Struck: Das bedeutet natürlich zunächst erhebliche Auswirkungen auf die Entscheidungsprozesse innerhalb der NATO, auch auf die militärischen Vorbereitungen der Entscheidungsprozesse, was Hauptquartiere angeht; intern diskutieren wir das unter einer neuen Kommandostruktur. Das bedeutet aber zunächst auch für die beitretenden Staaten, dass sie in ihren Bereichen auch erhebliche Anstrengungen unternehmen müssen, was die Modernisierung ihrer Armeen angeht, was auch die Größe ihrer Armeen angeht. Es ist in der Tat eine historische Entscheidung, aber sie wird auch beiden Seiten, den alten NATO-Mitgliedern und den hinzu kommenden NATO-Mitgliedern, einiges abverlangen.
Meurer: So historisch und positiv dieser Schritt ist, wird das Entscheiden in der NATO in Zukunft schwieriger, wenn 26 am Tisch sitzen?
Struck: Ja, es wird auf jeden Fall etwas komplizierter. Wir haben jetzt 19 Mitgliedsstaaten. Die politischen Abstimmungsprozesse für Entscheidungen in der NATO erfordern doch einen erheblichen Aufwand und intensive Verhandlungen. Das wird sicherlich nicht einfacher, wenn noch sieben dazu kommen. Allerdings wird das alles natürlich dann auch bestimmt durch das gemeinsame Bestreben, eine Sicherheitspolitik zu gestalten, die den neuen Anforderungen gerecht wird.
Meurer: Nun wird ja ganz offensichtlich nicht die Erweiterung im Mittelpunkt in Prag stehen. Was muss die NATO tun, um nicht noch weiter an Bedeutung zu verlieren?
Struck: Sie muss ihre Fähigkeiten verbessern. Wir diskutieren das unter dem Gesichtspunkt der neuen Fähigkeiten, der Capabilities, wie es so heißt. Wir haben zur Vorbereitung auf diesen Gipfel in verschiedenen Arbeitsgruppen die einzelnen militärischen Bereiche durchgesehen: Wo gibt es Mängel? Wo muss jedes Land und wo muss man auch eigene zusätzliche Beiträge leisten? Und am Ende dieses Prager Gipfels wird eine Verpflichtung der NATO-Staaten stehen, diese sogenannten neuen Capabilities auch in einem bestimmten Zeitraum zu schaffen.
Meurer: Füllen Sie sich als schwarzes Schaaf, wenn es um die Herstellung dieser Fähigkeiten geht?
Struck: Nein, absolut nicht, ganz im Gegenteil. Also ich kann da nicht erkennen, dass Amerika, wie es im Vorbericht hieß, mit Stirnrunzeln oder ähnliches auf die Bundeswehr guckt, die das schwarze Schaaf sei. Wir haben in manchen Bereichen dieser Verbesserung der Fähigkeiten die Federführung für diese Arbeiten übernommen. Im Mittelpunkt unserer Überlegungen steht die Prüfung der Frage: Wie können wir Luftraumtransportkapazitäten zusätzlich schaffen für den Zeitraum, den wir noch brauchen, bevor die A400M den Mitgliedsstaaten zugeliefert werden, die dieses Flugzeug kaufen wollen. Wir sind im Bereich der medizinischen Verbesserung der Fähigkeiten in der Armee federführend, und bei meinem Gespräch mit Donald Rumsfeld in Washington vor einiger Zeit habe ich keinerlei Vorwürfe in dieser Richtung vernommen.
Meurer: Werden diese Lufttransportkapazitäten, von denen Sie reden – man denkt ja daran, Flugzeuge zu leasen, bis der Airbus dann irgendwann 2008, 2009 angeschafft ist -, schon für einen möglichen Irak-Krieg gebraucht?
Struck: Nein, keineswegs. Es gibt jetzt schon Antonow-Maschinen oder auch Iljuschin-Maschinen, die von verschiedenen Gesellschaften angeboten werden. Wir brauchen zum Beispiel, weil unsere eigene Transportkapazität mit der Transall auch nicht ausreichen wird, zusätzliche Lead-Kapazität für die Übernahme der Lead-Funktion in Afghanistan. Das wird ja dann ab Anfang des nächsten Jahres der Fall sein. Diese Flugzeuge werden ja von zivilen Gesellschaften gemietet, und sie werden natürlich nicht in möglichen militärischen Auseinandersetzungen dann eingesetzt werden.
Meurer: Was soll denn der NATO-Gipfel zum Thema Irak beschließen?
Struck: Ich denke, dass der NATO-Gipfel die Erklärung des Weltsicherheitsrates, diese Resolution 1441 begrüßen wird. Alle beteiligten NATO-Staaten halten diese Entscheidung für wichtig, auch die Bundesregierung. Das Problem wird zu lösen sein, wenn Saddam sich an diese Resolution hält und ohne Bedingungen die Inspektionen zulässt.
Meurer: Bundeskanzler Gerhard Schröder und George Bush werden sich nicht zu einem Vier-Augen-Gespräch treffen. Drückt sich darin aus, dass der Haussegen doch noch immer schief hängt?
