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Gift für die Schönheit

Wer schön sein will muss leiden - so das Sprichwort und für viele, die sich ihre Falten durch so genannte Unterspritzung mit Botulinus Toxin entledigen wollen, könnte das Sprichwort durchaus wahr werden. Immer öfter - so beklagt die Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen - werden solche Behandlungen nämlich in Form von Partys angeboten und die Spritzen in die Gesichtsmuskulatur würden von schlecht ausgebildeten Ärzten, manchmal auch von Kosmetikerinnen oder Frisören verabreicht.

Wolfgang Nitschke |
    Wenige Spritzen – kaum Schmerzen – und in einigen Tagen sind die Fältchen an den Augen oder der Stirn – zumindest vorübergehend verschwunden. Möglich wird solch ein faltenloses Gesicht durch Präparate, die Botulinus Toxin enthalten und in Gesichtsmuskeln gespritzt werden. Constance Neuhann-Lorenz, Präsidentin der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen:

    Der Wirkungsmechanismus funktioniert so, dass am Muskel ein Hemmungsmechanismus eintritt und wenn vom Hirn kommt – "Muskel, zieh diech zusammen" er das nicht mehr kann. Schauspieler hassen das Medikament, weil sie plötzlich keine Miemik mehr haben, weil sie ein starres Aussehen bekommen. Auf der anderen Seite ist der positive Effekt, dess die Falte nicht mehr produziert wird, weil die Haut eine Korrekturwirkung in Richtung Dehnung und Schrumpfung hat.

    Botulinus Toxin ist aber – wie der Name Toxin verrät – ein Gift. Hohe Konzentrationen in verdorbenen Lebensmitteln führen zu Erbrechen und Übelkeit und in zahlreichen Ländern wurden Biologische Kampfstoffe aus Botulinus entwickelt. In geringen Mengen jedoch kann der Mensch das Gift ohne bislang bekannte Nebenwirkungen vertragen und Studien belegen, dass es in der Medizin durchaus Erfolge durch eine Behandlung mit Botulinus Toxin gibt: Bei spastischen Lähmungen, Multipler Sklerose, Migräne oder chronischen Krämpfen. In Italien beispielsweise ist Botulinus Toxin nur für die Behandlung solch schwerwiegender medizinischer Indikationen zugelassen – in Deutschland oder Amerika auch für die Schönheitschirurgie:

    Das Problem dabei: Wir kennen es in der Langzeitanwendung nicht gut. Als ich zum ersten Mal mit Botulinus-Toxin therapeutisch in Berührung kam, wurde es nur vom englischen Verteidigungsministerium vertrieben. Heutzutage hat es die Zulassung zur Faltenbehandlung, aber es ist natürlich nicht in diesen Mengen, in den es heutzutage eingesetzt wird bekannt.

    Denn die Spritzen wirken nur über einen begrenzten Zeitraum – anschließend sind die Fältchen wieder da und es muss erneut gespritzt werden.

    Die Hauptgefahr liegt in der Häufigkeit – da könnte eine Antikörperbildung entstehen.

    Trotzdem setzt auch Constance Neuhann-Lorenz in ihrer Praxis Butolinus Toxin ein – sie betont allerdings ausdrücklich, dass sie dies nur nach eingehender Beratung und Aufklärung der Patienten tue und nicht in Form einer Art moderner Tupperparty, wie es andere Kollegen täten. In der Tat finden sich im Internet sogar Hautärzte, Allergologen und andere Mediziner, die Schönheitsbehandlungen mit Botox anbieten und es soll sogar schon Fälle gegeben haben, wo Berufsgruppen ohne medizinische Vorbildung die Behandlung durchführten. Aus welchen Quellen das Gift dann stammt ist unklar, denn Botulinus Toxin ist sowohl Rezept- als auch Apothekenpflichtig:

    Ich halte es für absolut vorsätzliche Körperverletzung, wenn es eine Frisöse tut, eine Kosmetikerin tut oder wenn es ein Arzt tut, der seine Patienten nicht korrekt aufklärt. Im Übrigen halte ich nicht nur das dafür, sondern das ist auch gesetzlich so. Und wenn ein Arzt es nötig hat, sich eine Party zu organisieren, damit Patienten zu ihm kommen, dann ist das unseriöses ärztliches Gewerbe.

    Auch über die Faltenbehandlung im Supermarkt oder während des Aufenthaltes in der Autowerkstatt werde schon nachgedacht – spotten die Fachärzte der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen. Ein Szenario, was in Amerika durchaus möglich erscheint – in Deutschland hingegen noch undenkbar ist. Sollte jedoch der Internethandel mit Medikamenten freigegeben werden, kann man sicher auch Botulinus Toxin problemlos ohne Rezept erwerben. Eine "Fast-Food-Schönheitschirurgie" mit erheblichen Folgen befürchten die Spezialisten dann – denn unabhängig von den nicht erforschten Langzeitwirkungen des Giftes gibt es auch noch die bekannten Nebenwirkungen nicht-fachgerecht gesetzter Spritzen. In den günstigen Fällen sind das Schlicht Blutergüsse – die im Gesicht sicher noch unangenehmer sind, als Falten – und im ungünstigsten Fall eine Hirntrombose – und die ist unabhängig vom Gift – in der Regel tödlich.

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    021022-Botulinus.ram