"Große Oper". Nach dem Belcanto-Stil Rossinis und vor den Musikdramen Wagners war die Grand Opéra in den 1830er, -40er und -50er Jahren die beherrschende Form des Musiktheaters, und ihr "Erfinder" Giacomo Meyerbeer einer der erfolgreichsten Bühnenkomponisten seiner Zeit, dessen Melodien - wie die Hymne "Roi du Ciel" aus Le Prophète - ganz Europa kannte.
Geboren wird Jakob Liebmann Meyer Beer am 5. September 1791 in Tasdorf bei Berlin: Sohn eines jüdischen Fabrikanten und Bankiers, musikalisch hoch begabt und früh gefördert. Nach dem Studium (unter anderem bei Carl Friedrich Zelter) und ersten Erfolgen in Deutschland geht Giacomo Meyerbeer, wie er sich nun nennt, 1816 nach Italien und macht sich dort im Windschatten Rossinis einen Namen. Mit "Il crociato in Egitto" beschreitet er 1824 in Venedig erstmals neue Wege: Nicht mehr der "Schöngesang" einzelner Stimmen steht im Fokus, sondern ausladende Chor- und Ensemble-Szenen, dramatische Hochspannung, opulente Bühnenbilder, Ausstattungen und Kostüme - eben "Große Oper".
Rossini lädt den Komponisten mit dem Crociato an sein "Théâtre Italien" nach Paris ein, wo Meyerbeer in dem gleichaltrigen Eugène Scribe einen kongenialen Librettisten findet. Ihr schauer-romantischer Fünfakter "Robert le Diable" wird 1831 einer der größten Opern-Triumphe des Jahrhunderts. Vor allem die Friedhofsszene, in der Nonnen aus ihren Gräbern steigen und eine Valse infernale tanzen, macht Furore - auf der Bühne wie im Konzertsaal, in der Klavier-Paraphrase von Franz Liszt. Auch hinter den Spottversen Heinrich Heines spürt man die Begeisterung:
"Wenn ich Billette bekommen kann,
Bin ich sogar kapabel,
Dich in die Oper zu führen alsdann:
Man gibt Robert-le-Diable.
Es ist ein großes Zauberstück
Voll Teufelslust und Liebe;
Von Meyerbeer ist die Musik,
Der schlechte Text von Scribe."
Bin ich sogar kapabel,
Dich in die Oper zu führen alsdann:
Man gibt Robert-le-Diable.
Es ist ein großes Zauberstück
Voll Teufelslust und Liebe;
Von Meyerbeer ist die Musik,
Der schlechte Text von Scribe."
In den nächsten 28 Jahren entstehen nur vier weitere Opern für Paris, mit denen Meyerbeer und Scribe ihre Erfolge fortsetzen. Selbst Richard Wagner feiert den Komponisten als "den Propheten der neuen Welt" im Musiktheater:
"Kommt das Genie und wirft uns in andere Bahnen, so folgt ein Begeisterter gern über all hin, selbst wenn er sich unfähig fühlt, in diesen Bahnen etwas leisten zu können."
Einige Jahre später freilich wird er in seiner Hetzschrift "Das Judentum in der Musik" seine frühe Bewunderung für Meyerbeer in Hasstiraden verkehren; und seine Ideen von "Oper und Drama" werden es auch sein, die das Ende der Grand Opéra besiegeln. Seit seiner Ernennung zum Nachfolger Gaspare Spontinis als königlich-preußischer Generalmusikdirektor (1842) pendelt Giacomo Meyerbeer zwischen Berlin und Paris, wo er am 2. Mai 1864 plötzlich stirbt. Sein Leichnam wird nach Berlin gebracht und dort am 9. Mai auf dem jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee beigesetzt. Ein knappes Jahr später wird in Paris Meyerbeers letzte Oper uraufgeführt: "L'Africaine."