Christoph Heinemann: Zapfenstreich also für die Banken, Griechenland hat den Schuldenschnitt offenbar geschafft. Nach Angaben des Finanzministeriums in Athen beteiligten sich 85,8 Prozent der privaten Gläubiger, also etwa Banken eben, am Umtausch der Staatsanleihen. Der verbleibende Rest soll zum Forderungsverzicht gezwungen werden. Diese Zahl, 85,8, bezieht sich auf die privaten Gläubiger mit Anleihen unter griechischem Recht. Bei den Anleihen unter ausländischem Recht wurde eine Beteiligung von 69 Prozent erreicht. Die Annahmefrist für diese Gläubiger wurde allerdings jetzt noch verlängert um einige Wochen. Ziel war es, Griechenland 107 Milliarden Euro Schulden zu erlassen. Wäre der Anleihetausch fehlgeschlagen, dann wäre Griechenland innerhalb von zwei Wochen pleite gewesen. Die Umschuldung war Voraussetzung für ein zweites Rettungspaket für Griechenland, im Tagesverlauf wollen darüber die Euro-Finanzminister und über das Ergebnis eben dieses Schuldenschnitts beraten.
Am Telefon ist der Europapolitiker Sven Giegold von den Grünen. Guten Tag.
Sven Giegold: Ja guten Tag, Herr Heinemann.
Heinemann: Herr Giegold, ist Griechenland über den Berg?
Giegold: Nein, Griechenland ist nicht über den Berg. Die bisher immer noch nicht richtig öffentliche Schuldentragfähigkeitsanalyse der EU zeigt, dass auch mit diesem Schuldenschnitt es wahrscheinlich ist, dass die Schuldenlast Griechenlands nicht nachhaltig ist und dass auch selbst dann, wenn das Wachstum schneller, als es im Moment aussieht, wieder Fahrt aufnimmt.
Heinemann: Wie kann denn Griechenland zusätzliche Einnahmen generieren?
Giegold: Ich glaube, für Griechenland ist ganz entscheidend, endlich im Bereich der Steuerfluchtbekämpfung und der Steuerhinterziehung Ernst zu machen. Dort ist bisher nicht viel passiert. Viele reiche Griechen haben ihr Geld ins Ausland gebracht. Wir brauchen endlich einen entschiedenen europäischen Fahrplan gegen Steuerflucht.
Heinemann: Rechnen Sie damit, dass die europäischen Finanzminister heute grünes Licht signalisieren werden – Thomas Bormann hat es berichtet – für das zweite Hilfspaket in Höhe von 130 Milliarden Euro?
Giegold: Davon gehe ich aus. Die interessante Frage ist eher, ob diejenigen, die unter griechischem Recht jetzt nicht mitgemacht haben, ob die gezwungen werden, sich an dem Schuldenschnitt zu beteiligen. Das wäre eigentlich nur gerecht, aber das hängt eben auch von dieser Telefonkonferenz ab, die heute stattfindet zwischen den EU-Finanzministern.
Heinemann: Welche Botschaft an die Märkte geht von diesem Zwang aus?
Giegold: Die Botschaft ist klar. Erst mal: Es ist nicht mehr klar, dass OECD-Länder ihre Schulden zurückzahlen, und das wird die Märkte vorsichtiger machen. Auf der anderen Seite: im Rahmen der aktuellen Diskussion ist ja ganz klar gesagt worden, Griechenland wird ein Einzelfall bleiben. Allerdings ist diese Zusage nur glaubwürdig, wenn endlich auch Programme beschlossen werden, die auch die Wirtschaft real ankurbeln, denn sie können so viel erzählen wie sie möchten, solange Spanien, Portugal, selbst Irland und Griechenland wirtschaftlich nicht auf einen grünen Zweig kommen, ist nichts gewonnen. Und das ist genau die Einseitigkeit der Krisenpolitik derzeit. Wir haben hartes Sparen, wir haben jetzt in Griechenland eine Erleichterung bei den Schulden, wir haben aber keine Investitionsprogramme, mit denen die Länder wieder auf einen grünen Zweig kommen können.
Heinemann: Wer sollte die denn bezahlen?