Struck: Nein, es ist von der Bundesregierung um ein solches bilaterales Gespräch auch nicht gebeten worden.
Meurer: Und zwar deswegen nicht, weil man wusste, dass die Amerikaner 'Nein' sagen?
Struck: Nein. Wir haben ja auf der Ebene der Außenminister und Verteidigungsminister, Joschka Fischer und dann ich mit Donald Rumsfeld Gespräche geführt; auch auf der Ebene der Sicherheitsberater finden solche Gespräche statt. Das Wichtige ist, dass wir das Verhältnis zu den USA wieder normalisiert haben. Insbesondere auf der Arbeitsebene hat es da nie große Friktionen gegeben. Ich denke, es wird sich auch bei dem NATO-Gipfel zeigen, dass wir eine ordentliche Zusammenarbeit pflegen werden.
Meurer: Kann man von Normalisierung reden, wenn Bush sich mit Chirac trifft, mit Tony Blair, mit dem tschechischen Präsidenten, aber nicht mit dem Bundeskanzler?
Struck: Ich würde das nicht hoch dramatisieren. Er trifft sich auch nicht mit anderen Staats- und Regierungschefs der 19 Mitgliedsstaaten. Ich halte das nicht für dramatisch.
Meurer: Werden Sie sich noch einmal mit Donald Rumsfeld, dem amerikanischen Verteidigungsminister treffen?
Struck: Das wird noch zu klären sein. Im Grunde haben wir ein sehr ausführliches und langes Gespräch gehabt, und auch im Nachlauf zu diesem Gespräch sind noch einige Fragen geklärt worden. Das wird sich morgen und übermorgen herausstellen.
Meurer: Es gibt ja von den Amerikanern die Strategie des Präventivkrieges. Bei der NATO heißt es, man wird niemals als erster zur Waffe greifen. Wird die NATO ihre Strategie ändern?
Struck: Nein, das denke ich nicht. Die NATO wird vorbereitet sein müssen auf die neuen Ereignisse, die es nach dem 11.9.2001 immer zu befürchten gibt. Das ist auch der Grund, warum Deutschland zum Beispiel die NATO Responce-Force grundsätzlich unterstützt und uns auch aktiv an der Ausgestaltung einer solchen Responce-Force in den nächsten Monaten beteiligen werden. Die NATO beabsichtigt nicht, sogenannte Präventivangriffe zu machen - das wäre zum Beispiel nach unserer Verfassung auch gar nicht zulässig –, sondern die NATO ist ein Verteidigungsbündnis, das aber, wie ich finde, glücklicherweise auch andere Aufgaben übernimmt, zum Beispiel die Aufgabe der NATO in Bosnien-Herzegowina oder die Hilfe, die uns jetzt jedenfalls durch Teile der NATO und Einrichtungen der NATO in Afghanistan gegeben wird, wenn wir Anfang Januar dort die sogenannte Lead-Nation-Funktion übernehmen.
Meurer: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio
Meurer: So historisch und positiv dieser Schritt ist, wird das Entscheiden in der NATO in Zukunft schwieriger, wenn 26 am Tisch sitzen?
Struck: Ja, es wird auf jeden Fall etwas komplizierter. Wir haben jetzt 19 Mitgliedsstaaten. Die politischen Abstimmungsprozesse für Entscheidungen in der NATO erfordern doch einen erheblichen Aufwand und intensive Verhandlungen. Das wird sicherlich nicht einfacher, wenn noch sieben dazu kommen. Allerdings wird das alles natürlich dann auch bestimmt durch das gemeinsame Bestreben, eine Sicherheitspolitik zu gestalten, die den neuen Anforderungen gerecht wird.
Meurer: Nun wird ja ganz offensichtlich nicht die Erweiterung im Mittelpunkt in Prag stehen. Was muss die NATO tun, um nicht noch weiter an Bedeutung zu verlieren?
Struck: Sie muss ihre Fähigkeiten verbessern. Wir diskutieren das unter dem Gesichtspunkt der neuen Fähigkeiten, der Capabilities, wie es so heißt. Wir haben zur Vorbereitung auf diesen Gipfel in verschiedenen Arbeitsgruppen die einzelnen militärischen Bereiche durchgesehen: Wo gibt es Mängel? Wo muss jedes Land und wo muss man auch eigene zusätzliche Beiträge leisten? Und am Ende dieses Prager Gipfels wird eine Verpflichtung der NATO-Staaten stehen, diese sogenannten neuen Capabilities auch in einem bestimmten Zeitraum zu schaffen.
Meurer: Füllen Sie sich als schwarzes Schaaf, wenn es um die Herstellung dieser Fähigkeiten geht?
