviertel Besiktas. Dutzende Fastende trinken gemeinsam den ersten Schluck Wasser seit Sonnenaufgang und beginnen zu essen.
Die hungrigen Parkbesucher gehören zu denen, die der türkische Ministerpräsident "Gesindel" nennt – und denen er seit Wochen vorwirft, sie würden die Religion mit Füßen treten. "Hiermit beweisen wir ihm das Gegenteil", sagt der 39-jährige Programmierer Enes, der hinter einem Büffet mit selbst gebackenem Kuchen steht. Er selbst hält sich nicht an den Ramadan. Zum gemeinsamen Fastenbrechen ist er trotzdem gekommen.
Enes: "Wir müssen uns jetzt so verhalten, wie das Land sein soll, in dem wir in Zukunft leben wollen. Deswegen bin ich hier. Was im Gezi-Park begonnen hat, war eine Bewegung der Solidarität, des Teilens und Zuhörens, die seitdem immer weiter gewachsen ist."
23 Tage lang blieb der Gezi-Park nach seiner brutalen Räumung geschlossen. Doch anstatt zuhause zu bleiben, riefen die Demonstranten in Istanbul das Motto "Gezi ist überall" aus. Nicht erst seit dem Beginn des Ramadans treffen sie sich jeden Abend um neun zu so genannten Park-Foren, um gemeinsam zu diskutieren, wie es mit ihrem Land weitergehen soll.
Auch Philosophiestudent Firat gehört zu denen, die zu Beginn der türkischen Proteste fast täglich zum Taksim-Platz marschierten und Erdogans Rücktritt forderten. Jetzt sitzt er allabendlich unter einem Baum im kleinen Yogurtcu-Park – und hört einfach nur zu:
Firat: "Es funktioniert so: Jeder darf sagen, was er will. Aber er hat nur zwei Minuten Redezeit! Wir treffen hier auch Entscheidungen, zum Beispiel für Demonstrationen. Wenn das Forum ja sagt, demonstrieren wir, wenn es nein sagt, dann nicht. Wir setzen der Lügen-Demokratie da oben eine echte Volksdemokratie entgegen."
Firat zeigt auf die kleine Holzbühne, auf der jetzt eine junge Frau steht. Ihre Hand zittert leicht, als sie das Mikrofon nimmt und den mehr als zweitausend Zuhörern ihren Vorschlag unterbreitet: Eine schweigende Demonstration mit schwarzen Klebestreifen über den Mündern, um auf die Zensur im Land aufmerksam zu machen. Das Forum ist begeistert: Doch statt zu klatschen, winken die Zuhörer. Man will die Anwohner nicht stören…Als die junge Frau nach zwei Minuten von der Bühne kommt, hat sie Tränen in den Augen.
Demonstrantin Zuhal: "Das hier ist so aufregend! Auch, wenn wir nicht mehr laut demonstrieren, tut es so gut, all die Leute hier in den Parks zu sehen. Ich habe zwei Freunde. Der eine ist ziemlich rechts und der andere total links. Aber jetzt kommen sie hierher und diskutieren. Die Regierung hat uns alle erst zusammengebracht."
"Erdogan sei Dank", so denken viele der Parkbesucher. Hätte er seine Ein-Mann-Demokratie nicht immer weiter auf die Spitze getrieben, wären wir nicht aufgewacht, sagt Philosophiestudent Firat, der mit seinen 22 Jahren kaum etwas anderes kennt, als eine AKP-geführte Türkei.
"Ich sehe die Veränderung auch in meiner Familie. Meine Mutter zum Beispiel war vorher noch nie bei einer Demo. Aber im Gezi-Park hat sie zum ersten Mal Tränengas geschluckt. Ihre ganze Sichtweise hat sich verändert. Früher hätte sie gesagt: Geh da nicht hin, du könntest dich verletzen. Jetzt sagt sie: Geh!"
Und so sind es längst nicht nur junge Istanbuler, die die türkischen Proteste in den Park-Foren weitertragen. Unter den oppositionellen Fastenbrechern in Besiktas sind an diesem Abend alte Ehepaare und junge Familien, Kopftuchträgerinnen und Fußballfans. Der Widerstand der Türken hat sich verändert – doch vorbei ist er noch lange nicht, betont Programmierer Enes.
"Klar hat es sich etwas beruhigt, weil die Menschen ja irgendwie wieder in ihr Leben zurückkehren mussten. Wir müssen arbeiten, um unsere Miete zahlen zu können. Aber unsere Gedanken sind immer hier! Wir checken weiter ständig Twitter und Facebook und wenn irgendetwas los ist, versuchen wir sofort dabei zu sein. Die Leute können jederzeit wieder auf die Straße gehen. Das ist das Wichtigste."
