Arndt Reuning: Herr Dr. Roos, haben Sie die Affendame Asia denn auch schon einmal persönlich kennen gelernt?
Christian Roos: Nein leider nicht, die sitzt also in einem amerikanischen Zoo und da war ich leider noch nicht. Darum kenne ich Asia nicht, aber ich kenne natürlich Ihre Artverwandten aus Vietnam ganz gut.
Reuning: Der Gibbon steht ja in der Entwicklungsgeschichte ein wenig abseits. Man spricht ja auch von den kleinen Menschenaffen, also im Gegensatz zum Beispiel zu den Schimpansen oder Gorillas. Zeigt sich diese besondere Position in der Entwicklungslinie denn auch in seinem Genom?
Roos: Also die Gibbons sind eben ganz eigenartig von Genome her und besonders interessant, weil sie im Vergleich zu den großen Menschenaffen eine ganz hohe Anzahl an Chromosomenbrüchen aufweisen und also ganz unterschiedliche Chromosomenzahlen mit einer Vielzahl von Veränderungen des Genoms. Und das ist einzigartig unter den Menschenaffen insgesamt.
Reuning: Von den Gibbons gibt es ungefähr 19 Arten und die unterscheiden sich auch durch die Anzahl ihrer Chromosomen?
Roos: Wir haben also bei den 19 Arten insgesamt vier Gattungen, und die unterscheiden sich in der Chromosomenzahl. Und die Arten zueinander unterscheiden sich meistens dann noch einmal innerhalb einer Gattung zwischen den unterschiedlichen Chromosomenveränderungen dann.
Reuning: Wie lässt sich das denn erklären, dass diese Gibbons diese Besonderheiten zeigen?
Springende Gene verantwortlich für Chromosomenbrüche
Roos: Da haben wir, also im Genom haben wir jetzt Hinweise darauf gefunden, warum das so ist. Wir haben nämlich eine ganz neue Gruppe von springenden Elementen gefunden, die so genannten Lava-Elemente. Und die finden wir also immer in der Nähe von Chromosomenbrüchen, und die sind vermutlich dafür verantwortlich, dass die Gibbons so viele Änderungen des Genoms aufweisen.
Reuning: Also nicht nur die Gibbons selbst schwingen von Ast zu Ast, sondern auch verschiedene Genelemente in ihrem Genome springen hin und her?
Roos: Das kann man genauso sagen, ja.
Reuning: Wie kam es denn genau dazu oder seit wann existieren denn diese Elemente?
Roos: Die sind also wirklich nur beim Gibbon gefunden worden, das heißt, die werden vermutlich nach der Abspaltung von der menschlichen Linie entstanden sein, also circa dann irgendwo zwischen vor zehn Millionen und 18 Millionen Jahren.
Reuning: Wenn Sie das Genom der Gibbons untersuchen, dann schauen Sie ja sozusagen der Evolution über die Schulter. Können Sie aus dem Genom ablesen, wie bestimmte Eigenschaften dieser Affen entstanden sind? Zum Beispiel dieses Schwinghangeln von Ast zu Ast.
Auswertung soll fortgesetzt werden
Roos: Wir haben also auch einige Gene gefunden, die also im Gibbon positiv selektioniert sind, also besonders verändert worden. Und diese Gene sind eben verantwortlich dann für Bindegewebsaufbau, Knochenbau und so weiter. Und vermutlich hängt das sehr eng dann eben mit dieser Schwing-Fortbewegung zusammen.
Reuning: Gibbons zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie singen, teilweise auch in Gruppen. Gibt es auch da Hinweise im Genoms, wie das entstanden sein könnte?
Roos: Da haben wir leider keine Hinweise darauf gefunden.
Reuning: Aber eventuell könnte eine weitere Auswertung dann noch Hinweise geben?
Roos: Auf jeden Fall. Wir sind noch weiter dran, auch weiter die Daten noch auszuwerten. Es ist auch geplant, weitere Gibbonarten zu sequenzieren, also das komplette Genom zu generieren. Da hoffen wir natürlich, dass wir da dann natürlich auch noch Hinweise auf den Gesang finden.
Reuning: Gibbons gehören ja auch noch zu den stark gefährdeten oder bedrohten Arten. Glauben Sie, dass Ihre Forschung einen Beitrag zum Schutz dieser Affen leisten kann?
Roos: Einen direkten Einfluss wird es nicht haben, aber Genom-Information ist natürlich immer ganz interessant, weil sie auch Daten liefert, wie sich Tiere anpassen. Und darum kann es natürlich schon eingebracht werden in den Artenschutz. Gibbons sind im Vergleich zu den großen Menschenaffen immer so ein bisschen vergessen worden. Man redet immer von der Gefährdung der großen Menschenaffen, aber da gibt es häufig wirklich noch Tausende bis Hunderttausende Individuen. Aber bei den Gibbons sieht es zum Teil sehr viel schlechter aus, die gefährdetste Primatenart der Welt ist ein Gibbon, der Hainan-Gibbon, der eine Weltpopulationszahl von 23 Individuen hat. Also da ist die Situation wirklich sehr, sehr kritisch. Und da müsste wirklich dringend mehr unternommen werden, um dieser Art vor dem Aussterben zu retten.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.