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Gipfeltreffen in Brüssel
Türkei dringt auf EU-Beitritt und gerechtere Flüchtlingsverteilung

Die EU-Staaten dürfen Griechenland oder die Türkei nicht als großes Flüchtlingslager ansehen - das fordert die türkische Regierungspartei AKP. Für ihr Entgegenkommen in der Flüchtlingsfrage verlangt die Türkei unter anderem, die Verhandlungen über einen EU-Beitritt auszuweiten. Die türkische Opposition verurteilte die EU derweil dafür, dass sie Präsident Erdogan gegenüber neuerdings zu unkritisch auftrete.

Von Thomas Bormann |
    Selahattin Demirtas, der Vorsitzende der kurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP)
    Der Chef der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP, Selahattin Demirtas: "Leider werden wegen der Flüchtlingsfrage Zugeständnisse an Erdogan gemacht." (dpa / picture-alliance / Olivier Hoslet)
    Der Sprecher der Regierungspartei AKP, Ömer Celik, stellt klar: Die Türkei ist bereit, in der Flüchtlingsfrage eng mit der EU zusammenzuarbeiten, aber die Türkei will nicht mit den gut zweieinhalb Millionen syrischen Flüchtlingen im Stich gelassen werden, die sie bislang schon aufgenommen hat. AKP-Sprecher Ömer Celik:
    "Die Last muss gerecht geteilt werden. Die EU-Staaten dürfen Griechenland oder die Türkei nicht als großes Flüchtlingslager ansehen. Sie müssen den humanitären Aspekt der Frage erkennen und eine gerechte Verteilung der Lasten beschließen."
    Gerechte Verteilung – das bedeutet aus türkischer Sicht, dass die EU freiwillig bestimmte Kontingente an Flüchtlingen von der Türkei aufnimmt.
    In türkischen Zeitungen ist von bis zu 1.000 Flüchtlingen pro Tag die Rede. Das hieße: täglich sollten die EU-Länder 1.000 Flüchtlinge direkt aus der Türkei aufnehmen, also 365.000 im Jahr.
    Türkei will Seegrenze zu Griechenland besser absichern
    Einige EU-Länder, vor allem auch Deutschland, sind durchaus bereit, Kontingente aufzunehmen, über die genaue Zahl wird allerdings noch verhandelt. Die Türkei ist im Gegenzug bereit, einige Flüchtlinge wieder zurückzunehmen, die es bereits auf eine griechische Insel geschafft haben, vor allem Flüchtlinge, die nicht aus Kriegsgebieten stammen. Und die Türkei wird mithilfe der NATO ihre Seegrenze zu Griechenland besser absichern.
    Auch wenn sich die EU und die Türkei heute auf Kontingente einigen – die meisten Flüchtlinge werden auch künftig in der Türkei bleiben. Die EU hatte schon im November zugesagt, sich an den Kosten für die Versorgung dieser Flüchtlinge zu beteiligen, und zwar mit drei Milliarden Euro. Nur: Wie das Geld verteilt werden soll – da gibt es noch Streit, sagt der Fernsehjournalist Hakan Celik:
    "95 Millionen Euro sind jetzt freigegeben worden. Die Europäische Union will selber entscheiden, wofür die Hilfsgelder im Detail ausgegeben werden sollen. Doch die Türkei ist kein afrikanischer Drittweltstaat, der die Koordinierung solcher Gelder nicht selber in den Griff bekommen könnte.
    Es ist okay, wenn die EU die Ausgaben kontrollieren will, schließlich ist es das Geld der europäischen Steuerzahler. Aber im Detail selber entscheiden zu wollen, wofür dieses Geld ausgegeben wird, das ist inakzeptabel."
    Für ihr Entgegenkommen in der Flüchtlingsfrage verlangt die Türkei aber noch mehr: Sie möchte erreichen, dass ihre eigenen Staatsbürger künftig ohne Visum in EU-Länder reisen können. Und sie fordert, die Verhandlungen für einen Beitritt der Türkei in die EU auszuweiten. Allerdings erscheint ein baldiger EU-Beitritt der Türkei heute sehr unwahrscheinlich, nachdem die türkische Staatsführung immer härter gegen kritische Zeitungen vorgeht – wie der Sturm auf die Zeitung "ZamanW am Wochenende gezeigt hatte.
    Der Chef der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP, Selahattin Demirtas, meint, die EU nehme ohnehin viel zu viel Rücksicht auf die türkische
    Regierung: "Leider werden wegen der Flüchtlingsfrage Zugeständnisse an Erdogan gemacht. Man begegnet ihm mit viel Toleranz, um ihn nicht zu verärgern. Vor dem Krieg gegen die Kurden und vor den Menschenrechtsverletzungen werden die Augen zugedrückt. Das muss ich kritisieren, das ist eine falsche Haltung."
    An der türkischen Regierung blitzt solche Kritik ab, egal ob sie von der Opposition aus dem eigenen Land kommt oder von EU-Politikern. Ministerpräsident Davutoglu tritt in Brüssel sehr selbstbewusst auf.