Gerd Breker: Die europäischen Finanzminister sind in Luxemburg zusammengekommen, um endgültig die Rechtsgrundlage für eine gemeinsame Bankenaufsicht zu schaffen. Vom Herbst nächsten Jahres an sollen 130 Großbanken der Euro-Zone direkt von der Europäischen Zentralbank kontrolliert werden. Das Ziel lautet dabei, neue Schieflagen von Geldhäusern zu verhindern. Zuletzt hatte Großbritannien wegen Vorbehalte seines Parlaments die letzte Zustimmung im Finanzministerrat für Wochen verzögert, nun also grünes Licht.
Am Telefon sind wir nun verbunden mit Sven Giegold, er ist wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament. Guten Tag, Herr Giegold.
Sven Giegold: Ja guten Tag, Herr Breker.
Breker: Die Bankenaufsicht kommt, jetzt wird alles gut. Bankenrettung durch den Steuerzahler, das war gestern!
Giegold: Ja, wenn das so einfach wäre. Erst mal ist es gut, dass jetzt die Großbanken in Europa unter gemeinsame Aufsicht gestellt werden, weil dadurch das aufhört, dass Nationalstaaten ihre jeweiligen Banken so weit vor vernünftigen Regeln schützen, dass am Schluss die Steuerzahler bezahlen müssen. Das ist ein großer Fortschritt. Aber verschwunden ist damit nicht die Euro-Krise und auch nicht die Verluste in den Büchern der Banken, die bisher schon aufgelaufen sind.
Breker: Die Bankenaufsicht wird rechtskräftig im Herbst nächsten Jahres. Haben wir überhaupt so viel Zeit?
Giegold: Wir haben erst mal die Aufsicht für die Zukunft. Wie gesagt, das löst nicht die Probleme der Vergangenheit. Das bedeutet, von keiner Aufsicht kann man erwarten, dass sie hohe Verluste, die bereits aufgelaufen sind, verschwinden lassen kann. Deshalb muss, damit die Wirtschaft auch in den schwierigen Ländern, in den Krisenländern wieder in Gang kommt, dafür gesorgt werden, dass die Banken dieser Länder möglichst schnell wieder voll funktionsfähig sind. Dazu müssen die Märkte wirklich sicher und glaubwürdig wissen, wo gibt es wie hohe Verluste, und diese Verluste müssen aus den Büchern der Banken verschwinden, und zwar zuvorderst durch eine konsequente Beteiligung der Gläubiger der Banken.
Breker: Sollten sich Banken so bald wie möglich vom Rettungsschirm direkt Geld leihen dürfen?
Giegold: Auf keinen Fall so schnell wie möglich, sondern, wie das eben in Ihrem Beitrag auch richtig gesagt wurde, als letzte Option. Und was das bedeutet, letzte Option, darüber wird derzeit gerungen.
Was mir Sorgen macht ist, dass nach bisherigen Vorstellungen lediglich die Eigentümer und die Halter vorrangiger Schuldverschreibungen, sogenannter Juniorbonds, zur Rechenschaft gezogen werden sollen, aber alle anderen nicht. In Zypern sind wir ja weiter gegangen, das ist im Grundsatz auch richtig, und diese Signale und Maßgaben müssen auch für zukünftige Bankenrettungen gelten. Sonst wird zu schnell erst der nationale Steuerzahler und dann womöglich der europäische Steuerzahler zur Kasse gebeten.
Breker: Für den normalen Menschen gibt es ja den Eindruck, oder drängt sich der Eindruck auf, dass eigentlich in Sachen Banken wenig passiert ist: Gezockt wird weiter, Bonizahlungen gibt es weiter. Ist denn substanziell etwas geschehen, damit das, was zur Euro-Krise geführt hat, nicht wieder geschieht?
Giegold: Zunächst mal muss man eins sagen: Die meisten Verluste, die jetzt eintreten, die treten nicht durch Zockerei auf, sondern die treten dadurch auf, dass wir die Euro-Krise nicht gelöst haben. Die Banken in den Ländern, mit großen Problemen, haben natürlich immer mehr Schuldner, die nicht mehr bezahlen können, und das ist das zentrale Problem derzeit.