Giegold: Ja, also zunächst mal müssen natürlich Investitionen vor allem von der Privatwirtschaft vorgenommen werden, und dafür brauchen sie aber derzeit Unterstützung. Ich finde, dass wir in Deutschland ja mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau sehen, was man mit guten Darlehensprogrammen erreichen kann. Das könnten wir machen mit der Europäischen Investitionsbank, die könnte in großem Maße Investitionen in Griechenland unterstützen. Dazu braucht sie aber mehr Eigenkapital und da müssten alle europäischen Länder jetzt das Eigenkapital der EIB stärken, denn die Europäische Investitionsbank hat derzeit Probleme mit der Bankenregulierung und muss aufpassen, dass sie nicht ihre Kreditvergabe sogar einschränken muss, und das wäre genau das Gegenteil von dem, was Griechenland braucht.
Heinemann: Europäische Investitionsbank, der IWF braucht auch mehr Geld – wo soll denn das enden, bitte schön?
Giegold: Ich glaube, die große Frage ist, wer trägt die Kosten dieser Krise. Bisher haben wir in der ganzen Krisenpolitik das Sparen verschärft und wir haben auch mehrere Länder, die jetzt Reformanstrengungen ernsthaft unternehmen. Aber die Verteilungsfrage dieser Krise ist bisher nicht gestellt. In großem Maße haben wir nach wie vor große Vermögen, die sind in den letzten 20, 30 Jahren aufgebaut worden, deren Erträge werden nicht besteuert. Es gibt kein Programm, weder der Bundesregierung, noch der EU, diese Gelder aus Steuerflucht und großen Vermögen steuerlich heranzuziehen. Stattdessen macht Deutschland jetzt ein Sonderabkommen, nächste Woche werden die Treffen der Finanzminister der Bundesländer stattfinden, um mit der Schweiz ein Sonderabkommen zu beschließen, statt dass wir europaweit der EU-Kommission das Mandat geben, entschieden gegen Steuerflucht vorzugehen. Ich finde das ehrlich gesagt einseitig und dem Ernst der Krise nicht angemessen.
Heinemann: Stichwort Profiteure, Herr Giegold. Eine goldene Nase kann man sich ja an der Börse mit Spekulationen auf sogenannte Kreditausfallversicherungen verdienen. Wenn jetzt ein Teil der Gläubiger, der privaten, zum Verzicht gezwungen werden müssen, dann werden diese Versicherungen fällig und dann kämen die Hedgefonds, die eben auf Griechenlands Zahlungsunfähigkeit spekuliert haben, ungeschoren davon.
Giegold: Ja. Heute Abend findet auch eine Telefonkonferenz des entscheidenden Gremiums statt, der ISDA, und bisher haben die gesagt, dass die Kreditausfallversicherungen nicht ausgelöst würden. Damit wäre das eine zumindest sehr gefährliche Spekulation. Ich hoffe, dass das vermieden werden kann, ansonsten zeigt all das, dass die Kreditausfallversicherungen ein Instrument sind, wo zwar Akteure für eine Versicherung bezahlt haben, die aber letztlich nicht viel wert ist. Man muss sich fragen, ob dieses Instrument eigentlich Platz hat.
Heinemann: Aber ein Zwang, wenn man jetzt die Gläubiger zwingt, sich zu beteiligen, zu verzichten, hieße das doch, dass der griechische Staat insolvent ist, Pleite, nicht zahlungsfähig, und dann würden doch diese Versicherungen vermutlich fällig, spätestens vor Gericht.
Giegold: Ehrlich gesagt, das ist das, worauf spekuliert wird. Ich kann nur sagen, dass in der letzten Woche die Diskussionen der ISDA diesbezüglich davon ausgingen, dass das vermieden werden kann. Ich hoffe, dass das so ist. Letztlich werden das vermutlich dann, sollte es dazu kommen, Gerichte entscheiden.
Heinemann: Herr Giegold, wir wollen uns anhören, was der FDP-Europapolitiker Wolf Klinz heute früh bei uns im Deutschlandfunk gesagt hat.
O-Ton Wolf Klinz: "Es pfeifen ja schon die Spatzen von den Dächern inzwischen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir auch mit den 130 Milliarden nicht die letzte Tranche gesehen haben. Wir haben eventuell eine kleine Zeitetappe gewonnen, aber mehr auch nicht."