Struck: Nein, absolut nicht, ganz im Gegenteil. Also ich kann da nicht erkennen, dass Amerika, wie es im Vorbericht hieß, mit Stirnrunzeln oder ähnliches auf die Bundeswehr guckt, die das schwarze Schaaf sei. Wir haben in manchen Bereichen dieser Verbesserung der Fähigkeiten die Federführung für diese Arbeiten übernommen. Im Mittelpunkt unserer Überlegungen steht die Prüfung der Frage: Wie können wir Luftraumtransportkapazitäten zusätzlich schaffen für den Zeitraum, den wir noch brauchen, bevor die A400M den Mitgliedsstaaten zugeliefert werden, die dieses Flugzeug kaufen wollen. Wir sind im Bereich der medizinischen Verbesserung der Fähigkeiten in der Armee federführend, und bei meinem Gespräch mit Donald Rumsfeld in Washington vor einiger Zeit habe ich keinerlei Vorwürfe in dieser Richtung vernommen.
Meurer: Werden diese Lufttransportkapazitäten, von denen Sie reden – man denkt ja daran, Flugzeuge zu leasen, bis der Airbus dann irgendwann 2008, 2009 angeschafft ist -, schon für einen möglichen Irak-Krieg gebraucht?
Struck: Nein, keineswegs. Es gibt jetzt schon Antonow-Maschinen oder auch Iljuschin-Maschinen, die von verschiedenen Gesellschaften angeboten werden. Wir brauchen zum Beispiel, weil unsere eigene Transportkapazität mit der Transall auch nicht ausreichen wird, zusätzliche Lead-Kapazität für die Übernahme der Lead-Funktion in Afghanistan. Das wird ja dann ab Anfang des nächsten Jahres der Fall sein. Diese Flugzeuge werden ja von zivilen Gesellschaften gemietet, und sie werden natürlich nicht in möglichen militärischen Auseinandersetzungen dann eingesetzt werden.
Meurer: Was soll denn der NATO-Gipfel zum Thema Irak beschließen?
Struck: Ich denke, dass der NATO-Gipfel die Erklärung des Weltsicherheitsrates, diese Resolution 1441 begrüßen wird. Alle beteiligten NATO-Staaten halten diese Entscheidung für wichtig, auch die Bundesregierung. Das Problem wird zu lösen sein, wenn Saddam sich an diese Resolution hält und ohne Bedingungen die Inspektionen zulässt.
Meurer: Bundeskanzler Gerhard Schröder und George Bush werden sich nicht zu einem Vier-Augen-Gespräch treffen. Drückt sich darin aus, dass der Haussegen doch noch immer schief hängt?
Struck: Nein, es ist von der Bundesregierung um ein solches bilaterales Gespräch auch nicht gebeten worden.
Meurer: Und zwar deswegen nicht, weil man wusste, dass die Amerikaner 'Nein' sagen?
Struck: Nein. Wir haben ja auf der Ebene der Außenminister und Verteidigungsminister, Joschka Fischer und dann ich mit Donald Rumsfeld Gespräche geführt; auch auf der Ebene der Sicherheitsberater finden solche Gespräche statt. Das Wichtige ist, dass wir das Verhältnis zu den USA wieder normalisiert haben. Insbesondere auf der Arbeitsebene hat es da nie große Friktionen gegeben. Ich denke, es wird sich auch bei dem NATO-Gipfel zeigen, dass wir eine ordentliche Zusammenarbeit pflegen werden.
Meurer: Kann man von Normalisierung reden, wenn Bush sich mit Chirac trifft, mit Tony Blair, mit dem tschechischen Präsidenten, aber nicht mit dem Bundeskanzler?
Struck: Ich würde das nicht hoch dramatisieren. Er trifft sich auch nicht mit anderen Staats- und Regierungschefs der 19 Mitgliedsstaaten. Ich halte das nicht für dramatisch.
Meurer: Werden Sie sich noch einmal mit Donald Rumsfeld, dem amerikanischen Verteidigungsminister treffen?
Struck: Das wird noch zu klären sein. Im Grunde haben wir ein sehr ausführliches und langes Gespräch gehabt, und auch im Nachlauf zu diesem Gespräch sind noch einige Fragen geklärt worden. Das wird sich morgen und übermorgen herausstellen.
Meurer: Es gibt ja von den Amerikanern die Strategie des Präventivkrieges. Bei der NATO heißt es, man wird niemals als erster zur Waffe greifen. Wird die NATO ihre Strategie ändern?
Struck: Nein, das denke ich nicht. Die NATO wird vorbereitet sein müssen auf die neuen Ereignisse, die es nach dem 11.9.2001 immer zu befürchten gibt. Das ist auch der Grund, warum Deutschland zum Beispiel die NATO Responce-Force grundsätzlich unterstützt und uns auch aktiv an der Ausgestaltung einer solchen Responce-Force in den nächsten Monaten beteiligen werden. Die NATO beabsichtigt nicht, sogenannte Präventivangriffe zu machen - das wäre zum Beispiel nach unserer Verfassung auch gar nicht zulässig –, sondern die NATO ist ein Verteidigungsbündnis, das aber, wie ich finde, glücklicherweise auch andere Aufgaben übernimmt, zum Beispiel die Aufgabe der NATO in Bosnien-Herzegowina oder die Hilfe, die uns jetzt jedenfalls durch Teile der NATO und Einrichtungen der NATO in Afghanistan gegeben wird, wenn wir Anfang Januar dort die sogenannte Lead-Nation-Funktion übernehmen.
Meurer: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio