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Giftwirkung enthüllt
Nanopartikel stressen Zellen

An Nanopartikel scheiden sich die Geister: Die einen sehen neue technische Anwendungsmöglichkeiten durch verbesserte Materialeigenschaften. Die anderen warnen vor unbekannten Gesundheitsrisiken der tausendstel Mikrometer kleinen Teilchen. Eine Karlsruher Forschergruppe hat Nanopartikel aus Kupferoxid näher untersucht und herausgefunden, wie sie die Grenzkontrolle der Zellen austrickst.

Von Volker Mrasek |
    Nur etwa ein tausendstel Millimeter dick sind diese aus Silbernanopartiken bestehenden Strukturen auf einer Kunststofffolie, aufgenommen in einem Labor des Instituts für Organische Chemie und Makromolekulare Chemie der Universität Jena.
    Nur etwa ein tausendstel Millimeter dick sind diese aus Silbernanopartiken bestehenden Strukturen auf einer Kunststofffolie (dpa / picture alliance / Jan-Peter Kasper)
    An Nanopartikel scheiden sich die Geister: Die einen sehen neue technische Anwendungsmöglichkeiten durch verbesserte Materialeigenschaften. Die anderen warnen vor unbekannten Gesundheitsrisiken der tausendstel Mikrometer kleinen Teilchen. Eine Karlsruher Forschergruppe hat Nanopartikel aus Kupferoxid näher untersucht - und herausgefunden, wie sie die Grenzkontrolle der Zellen austrickst.
    Inzwischen glaubt die Biochemikerin und Toxikologin die Antwort zu kennen. Wenn es in Form von Nanopartikeln vorliegt, trickst Kupfer unsere Körperzellen aus. Das Metall umgeht dann gewissermaßen die Grenzkontrollen, die im Fall von wasserlöslichem Kupfer aus Fisch oder Getreide tadellos funktionieren. Entdeckt hat das eine Doktorandin aus Hartwigs Arbeitsgruppe - die Lebensmittelchemikerin Bettina Fischer,
    "Normalerweise ist es bei Kupfer eben so: Die Zelle weiß genau: Wie viel darf rein? Sie weiß aber auch genau, wenn zuviel drin ist: Es muss wieder raus! Und da gibt es eben Transportmechanismen, die dafür sorgen, dass der intrazelluläre Gehalt an Kupfer nicht überstiegen wird. Und das ist sehr, sehr streng reguliert von der Zelle."
    Grenzkontrollen in den Zellwänden
    Die Grenzkontrolle findet in Transportkanälen in den Zellwänden statt. Doch diesen Weg nimmt Kupfer gar nicht, wenn es als Nanopartikel vorliegt. Stattdessen gelangt es dann durch einen Prozess namens Endozytose in die Zellen. Dabei entsteht zunächst eine Einstülpung in der Zellwand. Diese nach innen ragende Knopse schnürt sich ab und wird zu einem Endosom, einem eigenständigen Körperchen im Zellsaft, mit einem stark sauren pH-Wert.
    Die Nanopartikel, die drinstecken, lösen sich dadurch auf, sodass das Kupfer das Endosom wieder verlässt und die Zelle überschwemmt, in Form geladener Ionen.
    Das alles zeigte sich in Laborversuchen mit menschlichen Zellkulturen.
    "Das heißt also, es werden Kupfer-Ionen in der Zelle freigesetzt - viel mehr, als normalerweise reinkommen würden über lösliches Kupfer. Und dadurch haben wir diese hohe Toxizität."
    Also die starke Giftwirkung von Kupfer:
    "Diese freien Kupfer-Ionen, die können dann reaktive Sauerstoff-Spezies bilden. Und diese reaktiven Sauerstoff-Spezies können dann sämtliche Zell-Bestandteile schädigen. Das sind Proteine, DNA. Und wahrscheinlich auch Lipide, Fette. Und dadurch stirbt letztendlich die Zelle."
    "Was wir jetzt erstmals gezeigt haben, ist wirklich, dass die Zelle quasi ausgetrickst wird, ein Transport-Mechanismus kommt, der die Partikel aufnimmt, und danach kommt dann diese Überladung, die die Zelle freiwillig nie zulassen würde."
    Anwendungen kritisch betrachtet
    Die Karlsruher Studie demonstriert wie Kupferoxid-Nanopartikel auf zellulärer Ebene wirken. Aber nicht, ob sie auch im realen Alltag ein Gesundheitsrisiko für den Menschen darstellen.
    Kupferhaltige Nanopartikel werden zum Beispiel in Anstrichen verwendet, die Aufwuchs an Schiffsrümpfen verhindern. Oder auch als antibakterieller Stoff in Textilien. Andrea Hartwig betrachtet hier nicht so sehr den Verbraucher als gefährdet, sondern Industrie-Arbeiter, die mit den Nano-Materialien hantieren und sie am Arbeitsplatz ständig einatmen:
    "Was für Kupfer-Konzentrationen haben die überhaupt, wenn die gegenüber diesen Nanopartikeln exponiert sind? Haben die vermehrt oxidative Schäden? Und das könnte natürlich auch zutreffen für andere Nanopartikel, für andere metallhaltige Nanopartikel. Das müsste man natürlich gucken."
    Inzwischen gebe es auch Ideen, feines Kupferoxid in Lebensmittel-Verpackungen einzusetzen. Bettina Fischer sieht solche Anwendungen grundsätzlich kritisch:
    "Was man definitiv sagen muss, ist, dass man mit den Kupferoxid-Partikeln zunächst 'mal vorsichtig umgehen sollte. Bevor man's vermehrt einsetzt, sollte man erst 'mal gucken: Kann ich's ohne Weiteres einsetzen?"