Wie anders die Medienwelt 2002 war, zeigt ein Blick ins (noch) aktuelle Jugendschutzgesetz: Filme wurden noch auf Videokassetten geschaut und Spiele auf "programmierten Datenträgern" verbreitet. Wörter wie "Smartphone" oder "Social Media" – Fehlanzeige, gab es damals nicht. Entsprechend groß war und ist der Druck auf die Politik, daran etwas zu ändern.
"Im Jahr 2020 ist es selbstverständlich, dass Kinder und Jugendliche sich täglich im Netz aufhalten. Sie kommunizieren mit ihren Freunden, sie sind in sozialen Netzwerken aktiv, sie spielen Spiele, schauen Videos, informieren sich", erklärte Franziska Giffey Mitte Oktober bei der Vorstellung des von Experten lange erwarteten Gesetzentwurfs ihres Bundesfamilienministeriums.
Das Papier sieht vor, Kinder vor sogenannten Interaktionsrisiken im Internet zu schützen; dazu zählen Cybermobbing, Anbahnung sexualisierter Übergriffe (Cybergrooming) sowie finanzielle Abzocke in Online-Spielen. Geplant sind außerdem Auflagen für große Pattformen wie Facebook, Instagram, Youtube und Spiele-Plattformen sowie für Messenger wie WhatsApp.
Kritik von mehreren Seiten
Doch einigen geht das nun auf den Weg Gebrachte nicht weit genug. So kritisiert etwa Hans-Iko Huppertz, Generalsekretär der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin
(in einer Reportage für den Deutschlandfunk)
, "dass Programme, die von weniger als einer Million Nutzern verwandt werden, gar nicht kontrolliert werden". Der Mediziner findet das "unverständlich".
Zwar sei die Relevanz dieser Plattformen im Vergleich zu Facebook, Youtube oder Instagram "überschaubar", ergänzte Medienjournalist Tilmann Gangloff im Deutschlandfunk. "Aber das darf ja kein Kriterium sein", so Gangloff, der schon lange über das Thema Jugendschutz schreibt. Auch er findet, die Regelung müsse "für alle Plattformen" gelten. Als positives Beispiel nennt Gangloff Großbritannien, wo jeder Anbieter den Anforderungen des Jugendschutzes Genüge tun müsse.
"Man kann nicht alles auf Eltern abschieben im digitalen Zeitalter", warnt der Journalist. So riskiere man, dass "Kinder bestimmen, womit sie ihre Freizeit verbringen". Denn einige Eltern seien "überfordert und wissen gar nicht, welche Risiken im Internet lauern".
Grundsätzlich bewertet Gangloff aber den Vorstoß Giffeys positiv. Dass die Plattformen mehr Verantwortung zeigen müssen für ihre Inhalte, sei mehr als überfällig gewesen.
Doppelregulierungen und Kompetenz-Wirrwarr?
Neben dem Streit um Inhalte gibt es auch einen um die Frage, wer die neuen Regeln umsetzt. Giffey will die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien zu einer Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz ausbauen. Doch das wollen die Landesmedienanstalten nicht. Sie warnen, die Gesetzesreform drohe das verfassungsrechtliche Gebot der Staatsferne für die Medienaufsicht auszuhöhlen.
Auch Claudia Mikat vom Verein Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen warnte nach Bekanntwerden des Vorhabens im Februar im Deutschlandfunk vor Doppelstrukturen. Der Entwurf berücksichtige nicht, dass Filme etwa längst auch online überwacht würden.
Zur Sorge vor Doppelregulierungen und Kompetenz-Wirrwarr erklärte Giffey, die Länder blieben für die Inhalte der Angebote und für Einzelfälle zuständig. Der Bund solle allein die Aufsicht über den gesetzlichen Rahmen führen.
Das Gesetz muss nun vom Bundestag und Bundesrat beraten werden. Giffey hofft, dass es im Frühjahr 2021 in Kraft treten kann. Union und SPD hatten die Reform im Koalitionsvertrag verabredet.