Heinemann: Rechnen Sie mit einem dritten Hilfspaket für Athen?
Giegold: Die Schuldentragfähigkeitsanalyse der EU-Kommission, die ich schon erwähnt hatte, die zeigt, dass dort wahrscheinlich 50 weitere Milliarden notwendig sind. Der explizite Satz, der im Entwurf war, wurde auf Intervention aus dem Finanzministerium aus der Schuldentragfähigkeitsanalyse gestrichen. Ich finde ehrlich gesagt, dass diese Art der Krisenpolitik genau das Misstrauen der Bevölkerung schürt. Wir haben die Wahl nicht, der Euro ist unsere gemeinsame Währung. Die Griechen strengen sich an, da müssen Dinge noch passieren. Aber wir sollten die Karten ehrlich auf den Tisch legen, und dazugehört auch, dass man nicht in Brüssel interveniert, um Dokumente zu schönen.
Heinemann: Dann legen wir die Karten ehrlich auf den Tisch. Ich habe noch mal mitgeschrieben: Sie fordern mehr Geld für die Europäische Investitionsbank, der IWF braucht mehr Geld und Griechenland braucht auch mehr Geld. Was kommt also auf den deutschen Steuerzahler zu?
Giegold: Ich sage Ihnen ganz ehrlich, eine vollständige Rechnung kennt keiner. Das hängt von der Krisenpolitik selbst ab. Wenn es jetzt mehr Wachstumsimpulse gibt, dann können die Länder aus eigener Kraft den Umschwung schaffen. Wenn wir die entsprechenden Impulse nicht setzen und der Ölpreis steigt und wir weltwirtschaftlich eher restriktive Signale bekommen, dann wird es sehr, sehr schwierig, und diese Summe kann niemand quantifizieren. Aber das an Daten, was man kennt, sollte man offen und ehrlich auf den Tisch legen.
Die entscheidende Frage ist tatsächlich: Wir haben ja parallel zu dem Aufbau der Schulden einen Aufbau von großen Vermögen erlebt, und das ist der Grund, warum wir - ich habe auch mit einem Kollegen aus Griechenland das zusammen initiiert -, wir fordern in Deutschland als Grüne eine Vermögensabgabe auf große Vermögen und wir fordern das auch in Griechenland. Ich glaube, dass wir uns dem stellen müssen. Die andere Seite der Schulden sind die aufgewachsenen großen Vermögen, und diese Diskussion, wer zahlt für die Krise, das muss nicht der Steuerzahler sein, sondern es geht um die Verteilungsfrage dieser Kosten, und dem drückt sich bisher sowohl die EU als auch die Bundesregierung.
Heinemann: Vielleicht kommt es noch ganz anders. Das prognostiziert zumindest Robert Halver, der Chefvolkswirt der Baader Bank – gestern Mittag bei uns im Deutschlandfunk.
O-Ton Robert Halver: "Ich bin der Meinung, dass die Griechen im Sommer austreten werden, und dann ist der Schuldenschnitt der erste Schritt, der gemacht werden muss, damit die Probleme langsam aber sicher abgearbeitet werden."
Heinemann: Also Zapfenstreich für das Euro-Land Griechenland?
Giegold: Also zunächst mal: Ob die Griechen den Euro verlassen oder nicht, ist alleine die Entscheidung Griechenlands. Niemand kann sie zwingen. Und trotz all dieser Krisenpolitik hat gerade in der vorletzten Woche eine Umfrage gezeigt, nach wie vor drei Viertel der Griechen wollen im Euro verbleiben und sagen damit Ja, sie sind bereit, durch diesen Reformprozess zu gehen, was ja bedeutet, dass sie ihr Konsumniveau drastisch senken müssen, um in der Euro-Zone bleiben zu können. Und das Gerede hier in Deutschland, dass die austreten sollten, ist einfach nur unverantwortlich und nicht hilfreich, weil es nämlich letztlich nur dafür sorgt, dass Griechenland keine Investitionen erhält, die Unsicherheit steigt, und es nützt nicht mal etwas, weil Griechenland selbst entscheiden kann, ob es in der Währungsunion verbleibt. Und was ganz klar ist, ist die Frage, die haben wir ja auch in Portugal, kommen die auf einen grünen Zweig, und je länger und deutlicher man über diesen Euro-Austritt spekuliert, desto schwerer wird es, dass private Investoren in diesen Ländern die dringend notwendigen Investitionen stemmen, damit die Länder wirtschaftlich wieder Fahrt gewinnen.
Heinemann: Der Europapolitiker Sven Giegold von den Grünen. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Giegold: Ich danke Ihnen, Herr Heinemann.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Am Telefon ist der Europapolitiker Sven Giegold von den Grünen. Guten Tag.
Sven Giegold: Ja guten Tag, Herr Heinemann.
Heinemann: Herr Giegold, ist Griechenland über den Berg?
Giegold: Nein, Griechenland ist nicht über den Berg. Die bisher immer noch nicht richtig öffentliche Schuldentragfähigkeitsanalyse der EU zeigt, dass auch mit diesem Schuldenschnitt es wahrscheinlich ist, dass die Schuldenlast Griechenlands nicht nachhaltig ist und dass auch selbst dann, wenn das Wachstum schneller, als es im Moment aussieht, wieder Fahrt aufnimmt.
Heinemann: Wie kann denn Griechenland zusätzliche Einnahmen generieren?
Giegold: Ich glaube, für Griechenland ist ganz entscheidend, endlich im Bereich der Steuerfluchtbekämpfung und der Steuerhinterziehung Ernst zu machen. Dort ist bisher nicht viel passiert. Viele reiche Griechen haben ihr Geld ins Ausland gebracht. Wir brauchen endlich einen entschiedenen europäischen Fahrplan gegen Steuerflucht.
Heinemann: Rechnen Sie damit, dass die europäischen Finanzminister heute grünes Licht signalisieren werden – Thomas Bormann hat es berichtet – für das zweite Hilfspaket in Höhe von 130 Milliarden Euro?
Giegold: Davon gehe ich aus. Die interessante Frage ist eher, ob diejenigen, die unter griechischem Recht jetzt nicht mitgemacht haben, ob die gezwungen werden, sich an dem Schuldenschnitt zu beteiligen. Das wäre eigentlich nur gerecht, aber das hängt eben auch von dieser Telefonkonferenz ab, die heute stattfindet zwischen den EU-Finanzministern.
Heinemann: Welche Botschaft an die Märkte geht von diesem Zwang aus?
Giegold: Die Botschaft ist klar. Erst mal: Es ist nicht mehr klar, dass OECD-Länder ihre Schulden zurückzahlen, und das wird die Märkte vorsichtiger machen. Auf der anderen Seite: im Rahmen der aktuellen Diskussion ist ja ganz klar gesagt worden, Griechenland wird ein Einzelfall bleiben. Allerdings ist diese Zusage nur glaubwürdig, wenn endlich auch Programme beschlossen werden, die auch die Wirtschaft real ankurbeln, denn sie können so viel erzählen wie sie möchten, solange Spanien, Portugal, selbst Irland und Griechenland wirtschaftlich nicht auf einen grünen Zweig kommen, ist nichts gewonnen. Und das ist genau die Einseitigkeit der Krisenpolitik derzeit. Wir haben hartes Sparen, wir haben jetzt in Griechenland eine Erleichterung bei den Schulden, wir haben aber keine Investitionsprogramme, mit denen die Länder wieder auf einen grünen Zweig kommen können.
Heinemann: Wer sollte die denn bezahlen?
Giegold: Ja, also zunächst mal müssen natürlich Investitionen vor allem von der Privatwirtschaft vorgenommen werden, und dafür brauchen sie aber derzeit Unterstützung. Ich finde, dass wir in Deutschland ja mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau sehen, was man mit guten Darlehensprogrammen erreichen kann. Das könnten wir machen mit der Europäischen Investitionsbank, die könnte in großem Maße Investitionen in Griechenland unterstützen. Dazu braucht sie aber mehr Eigenkapital und da müssten alle europäischen Länder jetzt das Eigenkapital der EIB stärken, denn die Europäische Investitionsbank hat derzeit Probleme mit der Bankenregulierung und muss aufpassen, dass sie nicht ihre Kreditvergabe sogar einschränken muss, und das wäre genau das Gegenteil von dem, was Griechenland braucht.
