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Giftiger Länderstreit

Der Streit zwischen drei Bundesländern eskaliert. Gleich 7000 Lastwagen sollen Asbestschlamm von Hannover nach Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern transportieren. Die Menschen im Norden wollen das verhindern.

Von Dietrich Mohaupt | 12.03.2012
    Es geht um die Hinterlassenschaften eines der größten deutschen Hersteller von Asbestprodukten. Die Firma Fulgurit wurde 1990 aufgelöst, doch noch immer lagern rund 175.000 Tonnen Asbestschlamm auf einer provisorischen Halde bei Hannover. Die Halde soll saniert werden, der Asbestschlamm muss weg. Die Abfälle sollten daher schon im November vergangenen Jahres zur Deponie Ihlenberg in Mecklenburg-Vorpommern und nach Rondeshagen in Schleswig-Holstein gebracht werden. Nach massiven Anwohnerprotesten verhinderten damals die Landesregierungen in Kiel und Schwerin die Transporte – seither ruhen die Arbeiten auf der Sanierungsbaustelle in Niedersachsen. Trotzdem gehen die Proteste weiter. An der Zufahrt zur Deponie Ihlenberg in Mecklenburg-Vorpommern etwa. Die Anwohner trauen dem Frieden nicht.
    "Niedersachsen hat die Transportfirma angehalten, anzufangen mit dem Transport und den Kram hierher zu bringen – in dem Wissen, dass es nicht abgeladen werden darf. Aber – wird es vielleicht doch abgeladen? Wir wissen es nicht."

    Thorsten Gehlken aus dem Örtchen Selmsdorf ganz in der Nähe der Deponie ist richtig sauer auf die Verantwortlichen in der Region Hannover. Sie haben dem Unternehmen, das ihre Halde sanieren soll, eine Frist gesetzt. Schon von morgen an sollen die Lkw rollen. Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung hat der Sprecher der Region Hannover, Klaus Abelmann, nicht.

    "Es gibt keinen einzigen öffentlich-rechtlichen Bescheid, der diesen Transporten gegenübersteht. Alles was aus Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern an unsere Ohren gedrungen ist, wissen wir über die Medien, ein Behördenakt liegt nicht vor, also die Genehmigungen sind da, das Land Niedersachsen hat dem Transport zugestimmt - also, es kann losgehen."

    Eben nicht, meint dagegen Christian Seyfert, Sprecher des Umweltministeriums in Kiel. Es gebe einfach keine rechtliche Grundlage für die geplanten Transporte.

    "Wir sind der Meinung, so wie die Landesregierung in Schwerin auch und im übrigen auch das von ihr in Auftrag gegebene Gutachten, dass die Transporte so wie sie durchgeführt werden sollen – nämlich in offenen Kipp-Lastern, abgedeckt durch eine Plane und so weiter – nach bundesweit gültigem Recht nicht zulässig sind."

    Daran ändere auch ein Gegengutachten nichts, das von der niedersächsischen Landesregierung vorgelegt wurde. Darin werden die Transporte als gesundheitlich und rechtlich unbedenklich eingestuft. Außerdem, so Christian Seyfert weiter, gebe es noch gar keine Verträge für die Transporte. Bisher existiere gerade einmal ein Angebot für die Annahme des Asbestschlamms.

    "Das Angebot umreißt nur so grob, worum es geht und wie man es machen könnte. Der Vertrag wäre natürlich notwendig, um dann wirklich alle Einzelheiten festzulegen und um da eben eine hieb- und stichfeste Grundlage zu haben. Einen solchen Vertrag gibt es nicht."

    Und wieder gibt es Einspruch aus Niedersachsen. Diese Aussage sei schlicht falsch, meint Klaus Abelmann von der Region Hannover.

    "Die Firma hat Verträge mit den Deponien abgeschlossen, das hat sie uns auch noch einmal versichert. Also es gibt vertragliche Beziehungen und es steht den Transporten nichts entgegen."

    Gutachten hin, Verträge her – die Demonstranten an der Zufahrt zur Sondermülldeponie Ihlenberg haben von diesen Diskussionen schon längst die Nase voll.

    "Das Vertrauen ist flöten, und wir verstehen auch diesen Rechtsstaat nicht. Wenn es dort Gutachten gibt, die eindeutig sagen, solche Transporte sind verboten, warum das an anderer Stelle wieder gehen soll. Ich verstehe die Welt nicht mehr. Wenn so ein Lkw umkippt und das Zeug auf den Acker fällt, dann sind die Asbestfasern freigesetzt. Und nicht nur wir hier sind gefährdet, die Leute in Rondeshagen werden gefährdet, die gesamte Bevölkerung an der Transportstrecke und die Leute in Wunstorf-Luthe, wo das Zeug auf den Lkw gekippt wird."

    Mehr als 7000 Lkw sollen also, wenn es nach dem Willen der Region Hannover geht, von Morgen an ihre asbesthaltige Fracht durch Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern transportieren. So recht mag aber Christian Seyfert vom Umweltministerium in Kiel nicht daran glauben, dass die LKW wirklich rollen werden.

    "Wir rechnen damit und bauen auch darauf, dass die Region Hannover unsere Einwände schon ernst nimmt und eben jetzt nicht einfach Lastwagen durch die Gegend fahren lässt. Das wäre auch die schlechteste Lösung, denn es würde natürlich auch diesen Konflikt eher noch zusätzlich belasten."

    Und das könne eigentlich nicht im Interesse der Region Hannover liegen, glaubt Seyfert. Falls doch Lastwagen mit dem Asbestschlamm durch Schleswig-Holstein fahren sollten, will die Landesregierung alle rechtlich zulässigen Schritte einleiten, um sie zu verhindern und zu stoppen.