Eigentlich ist der März-Gipfel traditionell ein Wirtschaftsgipfel, bei dem die EU-Staats- und Regierungschefs über Reformen für mehr Wachstum und Arbeit und die Haushaltskonsolidierung diskutieren. Eigentlich wollten sich die Gipfelnehmer heute zudem erstmals mit den Plänen für eine sogenannte Energie-Union auseinandersetzen, die die EU-Kommission im Februar auf den Tisch gelegt hat.
"Es geht darum, in der EU Energiesicherheit zu haben; im Energiebereich im Vergleich zu den USA wieder wettbewerbsfähig zu werden und gleichzeitig nicht unser Engagement für den Klimaschutz aus dem Blick zu verlieren", begründete EU-Kommissionspräsident Juncker die Ziele einer solchen Energie-Union. Darüber, was schlussendlich darunter zu verstehen ist, gibt es innerhalb der EU sehr unterschiedliche Vorstellungen. Manch einem geht es schlicht darum, geltende Regeln für einen Energie-Binnenmarkt endlich umzusetzen – Stichwort: grenzübergreifende Verbindung der Gas- und Strom-Netze zwischen den EU-Staaten. Anderen geht es um Vorgaben zu größerer Energieeffizienz und/oder um den Ausbau der erneuerbaren Energien. Wieder anderen wollen sich unabhängiger von Gas aus Russland machen.
Vorbild Bankenunion?
Es ist jedenfalls kein Zufall, dass die nicht mehr ganz so neue Idee, im Bereich Energie europäisch besser zusammen zu arbeiten, über die Ukraine-Russland-Krise neue Fahrt aufgenommen hat. EU-Ratspräsident Tusk begründete seinen entsprechenden Anstoß dazu vor zehn Monaten so:
"Die Bankenunion wies uns einen Weg aus der Wirtschaftskrise, indem sie zu einer stärkeren Zusammenarbeit in der EU führte. Es scheint mir, als sollten wir aus der Krise zwischen Russland und der Ukraine mit einer Energie-Union dieselbe Lehre ziehen."
Tatsächlich dürfte einmal mehr auch bei diesem Gipfel die Ukraine-Krise eine dominante Rolle spielen – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung. Die Bundesregierung möchte erreichen, dass sich die Staats- und Regierungschefs auf eine Verknüpfung zwischen den Sanktionen gegen Russland und der Umsetzung des Fahrplans der Minsker Vereinbarungen politisch festlegen, also: ohne volle Implementierung von Minsk keine Lockerung der Sanktionen.
"Es gibt einen Zusammenhang zwischen den jetzt bestehenden Sanktionen und der vollständigen Umsetzung des Minsker Pakets. Die territoriale Integrität der Ukraine ist erst dann wieder hergestellt, wenn ukrainische Grenzbeamte die gesamte russisch-ukrainische Grenze wieder bewachen können."
So sieht es Bundeskanzlerin Merkel. Ein formaler Beschluss, ob die Wirtschaftssanktionen verlängert werden, steht eigentlich erst ein Jahr nach deren Verhängung an – das wäre im Juli. Würde beim Gipfel jetzt diese Verknüpfung zwischen Sanktionen und den Vereinbarungen von Minsk als gemeinsame Position festgeschrieben, entspräche das de facto einer vorzeitigen Verlängerung der Sanktionen. Kommt das so nicht oder käme es nur zu einer wachsweichen Formulierung, gäbe es beim Juni-EU-Gipfel wohl erneut eine Debatte über Sinn, Unsinn und Kalibrierung von Sanktionen. Der österreichische Außenminister Kurz am Montag in Brüssel:
"Wichtig ist, glaube ich, dass die Europäische Union die Geschlossenheit, die sie innerhalb des letzten Jahres stets gehabt hat, auch weiterhin hat."
Sondertreffen mit der griechischen Regierung
Um ein Thema, das offiziell gar nicht auf der Tagesordnung steht, werden die EU-Staats- und Regierungschef mit Sicherheit nicht herumkommen: Griechenland.
"Die Mitgliedsstaaten wollen die Partnerschaft mit Griechenland. Wir brauchen allerdings einen griechischen Partner, der mit uns seriös arbeitet. Und ich hoffe, dass die griechische Regierung sich wirklich umgehend als Regierung empfindet und aufhört, Wahlkämpfer zu sein."
... sagte der Fraktionsvorsitzende der Volksparteien im Europäischen Parlament, Manfred Weber, vergangene Woche in Straßburg. Für die Bundesregierung steht fest, dass die Grundlage des jetzigen Tuns und Handelns der Euroländer in der Griechenlandkrise die Verabredungen in der Eurogruppe vom Februar sind. Sollte Ratspräsident Tusk am Rande des EU-Gipfels ein vom griechischen Regierungschef Tsipras gewünschtes Treffen in kleinem Kreise ansetzen, würde sich die Bundeskanzlerin nicht verweigern, hieß es gestern in Berlin. Neben Merkel wünscht sich Tsipras den französischen Präsidenten Hollande, EU-Kommissionspräsident Juncker und den Chef der Europäischen Zentralbank Draghi an einem kleinen, runden Tisch.