Wir brauchen daher dringend eine Euro-Politik, die dafür sorgt, dass auch in Spanien, Griechenland und so weiter es wieder wirtschaftliche Entwicklung und Dynamik gibt, und da ist bisher praktisch nichts passiert. Und im scheinbaren Geiz, im Interesse angeblich der deutschen Steuerzahler häufen wir immer höhere Risiken an bei der EZB insbesondere, in Zukunft womöglich auch beim ESM, und das ist eigentlich die Konsequenz einer verfehlten Euro-Politik.
Bezüglich der Banken selbst: Es sind natürlich Dinge geschehen. Die Banken müssen in Zukunft mehr Eigenkapital vorhalten. Sie halten schon jetzt mehr Eigenkapital. Und die Aufsicht ist strenger geworden und das Europaparlament hat ja auch durchgesetzt, dass die Boni der Banker massiv begrenzt werden. Ich finde das nicht ausreichend alles zusammen, aber dass nichts geschehen ist, kann man nicht sagen.
Breker: Was müsste denn geschehen, um das Risiko, das bestehende Risiko zu schmälern?
Giegold: Wie gesagt, kurzfristig ist das Entscheidende, dafür zu sorgen, dass alle Staaten innerhalb der Europäischen Union wieder erfolgreich wirtschaften können, und nur dann werden auch die dortigen Banken gesund sein. Und die zentrale Frage ist der Schuldentilgungsfonds: Was passiert mit den hohen Altschulden der Staaten. Und solange das nicht glaubwürdig gelöst ist, wird das alles sehr schweres Wasser.
Breker: Wie sollte es gelöst werden, Herr Giegold?
Giegold: Der Sachverständigenrat hat ja in Deutschland einen sehr guten Vorschlag vorgelegt, der im Europäischen Parlament auch eine Mehrheit gefunden hat, aber den Deutschland, die deutsche jetzige Bundesregierung scheut wie der Teufel das Weihwasser, nämlich die Altschulden über einen Schuldentilgungsfonds zu erfassen und dann abzubezahlen und dabei aber, sage ich mal, materielle Sicherheiten von allen Mitgliedsländern zu fordern, die diese auch nach wie vor haben übrigens, um eben dann über eine Gemeinschaftshaftung niedrige Zinsen für alle Staaten zu garantieren. Und wenn wir die Krisenländer nicht von den hohen Zinsen entlasten, werden sie sich wirtschaftlich kaum erholen!
Breker: Im Deutschlandfunk war das der finanz- und wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, Sven Giegold. Danke für dieses Gespräch!
Giegold: Gern.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Am Telefon sind wir nun verbunden mit Sven Giegold, er ist wirtschafts- und finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament. Guten Tag, Herr Giegold.
Sven Giegold: Ja guten Tag, Herr Breker.
Breker: Die Bankenaufsicht kommt, jetzt wird alles gut. Bankenrettung durch den Steuerzahler, das war gestern!
Giegold: Ja, wenn das so einfach wäre. Erst mal ist es gut, dass jetzt die Großbanken in Europa unter gemeinsame Aufsicht gestellt werden, weil dadurch das aufhört, dass Nationalstaaten ihre jeweiligen Banken so weit vor vernünftigen Regeln schützen, dass am Schluss die Steuerzahler bezahlen müssen. Das ist ein großer Fortschritt. Aber verschwunden ist damit nicht die Euro-Krise und auch nicht die Verluste in den Büchern der Banken, die bisher schon aufgelaufen sind.
Breker: Die Bankenaufsicht wird rechtskräftig im Herbst nächsten Jahres. Haben wir überhaupt so viel Zeit?
Giegold: Wir haben erst mal die Aufsicht für die Zukunft. Wie gesagt, das löst nicht die Probleme der Vergangenheit. Das bedeutet, von keiner Aufsicht kann man erwarten, dass sie hohe Verluste, die bereits aufgelaufen sind, verschwinden lassen kann. Deshalb muss, damit die Wirtschaft auch in den schwierigen Ländern, in den Krisenländern wieder in Gang kommt, dafür gesorgt werden, dass die Banken dieser Länder möglichst schnell wieder voll funktionsfähig sind. Dazu müssen die Märkte wirklich sicher und glaubwürdig wissen, wo gibt es wie hohe Verluste, und diese Verluste müssen aus den Büchern der Banken verschwinden, und zwar zuvorderst durch eine konsequente Beteiligung der Gläubiger der Banken.
Breker: Sollten sich Banken so bald wie möglich vom Rettungsschirm direkt Geld leihen dürfen?
Giegold: Auf keinen Fall so schnell wie möglich, sondern, wie das eben in Ihrem Beitrag auch richtig gesagt wurde, als letzte Option. Und was das bedeutet, letzte Option, darüber wird derzeit gerungen.
Was mir Sorgen macht ist, dass nach bisherigen Vorstellungen lediglich die Eigentümer und die Halter vorrangiger Schuldverschreibungen, sogenannter Juniorbonds, zur Rechenschaft gezogen werden sollen, aber alle anderen nicht. In Zypern sind wir ja weiter gegangen, das ist im Grundsatz auch richtig, und diese Signale und Maßgaben müssen auch für zukünftige Bankenrettungen gelten. Sonst wird zu schnell erst der nationale Steuerzahler und dann womöglich der europäische Steuerzahler zur Kasse gebeten.
Breker: Für den normalen Menschen gibt es ja den Eindruck, oder drängt sich der Eindruck auf, dass eigentlich in Sachen Banken wenig passiert ist: Gezockt wird weiter, Bonizahlungen gibt es weiter. Ist denn substanziell etwas geschehen, damit das, was zur Euro-Krise geführt hat, nicht wieder geschieht?
Giegold: Zunächst mal muss man eins sagen: Die meisten Verluste, die jetzt eintreten, die treten nicht durch Zockerei auf, sondern die treten dadurch auf, dass wir die Euro-Krise nicht gelöst haben. Die Banken in den Ländern, mit großen Problemen, haben natürlich immer mehr Schuldner, die nicht mehr bezahlen können, und das ist das zentrale Problem derzeit.
Wir brauchen daher dringend eine Euro-Politik, die dafür sorgt, dass auch in Spanien, Griechenland und so weiter es wieder wirtschaftliche Entwicklung und Dynamik gibt, und da ist bisher praktisch nichts passiert. Und im scheinbaren Geiz, im Interesse angeblich der deutschen Steuerzahler häufen wir immer höhere Risiken an bei der EZB insbesondere, in Zukunft womöglich auch beim ESM, und das ist eigentlich die Konsequenz einer verfehlten Euro-Politik.
Bezüglich der Banken selbst: Es sind natürlich Dinge geschehen. Die Banken müssen in Zukunft mehr Eigenkapital vorhalten. Sie halten schon jetzt mehr Eigenkapital. Und die Aufsicht ist strenger geworden und das Europaparlament hat ja auch durchgesetzt, dass die Boni der Banker massiv begrenzt werden. Ich finde das nicht ausreichend alles zusammen, aber dass nichts geschehen ist, kann man nicht sagen.
Breker: Was müsste denn geschehen, um das Risiko, das bestehende Risiko zu schmälern?
Giegold: Wie gesagt, kurzfristig ist das Entscheidende, dafür zu sorgen, dass alle Staaten innerhalb der Europäischen Union wieder erfolgreich wirtschaften können, und nur dann werden auch die dortigen Banken gesund sein. Und die zentrale Frage ist der Schuldentilgungsfonds: Was passiert mit den hohen Altschulden der Staaten. Und solange das nicht glaubwürdig gelöst ist, wird das alles sehr schweres Wasser.
Breker: Wie sollte es gelöst werden, Herr Giegold?
Giegold: Der Sachverständigenrat hat ja in Deutschland einen sehr guten Vorschlag vorgelegt, der im Europäischen Parlament auch eine Mehrheit gefunden hat, aber den Deutschland, die deutsche jetzige Bundesregierung scheut wie der Teufel das Weihwasser, nämlich die Altschulden über einen Schuldentilgungsfonds zu erfassen und dann abzubezahlen und dabei aber, sage ich mal, materielle Sicherheiten von allen Mitgliedsländern zu fordern, die diese auch nach wie vor haben übrigens, um eben dann über eine Gemeinschaftshaftung niedrige Zinsen für alle Staaten zu garantieren. Und wenn wir die Krisenländer nicht von den hohen Zinsen entlasten, werden sie sich wirtschaftlich kaum erholen!
Breker: Im Deutschlandfunk war das der finanz- und wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, Sven Giegold. Danke für dieses Gespräch!
Giegold: Gern.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.