Paris im späten 19. Jahrhundert. Ein blass-grüner Bitterschnaps erobert die Kaffeehäuser. Dem Gesöff werden bewusstseinserweiternde Eigenschaften nachgesagt. Es heißt Absinth, nach dem lateinischen Namen der Wermut-Pflanze. Künstler berauschen sich an der Spirituose. Bis die "Grüne Fee" zum Dämon wird. Van Gogh schneidet sich sein Ohr angeblich im Absinth-Rausch ab. Der Schnaps wird verboten. Es heißt, er rufe schwere Nervenschäden hervor. Mediziner sprechen von einem neuen Krankheitsbild: dem Absinthismus. Die fatale Wirkung von Absinth wird Thujon zugeschrieben. Der Bitter soll große Mengen des Wermutgiftes enthalten haben. Doch ist das bloß eine Legende? Oder stimmt es wirklich? Das läßt sich nachträglich klären. Indem wir die moderne Naturstoffchemie zu Rate ziehen
"Also, ich hab hier einen Glaskolben und da tue ich das Wermutkraut rein."
War Thujon tatsächlich der Übeltäter? Analytiker haben das überprüft. Unter anderem im Chemischen Untersuchungsamt Karlsruhe.
"Das Wermut-Alkohol-Gemisch fängt jetzt zu sieden an. Und jetzt fangen dann langsam die Alkoholdämpfe an, aufzusteigen."
Dirk Lachenmeier leitet das Alkohol-Labor der Fachbehörde. Ein Hauch von Absinth hängt in der Luft. Die Arbeitsgruppe des Lebensmittelchemikers hat sich historische Rezepturen besorgt und brennt den legendären Schnaps einfach selbst im Labor. Heraus kommt am Ende eine Ehrenrettung für das lange geächtete Bio-Molekül Thujon:
"Nach unseren Untersuchungen würde ich sagen, daß der Absinthismus nicht von Thujon hat kommen können."
Andere Arbeitsgruppen kamen zu ähnlichen Befunden. Nie ließ sich ein Absinth nachkochen, der Thujon in Konzentrationen enthielt, die als gesundheitsschädlich gelten müssten. Lachenmeier:
"Das Plausibelste ist, daß es alleine der Alkohol war. Absinth enthält ja nun mal sehr hohe Alkoholkonzentrationen, typischerweise so 74 Volumenprozent. Also, die Symptome, die für den Absinthismus beschrieben wurden, decken sich dann auch weitgehend mit den Symptomen des Alkoholismus."
Mit den Methoden der modernen analytischen Chemie ist es folglich gelungen, Thujon nachträglich zu rehabilitieren. Und den Mythos vom angeblichen Naturgift-Gebräu zu entzaubern. Heute wird Absinth wieder kräftig vermarktet. Thujon darf er vorsichtshalber nur in Spuren enthalten. Hochprozentig ist der Bitter aber noch immer. Wir sollten ihn besser nur in Maßen genießen.
Links zum Thema
- Ausführlicher Artikel vom Interviewpartner Dirk W. Lachenmaier:
Thujon - Ursache des Absinthismus? (PDF)
- Ebenfalls von Dr. Dirk Lachenmaier:
Absinth: eine Spirituose mit Vergangenheit und Zukunft aus analytischer und lebensmittelrechtlicher Sicht
- "taz"-Artikel mit kritischen Leserkommentaren
- das "Ärzteblatt" hat auch mehr Bedenken
- Abenteuer-Leben-Doku (Kabeleins) über Absinthherstellung
"Also, ich hab hier einen Glaskolben und da tue ich das Wermutkraut rein."
War Thujon tatsächlich der Übeltäter? Analytiker haben das überprüft. Unter anderem im Chemischen Untersuchungsamt Karlsruhe.
"Das Wermut-Alkohol-Gemisch fängt jetzt zu sieden an. Und jetzt fangen dann langsam die Alkoholdämpfe an, aufzusteigen."
Dirk Lachenmeier leitet das Alkohol-Labor der Fachbehörde. Ein Hauch von Absinth hängt in der Luft. Die Arbeitsgruppe des Lebensmittelchemikers hat sich historische Rezepturen besorgt und brennt den legendären Schnaps einfach selbst im Labor. Heraus kommt am Ende eine Ehrenrettung für das lange geächtete Bio-Molekül Thujon:
"Nach unseren Untersuchungen würde ich sagen, daß der Absinthismus nicht von Thujon hat kommen können."
Andere Arbeitsgruppen kamen zu ähnlichen Befunden. Nie ließ sich ein Absinth nachkochen, der Thujon in Konzentrationen enthielt, die als gesundheitsschädlich gelten müssten. Lachenmeier:
"Das Plausibelste ist, daß es alleine der Alkohol war. Absinth enthält ja nun mal sehr hohe Alkoholkonzentrationen, typischerweise so 74 Volumenprozent. Also, die Symptome, die für den Absinthismus beschrieben wurden, decken sich dann auch weitgehend mit den Symptomen des Alkoholismus."
Mit den Methoden der modernen analytischen Chemie ist es folglich gelungen, Thujon nachträglich zu rehabilitieren. Und den Mythos vom angeblichen Naturgift-Gebräu zu entzaubern. Heute wird Absinth wieder kräftig vermarktet. Thujon darf er vorsichtshalber nur in Spuren enthalten. Hochprozentig ist der Bitter aber noch immer. Wir sollten ihn besser nur in Maßen genießen.
Links zum Thema
- Ausführlicher Artikel vom Interviewpartner Dirk W. Lachenmaier:
Thujon - Ursache des Absinthismus? (PDF)
- Ebenfalls von Dr. Dirk Lachenmaier:
Absinth: eine Spirituose mit Vergangenheit und Zukunft aus analytischer und lebensmittelrechtlicher Sicht
- "taz"-Artikel mit kritischen Leserkommentaren
- das "Ärzteblatt" hat auch mehr Bedenken
- Abenteuer-Leben-Doku (Kabeleins) über Absinthherstellung