Die hungrigen Parkbesucher gehören zu denen, die der türkische Ministerpräsident "Gesindel" nennt – und denen er seit Wochen vorwirft, sie würden die Religion mit Füßen treten. "Hiermit beweisen wir ihm das Gegenteil", sagt der 39-jährige Programmierer Enes, der hinter einem Büffet mit selbst gebackenem Kuchen steht. Er selbst hält sich nicht an den Ramadan. Zum gemeinsamen Fastenbrechen ist er trotzdem gekommen.
Enes: "Wir müssen uns jetzt so verhalten, wie das Land sein soll, in dem wir in Zukunft leben wollen. Deswegen bin ich hier. Was im Gezi-Park begonnen hat, war eine Bewegung der Solidarität, des Teilens und Zuhörens, die seitdem immer weiter gewachsen ist."
23 Tage lang blieb der Gezi-Park nach seiner brutalen Räumung geschlossen. Doch anstatt zuhause zu bleiben, riefen die Demonstranten in Istanbul das Motto "Gezi ist überall" aus. Nicht erst seit dem Beginn des Ramadans treffen sie sich jeden Abend um neun zu so genannten Park-Foren, um gemeinsam zu diskutieren, wie es mit ihrem Land weitergehen soll.
Auch Philosophiestudent Firat gehört zu denen, die zu Beginn der türkischen Proteste fast täglich zum Taksim-Platz marschierten und Erdogans Rücktritt forderten. Jetzt sitzt er allabendlich unter einem Baum im kleinen Yogurtcu-Park – und hört einfach nur zu:
Firat: "Es funktioniert so: Jeder darf sagen, was er will. Aber er hat nur zwei Minuten Redezeit! Wir treffen hier auch Entscheidungen, zum Beispiel für Demonstrationen. Wenn das Forum ja sagt, demonstrieren wir, wenn es nein sagt, dann nicht. Wir setzen der Lügen-Demokratie da oben eine echte Volksdemokratie entgegen."
Firat zeigt auf die kleine Holzbühne, auf der jetzt eine junge Frau steht. Ihre Hand zittert leicht, als sie das Mikrofon nimmt und den mehr als zweitausend Zuhörern ihren Vorschlag unterbreitet: Eine schweigende Demonstration mit schwarzen Klebestreifen über den Mündern, um auf die Zensur im Land aufmerksam zu machen. Das Forum ist begeistert: Doch statt zu klatschen, winken die Zuhörer. Man will die Anwohner nicht stören…Als die junge Frau nach zwei Minuten von der Bühne kommt, hat sie Tränen in den Augen.
Demonstrantin Zuhal: "Das hier ist so aufregend! Auch, wenn wir nicht mehr laut demonstrieren, tut es so gut, all die Leute hier in den Parks zu sehen. Ich habe zwei Freunde. Der eine ist ziemlich rechts und der andere total links. Aber jetzt kommen sie hierher und diskutieren. Die Regierung hat uns alle erst zusammengebracht."
"Erdogan sei Dank", so denken viele der Parkbesucher. Hätte er seine Ein-Mann-Demokratie nicht immer weiter auf die Spitze getrieben, wären wir nicht aufgewacht, sagt Philosophiestudent Firat, der mit seinen 22 Jahren kaum etwas anderes kennt, als eine AKP-geführte Türkei.
"Ich sehe die Veränderung auch in meiner Familie. Meine Mutter zum Beispiel war vorher noch nie bei einer Demo. Aber im Gezi-Park hat sie zum ersten Mal Tränengas geschluckt. Ihre ganze Sichtweise hat sich verändert. Früher hätte sie gesagt: Geh da nicht hin, du könntest dich verletzen. Jetzt sagt sie: Geh!"
Und so sind es längst nicht nur junge Istanbuler, die die türkischen Proteste in den Park-Foren weitertragen. Unter den oppositionellen Fastenbrechern in Besiktas sind an diesem Abend alte Ehepaare und junge Familien, Kopftuchträgerinnen und Fußballfans. Der Widerstand der Türken hat sich verändert – doch vorbei ist er noch lange nicht, betont Programmierer Enes.
"Klar hat es sich etwas beruhigt, weil die Menschen ja irgendwie wieder in ihr Leben zurückkehren mussten. Wir müssen arbeiten, um unsere Miete zahlen zu können. Aber unsere Gedanken sind immer hier! Wir checken weiter ständig Twitter und Facebook und wenn irgendetwas los ist, versuchen wir sofort dabei zu sein. Die Leute können jederzeit wieder auf die Straße gehen. Das ist das Wichtigste."