Dresden. Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärwesen. Silke Horst und Kathrin Schönfelder kontrollieren hier regelmäßig Verpackungen auf ihren Schadstoffgehalt. Zunächst, sagt Silke Horst, werden diese Verpackungen zerschnitten und mit Lösungsmitteln behandelt.
"Es wird geschaut, welche Stoffe können ins Lebensmittel überwandern, diese wandern dann auch in dieses Extraktionsmittel. Wenn wir einen Hinweis bekommen, dass die Konzentration so hoch ist, dass es zu einer Überschreitung von Grenzwerten kommen kann, dann beginnen wir mit der Lebensmittelanalytik und schauen: Bestätigt sich das?"
Gift im Karton
Vor einigen Monaten hatten die beiden Lebensmittelchemikerinnen Pizzakartons zur Untersuchung im Labor - und waren überrascht, wie viel Bisphenol A sie darin fanden. Von den 16 getesteten Kartons wiesen neun erhöhte Bisphenol-A-Übergänge von bis zu 0,6 Milligramm pro Kilogramm Lebensmittel auf, ein Pizzakarton lag sogar noch darüber und wurde von den Lebensmittelkontrolleurinnen beanstandet. Kathrin Schönfelder:
"Pizzakartons sind im Moment noch von eher schlechter Qualität. Viele sind aus Recyclingka¬rtonagen und da werden ja direkt fettige Lebensmittel eingefüllt. Und die haben natürlich eine starke Extraktionskraft und können alles rausholen, was da drin ist."
Eben auch Bisphenol A. vier: mit dem Kassenzettel im Supermarkt. Und werfen es dann ins Altpapier. Andreas Gies vom Umweltbundesamt hat der Fund der sächsischen Lebensmittelchemikerinnen nicht überrascht:
"Wir wissen von dem Recyclingprozess von Papier, dass wir hohe Mengen Bisphenol A drin haben. Wir vermuten auch, das ist der Haupteintragsweg in unsere Oberflächengewässer. Durch Toilettenpapier, durch recyceltes Toilettenpapier. Und wenn Sie Lebensmittelverpackungen wie Pizzakarton aus Recyclingpapier herstellen, dann ist das ein plausibler Weg."
Jedes Jahr werden eine Million Tonnen Bisphenol A hergestellt - allein in Deutschland. Das Umweltbundesamt hat schon vor einigen Jahren den Urin von Kindern und Jugendlichen untersucht - in 95 Prozent der Proben fand sich Bisphenol A. Andreas Gies:
"Wir wissen aus Tierversuchen, dass Bisphenol A negativ beeinflusst zum Beispiel die männliche Reproduktion, die Entwicklung der männlichen Geschlechtsorgane, die Spermienqualität, also die gesamte männliche Reproduktionsgesundheit. Bei Human¬-Studien finden wir ihn bei Menschen, die ein hohes Körpergewicht haben. Wir wissen noch nicht, wie er eingreift in die Regulierung des Körperfetts und des gesamten Stoffwechsels, aber wir wissen offensichtlich, dass er damit zu tun hat."
Keine sicheren Grenzwerte
Die Europäische Lebensmittelbehörde, die EFSA, hat im Januar den Grenzwert für die sichere Dosis von Bisphenol A um mehr als den Faktor 10 heruntergesetzt. Von 50 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht auf nunmehr vier Mikrogramm. Vorläufig - noch stehen weitere Studien aus. Bislang geht die europäische Behörde von keiner Gesundheitsgefahr für den Menschen aus.
Kritiker wie Ninja Reineke von der Nichtregierungsorganisation ChemTrust aber warnen: Für hormonell wirksame Substanzen wie Bisphenol A gebe es keinen sicheren Grenzwert.
"Dazu kommt dann noch, dass es noch verschiedene andere hormonähnlich wirkende Schadstoffe gibt, die sich wiederum in anderen Lebensmitteln, in Hausstaub, Luft finden. Das sollte in der Gesamt-Risikobewertung betrachtet werden. Und das wird momentan nicht gemacht. Momentan ist es noch eine Einzelstoffbetrachtung. Und das halten wir für sehr bedenklich, denn es ist doch sehr wahrscheinlich, dass die Entstehung von Krankheiten, von Störungen, multifaktoriell ist und von der Gesamtexposition abhängt. "
Verbot gefordert
Nordrhein-Westfalen hat sich die Bedenken der Umwelt- und Verbraucherschützer mittlerweile zu eigen gemacht und fordert ein Verbot von Bisphenol A in Lebensmittelverpackungen, Brotdosen und Trinkbechern. So wie es Frankreich Anfang des Jahres in Kraft gesetzt hat.
Vorsorglicher Verbraucherschutz - das wäre auch im Sinne von Andreas Gies, dem Experten vom Umweltbundesamt.
"Ich denke, dass wir uns in Deutschland durchaus das angucken sollten, was die Franzosen machen und ich denke eigentlich, dass der deutsche Bürger das gleiche Schutzniveau verdient hat wie der französische."
Doch das lässt weiter auf sich warten. Mehr als ein Prüfantrag an die Bundesregierung ist bei der Verbraucherschutzkonferenz Anfang Mai nicht herausgekommen.