Heinemann: Europäische Investitionsbank, der IWF braucht auch mehr Geld – wo soll denn das enden, bitte schön?
Giegold: Ich glaube, die große Frage ist, wer trägt die Kosten dieser Krise. Bisher haben wir in der ganzen Krisenpolitik das Sparen verschärft und wir haben auch mehrere Länder, die jetzt Reformanstrengungen ernsthaft unternehmen. Aber die Verteilungsfrage dieser Krise ist bisher nicht gestellt. In großem Maße haben wir nach wie vor große Vermögen, die sind in den letzten 20, 30 Jahren aufgebaut worden, deren Erträge werden nicht besteuert. Es gibt kein Programm, weder der Bundesregierung, noch der EU, diese Gelder aus Steuerflucht und großen Vermögen steuerlich heranzuziehen. Stattdessen macht Deutschland jetzt ein Sonderabkommen, nächste Woche werden die Treffen der Finanzminister der Bundesländer stattfinden, um mit der Schweiz ein Sonderabkommen zu beschließen, statt dass wir europaweit der EU-Kommission das Mandat geben, entschieden gegen Steuerflucht vorzugehen. Ich finde das ehrlich gesagt einseitig und dem Ernst der Krise nicht angemessen.
Heinemann: Stichwort Profiteure, Herr Giegold. Eine goldene Nase kann man sich ja an der Börse mit Spekulationen auf sogenannte Kreditausfallversicherungen verdienen. Wenn jetzt ein Teil der Gläubiger, der privaten, zum Verzicht gezwungen werden müssen, dann werden diese Versicherungen fällig und dann kämen die Hedgefonds, die eben auf Griechenlands Zahlungsunfähigkeit spekuliert haben, ungeschoren davon.
Giegold: Ja. Heute Abend findet auch eine Telefonkonferenz des entscheidenden Gremiums statt, der ISDA, und bisher haben die gesagt, dass die Kreditausfallversicherungen nicht ausgelöst würden. Damit wäre das eine zumindest sehr gefährliche Spekulation. Ich hoffe, dass das vermieden werden kann, ansonsten zeigt all das, dass die Kreditausfallversicherungen ein Instrument sind, wo zwar Akteure für eine Versicherung bezahlt haben, die aber letztlich nicht viel wert ist. Man muss sich fragen, ob dieses Instrument eigentlich Platz hat.
Heinemann: Aber ein Zwang, wenn man jetzt die Gläubiger zwingt, sich zu beteiligen, zu verzichten, hieße das doch, dass der griechische Staat insolvent ist, Pleite, nicht zahlungsfähig, und dann würden doch diese Versicherungen vermutlich fällig, spätestens vor Gericht.
Giegold: Ehrlich gesagt, das ist das, worauf spekuliert wird. Ich kann nur sagen, dass in der letzten Woche die Diskussionen der ISDA diesbezüglich davon ausgingen, dass das vermieden werden kann. Ich hoffe, dass das so ist. Letztlich werden das vermutlich dann, sollte es dazu kommen, Gerichte entscheiden.
Heinemann: Herr Giegold, wir wollen uns anhören, was der FDP-Europapolitiker Wolf Klinz heute früh bei uns im Deutschlandfunk gesagt hat.
O-Ton Wolf Klinz: "Es pfeifen ja schon die Spatzen von den Dächern inzwischen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir auch mit den 130 Milliarden nicht die letzte Tranche gesehen haben. Wir haben eventuell eine kleine Zeitetappe gewonnen, aber mehr auch nicht."
Heinemann: Rechnen Sie mit einem dritten Hilfspaket für Athen?
