"Wir leben in einer neuen Phase der Politisierung und der Moralisierung der Kunst", so der österreichische Philosoph Konrad Paul Liessmann. Zurzeit werde der Fokus vermehrt darauf gerichtet, wie ein Künstler moralisch oder politisch verfasst sei. Die Diskussion um die Bilder von Emil Nolde oder um die Leipziger Jahresausstellung, von der der Künstler Axel Krause ausgeschlossen wurde, blieben für ihn Einzelfälle, "aber es stellt sich schon die Frage, inwieweit diese Einzelfälle doch auch Symptom für generelle Entwicklungen, für generelle Haltungen sein können. Und wie sehr dadurch dieses große, seit dem 19. Jahrhundert entwickelte und durchgesetzte Konzept der Freiheit und der Autonomie der Künste tatsächlich gefährdet erschient."
Biografische Fixierung als Ausdruck von Kunstferne
Einen Kulturkampf sehe er allerdings noch nicht. Es gehe natürlich immer um Fragen der Deutungshoheit, um das, was ideologisch passend sei oder eben nicht. Je länger die nationalsozialistische Vergangenheit zurückläge, desto mutiger würden wir im Kampf gegen sie. Deswegen schauten wir heuet auch wieder mehr auf "Aspekte der Gesinnung". Liessmann verweist auf Theodor W. Adorno, der vor den Nationalsozialisten fliehen musste und der sagte, das Fixieren auf das Biografische sei ein Ausdruck von Kunstferne.
Kunst nicht verbannen, sondern kontrastieren
Eine Auseinandersetzung mit Widersprüchen könne nicht mit der Verbannung von Bildern, von Kunstwerken stattfinden. "Es ist immer ein Armutszeugnis auf der einen Seite und auf der anderen Seiet auch ein Eingeständnis einer gewissen Bequemlichkeit und Feigheit, Kunst den Blicken oder den Ohren zu entziehen. Das ist das Dümmste, was man machen kann. Das ist eigentlich nur der Habitus von totalitären Systemen gewesen, Kunst zu verbannen." Kontextualisierung halte er allerdings auch für schwierig, das sei zu viel pädagogische Lenkung. Man müsse Werke zur Diskussion stellen – am besten durch einen Dialog, durch Kontrastierung mit Werken, die eine andere Sicht erzählen.