Es riecht noch nach frischer Farbe, fein säuberlich sind auf kleinen Tischen Buntstifte und Spielzeuge drapiert, draußen im Garten wird schon gefeiert. Am Montag sollen hier 15 Kinder im Alter zwischen 1 und 6 Jahren in einer äußerlich kaum von irgendeiner andern Kita zu unterscheidenden Einrichtung ihren Kindergarten-Alltag beginnen. Muslime, Christen und Kinder ohne Konfession sind etwa gleich stark vertreten.
Arche Noah und Moscheen als Spielzeug
Vier Erzieherinnen – jeweils eine katholische, eine evangelische und zwei muslimische – sind für die Betreuung der Kinder zuständig. Und paritätisch gehe es auch beim Spielzeug zu, berichtet Kita-Leiterin Linda Minkus. So werde spielerischer Zugang zu verschiedenen Religionen über einen Arche-Noah-Bausatz geboten, und:
"Zum Beispiel gibt es tatsächlich auch einen Moschee-Baukasten, wo natürlich andere Bausteine noch dabei sind, dass Kinder damit auch kleine Moscheen bauen können."
Ein unverkrampft-spielerischer, völlig selbstverständlicher Umgang mit anderen Religionen – das soll der Alltag in der Kita sein. Vertrauen, Toleranz - das sind für Pastoralreferent Martin Wrasmann von der katholischen St. Alfried-Gemeinde die entscheidenden Stichworte:
"Und das sind nicht einfach nur Begriffe, die wir an die Wand nageln, sondern auf Grund unserer Erfahrungen in unseren Einrichtungen können wir sagen, dass sowohl der Islam als auch das Christentum zunächst einmal eine Kultur der Achtsamkeit, der Toleranz und des Respekts ist – und wir nennen diese Kindertagesstätte ‘Abrahams Kinder’. Das heißt, wenn wir gemeinsame Ursprünge haben, dann sollten wir ja wohl auch eine gemeinsame Zukunft haben."
Dialog zwischen den Religionen möglichst früh beginnen
Ausgangspunkt für das Projekt war der Wunsch der türkisch-islamischen Gemeinde in Gifhorn nach einem eigenen Kindergarten – der aber schnell in Gespräche mit der katholischen Gemeinde und der evangelischen Dachstiftung Diakonie mündete. Jetzt sind die drei Organisationen gemeinsam Träger der neuen Kita. In einer Kooperationsvereinbarung haben sie sich auf einen pädagogischen Rahmen für ihre Arbeit geeinigt – so wird u.a. in der eigenen Küche nach den gängigen Halal-Regeln gekocht, auf Schweinefleisch also zum Beispiel verzichtet. Zum Umgang mit religiösen Festen der verschiedenen Konfessionen gibt es ebenfalls Vereinbarungen – aber keine ganz festen Regeln, die jedes Detail festlegen, erläutert Linda Minkus.
"Wir versuchen, regelmäßige Feste in unseren Jahreskreis mit einzubringen – das werden vermutlich im christlichen die großen feste Weihnachten und Ostern sein, und bei den muslimischen Festen werden es Ramadan und Opferfest sein."
Vieles, was in Großstädten mit hohem Anteil muslimischer Mitbewohner schon Alltag ist, findet sich also künftig auch in einer eher kleinen Kita im beschaulichen Gifhorn wieder – und es werde auch Zeit, den Dialog zwischen den Religionen schon möglichst früh, im Kindesalter schon, zu beginnen, betont Landessuperintendent Dieter Rating.
"Wir sind spät dran – ob wir zu spät sind, das weiß ich jetzt nicht. Aber wenn wir sehen, wie lange schon Christen und Muslime – auch mit Juden – wie lange wir schon zusammen leben, und wie wenig Kenntnis wir voneinander haben, dann ist das schon ein wichtiger Schritt jetzt hier."
Beispiel für funktionierende Kooperation vor Ort
Diese Meinung teilen nicht alle in Gifhorn – es gab und gibt auch Kritik an der Zusammenarbeit mit der islamischen Gemeinde. Die AfD vor Ort zum Beispiel fürchtet, dass der "politische Islam" zu viel Einfluss gewinnt. Gemeint ist damit der größte deutsche Moscheeverband DITIB, dem auch die türkisch-islamische Gemeinde in Gifhorn angehört. DITIB werde von der politischen Führung in Ankara kontrolliert und für zum Teil für politische Zwecke missbraucht, kritisieren deutsche Islamexperten immer wieder. In Niedersachsen ist deshalb im vergangenen Jahr auch die Unterzeichnung eines Staatsvertrags mit islamischen Religionsverbänden gescheitert. Für Martin Wrasmann aber kein Grund für Misstrauen oder Vorbehalte vor Ort.
"Also – Staatsverträge sind das eine, Vertrauen ist das andere. Wir arbeiten hier seit zehn Jahren mit der Moschee-Gemeinde zusammen in der Friedensarbeit, in der Flüchtlingsarbeit. Wir gestalten gemeinsame Gottesdienste – das heißt wir haben viele Felder des Vertrauens entwickelt und darauf schließt man andere Verträge."
Und auch für Emine Oguz vom DITIB-Landesverband Niedersachsen-Bremen ist die neue Kita in Gifhorn ein Beispiel für funktionierende Kooperation vor Ort – eine Kooperation, die eben nicht von politischen Interessen geprägt sei.
"Manchmal sind die Muslime es leid, ständig mit politischen Statements in Verbindung gebracht zu werden. Wir müssen uns hier an die Gesetze in Deutschland halten für ein gedeihliches Miteinander – und alles andere muss aus der Kommune raus. Also, Politik dürfen wir in die Gemeinden nicht mit rein tragen – insbesondere dürfen wir Kinder nicht mit politischen Statements vergiften."
Genau darauf setzt auch Derya Haffke, Mutter des zweijährigen Damon. Gemeinsam mit ihrem aus Russland stammenden Mann Arthur habe sie sich ganz bewusst für die Kita "Abrahams Kinder" entschieden.
"Wir haben selber eine Multi-Kulti-Familie – Türkische, Russische, Deutsche… Und ich finde das einfach Klasse, dass wir hier so einen Kindergarten haben jetzt. So etwas hat hier wirklich gefehlt – also ich bin froh, dass mein Sohn Teil davon sein kann."