Giegold: Die Schuldentragfähigkeitsanalyse der EU-Kommission, die ich schon erwähnt hatte, die zeigt, dass dort wahrscheinlich 50 weitere Milliarden notwendig sind. Der explizite Satz, der im Entwurf war, wurde auf Intervention aus dem Finanzministerium aus der Schuldentragfähigkeitsanalyse gestrichen. Ich finde ehrlich gesagt, dass diese Art der Krisenpolitik genau das Misstrauen der Bevölkerung schürt. Wir haben die Wahl nicht, der Euro ist unsere gemeinsame Währung. Die Griechen strengen sich an, da müssen Dinge noch passieren. Aber wir sollten die Karten ehrlich auf den Tisch legen, und dazugehört auch, dass man nicht in Brüssel interveniert, um Dokumente zu schönen.
Heinemann: Dann legen wir die Karten ehrlich auf den Tisch. Ich habe noch mal mitgeschrieben: Sie fordern mehr Geld für die Europäische Investitionsbank, der IWF braucht mehr Geld und Griechenland braucht auch mehr Geld. Was kommt also auf den deutschen Steuerzahler zu?
Giegold: Ich sage Ihnen ganz ehrlich, eine vollständige Rechnung kennt keiner. Das hängt von der Krisenpolitik selbst ab. Wenn es jetzt mehr Wachstumsimpulse gibt, dann können die Länder aus eigener Kraft den Umschwung schaffen. Wenn wir die entsprechenden Impulse nicht setzen und der Ölpreis steigt und wir weltwirtschaftlich eher restriktive Signale bekommen, dann wird es sehr, sehr schwierig, und diese Summe kann niemand quantifizieren. Aber das an Daten, was man kennt, sollte man offen und ehrlich auf den Tisch legen.
Die entscheidende Frage ist tatsächlich: Wir haben ja parallel zu dem Aufbau der Schulden einen Aufbau von großen Vermögen erlebt, und das ist der Grund, warum wir - ich habe auch mit einem Kollegen aus Griechenland das zusammen initiiert -, wir fordern in Deutschland als Grüne eine Vermögensabgabe auf große Vermögen und wir fordern das auch in Griechenland. Ich glaube, dass wir uns dem stellen müssen. Die andere Seite der Schulden sind die aufgewachsenen großen Vermögen, und diese Diskussion, wer zahlt für die Krise, das muss nicht der Steuerzahler sein, sondern es geht um die Verteilungsfrage dieser Kosten, und dem drückt sich bisher sowohl die EU als auch die Bundesregierung.
Heinemann: Vielleicht kommt es noch ganz anders. Das prognostiziert zumindest Robert Halver, der Chefvolkswirt der Baader Bank – gestern Mittag bei uns im Deutschlandfunk.
O-Ton Robert Halver: "Ich bin der Meinung, dass die Griechen im Sommer austreten werden, und dann ist der Schuldenschnitt der erste Schritt, der gemacht werden muss, damit die Probleme langsam aber sicher abgearbeitet werden."
Heinemann: Also Zapfenstreich für das Euro-Land Griechenland?
Giegold: Also zunächst mal: Ob die Griechen den Euro verlassen oder nicht, ist alleine die Entscheidung Griechenlands. Niemand kann sie zwingen. Und trotz all dieser Krisenpolitik hat gerade in der vorletzten Woche eine Umfrage gezeigt, nach wie vor drei Viertel der Griechen wollen im Euro verbleiben und sagen damit Ja, sie sind bereit, durch diesen Reformprozess zu gehen, was ja bedeutet, dass sie ihr Konsumniveau drastisch senken müssen, um in der Euro-Zone bleiben zu können. Und das Gerede hier in Deutschland, dass die austreten sollten, ist einfach nur unverantwortlich und nicht hilfreich, weil es nämlich letztlich nur dafür sorgt, dass Griechenland keine Investitionen erhält, die Unsicherheit steigt, und es nützt nicht mal etwas, weil Griechenland selbst entscheiden kann, ob es in der Währungsunion verbleibt. Und was ganz klar ist, ist die Frage, die haben wir ja auch in Portugal, kommen die auf einen grünen Zweig, und je länger und deutlicher man über diesen Euro-Austritt spekuliert, desto schwerer wird es, dass private Investoren in diesen Ländern die dringend notwendigen Investitionen stemmen, damit die Länder wirtschaftlich wieder Fahrt gewinnen.
Heinemann: Der Europapolitiker Sven Giegold von den Grünen. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Giegold: Ich danke Ihnen, Herr Heinemann.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.