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Ginger Baker
Genie und Soziopath

Beim Gründer und Schlagzeuger der Band Cream, Ginger Baker, liegen Genie und Wahnsinn nah beieinander. Darüber berichten seine Weggefährten in dem Dokumentarfilm "Beware of Mr. Baker". Filmemacher Jay Bulger gelingt darin eine Annäherung an einen Soziopathen, der große Musik macht.

Von Hartwig Tegeler |
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    Der Schlagzeuger Ginger Baker bei einem Auftritt während des Pop-Festivals auf Fehmarn im September 1970. (dpa/picture-alliance/Otto)
    "Beware of Mr. Baker", nimm dich in acht vor Mr. Baker, steht am Eingangsschild von Ginger Bakers südafrikanischer Farm mit Hunden und Pferden - zumindest zu der Zeit, als Jay Bulger den Dauer mies gelaunten Meister tagelang interviewte. Aber, sich vor Baker in Acht nehmen, dieses Lebensmotto No. 2 hätte der Dokumentarfilmer wohl ernster nehmen sollen.
    "Beware Of Mr. Baker" (engl. Original)
    Letzter Tag der Dreharbeiten in Südafrika, meint Jay Bulger. Ich verabschiedete mich. Ginger Baker fragt, wohin geht es jetzt? Na ja, meint Bulger, ich spreche jetzt mit den Leuten, die Teil deines Lebens waren, Musiker, Ehefrauen, Kinder. Nein, das wirst du nicht machen. Dann rastet Ginger Baker aus. Dass die Kamera läuft, interessiert ihn nicht.
    "And I don´t anyone of them on my film."
    Haut Jay Bulger den Griff seines metallenen Handstocks ins Gesicht. Und humpelt wutschnaubend weg.
    "I fuckin´ put you in hospital. [Schlaggeräusche.]"
    Tja, kommentiert Jay Bulger grinsend, während er seine blutige Nase prüft, der Irre lebt, es geht ihm gut. Mit der Diagnose "irre" steht er nicht allein.
    Er ist ein Hurensohn, aber er verkörpert das Schlagzeug, meint Ex-"Police"-Drummer Steve Copeland. Ein Irrer, konsequent widerlich zu Leuten und zu sich selbst. Dass der noch lebt, ein Wunder. So die weiteren Urteile von Weggenossen, Ex-Ehefrauen oder Mitspielern über den 'Master of Drums'. Und "Cream"- und "Blind Faith"-Bandkollege Eric Clapton kommt zu der wunderlichen Einschätzung: Er ist ein liebenswerter Schurke. Was er nicht als Scherz meint.
    Dankenswerterweise hat sich Jay Bulger für sein Porträt durch die gebrochene Nase nicht einschüchtern lassen von diesem "Teufels-Schlagzeuger", wie man Ginger Baker nannte. Diesen genialen Musiker, Erfinder des Rock-Schlagzeug-Solos. Das Drogenwrack. Den Polo-Spieler. Den Afrika-Begeisterten. Der Bands gründete und schnell wieder auffliegen ließ wie "Cream", "Blind Faith" oder die Fusion-Jazz-Gruppe "Ginger Baker´s Air Force". Der später mit vielen zusammenspielte, die ihn - wie sie in "Beware of Mr. Baker" schonungslos konstatieren - so gerade mal eben noch so aushielten. Er machte viel Geld und verlor viel. Die 5 Millionen, die ihm 2005 die "Cream-Reunion-Konzerte" in der Londoner Royal Albert Hall einbrachten, steckte er in seine Pferdezucht in Südafrika, um danach Pleite zu gehen. An Selbstbewusstsein mangelte es Mr. Baker trotz vieler Pleiten nie - auch nicht in der Erinnerung an "Cream".
    "Wir waren verdammt gut. Deswegen nannten wir uns "Cream". Wir wussten, dass wir - Baker, Jack Bruce und Eric Clapton - die drei besten Musiker waren, die es gab."
    Irgendwann sagt er, grau geworden, nichts mehr mit den roten Haaren, die ihm den Namen "Ginger" einbrachte, da sagt er in Jay Bulgers Film, quasi liegend in seinem Fernsehsessel im Haus in Südafrika, das mit dem schnell Spielen, alles Schwachsinn. Schlecht gelaunt sagt er das, fluchend, wie fast immer im Film, bis auf diesen Moment, wo er eines seiner Pferde streichelt. Zärtlich fast.
    Ansonsten redet er nur von Dummköpfen, Arschlöchern, meint damit die anderen, die, mit denen er gespielt hat und natürlich auch die anderen Schlagzeuger, die´s nicht drauf haben, exklusive, das seit betont, exklusive der großen Jazz-Drummer, die immer seine Vorbilder waren. Also noch mal das mit dem Schnellspielen. Man muss einfach nur mit allen vier Gliedmaßen - zwei Arme inklusive Hände, zwei Beine inklusive Füße - gleichzeitig was Unterschiedliches spielen. Was anderes hätte er nie gemacht. Na bitte, da hätten wir´s doch endlich erfahren, das Geheimnis einen genialen Drummers.
    Haben wir´s nun?! Denkste. Was aber klar ist nach diesem Film über Ginger Baker, für den der Begriff Kotzbrocken wohl neu erfunden werden müsste, dass Mr. Baker auf "Do What You Like", dem "Blind-Faith"-Klassiker von 1969, nicht nur ein grandioses Schlagzeug-Solo präsentiert, sondern auch sein Credo: Mach, was du willst.
    Jay Bulger hat mit "Beware Of Mr. Baker" eine wunderbar sperrige Annäherung an einen ziemlich widerlichen, cholerischen Typen gedreht, der immer noch tourt. Wenn die Kohle knapp ist, und es die Gesundheit zulässt. Bei seinem Spiel mit Free-Jazz-Legende Peter Brötzmann oder im Trio mit Charlie Haden und Bill Frisell wurde Ginger Baker in den letzten Jahren endlich das, als was er sich immer begriff: ein Jazz-Schlagzeuger. Da ist er ganz nahe bei seinen Vorbildern Max Roach, Art Blakey oder Elvin Jones. Kann man gerne glauben, wenn man das Ginger-Baker-Trio hier hört.
    Und sowieso: Wer sagt denn, dass einer, der grandiose Musik machte und macht, ein netter Mensch sein soll. Jay Bulger, der Filmemacher mit der von Ginger Baker zerlegten Nase und einer offensichtlich tief sitzenden Begeisterung für diesen "Irren" - seine Worte -, Jay Bulger lässt an dieser Erkenntnis nicht den geringsten Zweifel.