Industrieaschen und -schlämme, Schlacken, Filterstäube, Asbestreste, PCB - also hochgiftige Chlorverbindungen, cyanid-, quecksilber-, phosphor-, und arsenhaltige Abfälle: Das ist nur ein kleiner Ausschnitt des hoch-toxischen Sondermülls, der in Zielitz 500 Meter unter der Erdoberfläche lagert.
Seit 1994 wird die Untertagedeponie betrieben. Inhaber ist die Firma K+S, einer der weltweit größten Kalihersteller. In der Deponie lagern vor allem DDR-Altlasten.
Über die genauen Mengen toxischen Sondermülls, die in der Untertagedeponie Zielitz landen, bekommen wir von den Verantwortlichen bei K+S keine Antwort. Bei Vor-Ort-Recherchen werden wir vom Werkschutz kritisch beäugt.
Harsche Kritik an K+S kommt vom Geologen Ralf Krupp, einem Experten in Sachen Salzbergwerke, der unter anderem für den Naturschutzbund BUND in Niedersachsen tätig ist. Er nennt die Praxis bei K+S: vertusche und verheimliche.
Sicher für die nächsten 10.000 Jahre?
"Es ist für die Öffentlichkeit nicht nachvollziehbar, welche Schadstoffe, in welchen Mengen eingelagert worden sind. Wird auch ein Geheimnis draus gemacht, wie die Ausdehnung der Untertage-Deponie ist. Man will sich nicht in die Karten schauen lassen."
Erst nachdem offensichtlich ist, dass wir umfangreichere Recherchen betreiben, reagiert K+S. Jetzt erfahren wir, dass die jährlichen Einlagerungskapazitäten bei 90.000 Tonnen Giftmüll lägen, bei einer Auslastung von 70 Prozent. Vom sachsen-anhaltischen Wirtschaftsministerium in Magdeburg erfahren wir in einer Mail - sprechen will man auch hier nicht mit uns - dass in Zielitz Giftmüll aus ganz Europa, aber auch aus Israel eingelagert werde.
K+S, so heißt es im Geschäftsbericht, macht mit den Giftstoffen einen Umsatz von 89,1 Millionen Euro jährlich. Die Entsorgung von Sondermüll ist ein einträgliches Geschäft.
Eine Befahrung der Sondermülldeponie wird uns von K+S bis heute verwehrt. Ansonsten heißt es nur: alles sicher. Nicht nur heute, sondern auch die nächsten 10.000 Jahre, wie man im Planfeststellungsbescheid nachlesen kann.
Geologe Krupp erhebt weitere schwere Vorwürfe. Diese Angaben seien völlig unseriös.
"Solche Zeitspannen vorherzusagen, ist etwas gewagt. Sind eben Bergwerke, die aus anderen Gründen angelegt worden sind. Die hatte man gehabt und will jetzt Geld damit verdienen, indem man die entstandenen Hohlräume mit Abfällen versetzt, weil das ein lukratives Geschäft für die Bergbauunternehmen ist."
Gefahr, dass hochtoxischer Giftmüll ins Grundwasser gelangt
Das große Problem von Kalibergwerken sei einerseits die Versalzung des Bodens, andererseits Erdabsenkungen, erklärt Krupp. Es besteht die Gefahr, dass die Erde urplötzlich einbrechen und der hochtoxische Giftmüll so in das Grundwasser gelangen kann.
Krupp zählt Bergwerke auf, die als sicher eingestuft wurden, dann aber plötzlich verloren gingen. Ende der 1980er-Jahre beispielsweise kollabierte die Lake Potash Mine in Kanada, 1994 die Retsolf Salt Mine in den USA.
2007 gab es im russischen Salzbergwerk Beresniki einen Wassereinbruch, von dem es vorher hieß: Alles trocken, alles sicher. Wenn so etwas in der Untertage-Giftmüll-Deponie in Zielitz passiere, bedeute das ein Super-GAU, ein Inferno für ganz Norddeutschland.
Geologe Krupp spricht von einer tickenden Zeitbombe: "Wenn es zu einer bruchhaften Verformung unter Tage kommt, beispielsweise das ein Pfeiler zu Bruch geht und die benachbarten Pfeiler in einem Domino-Effekt auch zu Bruch gehen, dann kann das sehr schnell gehen. Und dann hat man ein Szenario, das ziemlich beängstigend wäre."
Gerne hätten wir über diese Gefahr mit der Genehmigungsbehörde, dem sachsen-anhaltischen Landesamt für Geologie und Bergwesen gesprochen, doch auch da wollte man uns kein Interview geben. In einer Mail heißt es lediglich - Zitat - "Bodenabsenkungen sind bekannt….ohne signifikante Auswirkungen…von dieser Anlage [gehen] keine Gefahren für die Umwelt aus."
Von Umweltrisiken wollen die Menschen vor Ort nur wenig wissen
Anders hört sich das bei einem Arbeiter an, den wir in Zielitz treffen, der allerdings anonym bleiben will. Die Bodenabsenkungen seien gravierend.
"Aber gewaltig. Ich habe da unten gearbeitet, man sieht es."
Zweimal im Jahr werde die Deponie in Zielitz durch das Landesbergamt kontrolliert, ergänzt durch ein internes und externes Qualitätsmanagement, heißt es bei K+S. Doch wie genau das vor sich geht, wann die letzte Prüfung war, wie lange die Grubenwehr bei einem Feuer zur Giftmüllhalde brauche, zu alldem gibt es auf Nachfrage keine konkreten Antworten.
Von den Umweltrisiken wollen die Menschen vor Ort nur wenig wissen. Viele winken ab, wenn wir sie nach der Untertagedeponie und K+S befragen. Für Christdemokrat Thomas Schmette, den Bürgermeister der Verbandsgemeinde Elbe-Heide Schmette nur zu verständlich.
"Also die Giftmülldeponie macht keine Sorgen, sowohl in der Bevölkerung, als auch bei uns selbst. Man hört auch wenig davon. Es sind wohl auch nicht hochgiftige Stoffe da unten, auch keine radioaktiven Stoffe, soweit ich weiß."
Das Kaliunternehmen K+S, erläutert Schmette, hat 1.800 Mitarbeiter. Mit den mittelbar Beschäftigten wie Handwerker oder dem Einzelhandel würden etwa 5.000 Menschen von dem Unternehmen leben. Wenn diese Arbeitsplätze wegfielen, wäre das für die Region ein Desaster.