Die Bundeswehr soll mit mehreren hundert Soldaten das Bataillon in Litauen anführen. In Polen übernehmen die USA diese Rolle, in Lettland die kanadischen Streitkräfte und in Estland ist Großbritannien verantwortlich. Der Einsatz ist zeitlich nicht begrenzt; laut Aussagen von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sollen die Bataillone "so lange bleiben wie nötig". Polen und die baltischen Länder grenzen an Russland und fühlen sich seit Ausbruch der Ukraine-Krise von dem mächtigen Nachbarn bedroht. Die multinationalen Truppen sollten klarmachen, dass die Nato einen Angriff auf einen Alliierten als Angriff auf das gesamte Bündnis werten würde, so Stoltenberg. Die Verlegung der Soldaten werde Anfang nächsten Jahres starten.
Mit Russland im Gespräch bleiben
Gleichzeitig suche man aber den Dialog mit Russland, so Stoltenberg: "Russland kann und darf nicht isoliert werden." Die Nato wolle Moskau nach dem Gipfel über die Beschlüsse informieren, um Missverständnissen vorzubeugen. Bereits vor dem Gipfel hatte Stoltenberg angemahnt, mit Russland im Gespräch zu bleiben: "Der Kalte Krieg ist Geschichte und er sollte Geschichte bleiben." Er verwies dabei auf die Gespräche im Nato-Russland-Rat, die nach zweijähriger Funkstille im April wieder aufgenommen wurden. Ein weiteres Treffen ist kommende Woche geplant.
Der Politikwissenschaftler Johannes Varwick sagte im Deutschlandfunk, die Maßnahmen der Nato seien ein wichtiges Signal an Russland: "Wenn ihr euch mit dem Nato-Territorium anlegt, dann bekommt ihr es mit der ganzen Nato zu tun, und wir sind in der Lage, darauf zu reagieren." Gleichzeitig müsse man allerdings einen "schmutzigen realpolitischen Kompromiss" mit Russland eingehen, um eine Eskalation zu verhindern. Dazu gehöre auch die vorläufige Duldung der Krim-Annexion.
Raketenschirm "nicht gegen Russland gerichtet"
Außerdem übernahm die Allianz übernahm beim Gipfel in Warschau von den USA das Kommando über den Raketenschirm zum Schutz Europas, der jetzt einsatzbereit ist. Zu dem Abwehrsystem gehören bisher eine Raketenabschussstation in Rumänien, vier in Südspanien stationierte Schiffe und eine Radaranlage in der Türkei. Die Kommandozentrale liegt im rheinland-pfälzischen Ramstein.
Auch hier betonte die Nato, der Raketenschirm sei nicht gegen Russland gerichtet. Moskau kritisiert das Rüstungsprojekt allerdings scharf und droht mit Gegenmaßnahmen. Zwischen 2010 und 2013 hatte die Nato mit Russland noch über eine Kooperation bei der Raketenabwehr verhandelt.
Putin telefoniert mit Merkel und Hollande
Parallel zu dem Gipfel in Warschau hat Russlands Präsident Wladimir Putin Bundeskanzlerin Angela Merkel dazu aufgerufen, im Ukraine-Konflikt Druck auf die Regierung in Kiew auszuüben. Sie solle bei der Führung auf Friedensschritte für die umkämpfte Ostukraine zu dringen. Putin habe in einer Telefonkonferenz seine Sorge über zunehmende Verstöße gegen die Waffenruhe zwischen der ukrainischen Armee und prorussischen Separatisten geäußert, teilte der Kreml mit. An dem Telefonat habe auch der französische Präsident François Hollande teilgenommen.
Zusammenarbeit mit der EU vereinbart
Zuvor hatten Stoltenberg, EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Rande des Gipfels eine gemeinsame Erklärung zu einer engeren Zusammenarbeit zwischen Nato und EU unterzeichnet. Stoltenberg erklärte, man sehe sich einer Reihe nicht dagewesener Herausforderungen gegenüber. Gerade in unsicheren Zeiten gewinne die Partnerschaft noch mal an Bedeutung. EU-Ratspräsident Donald Tusk meinte, zu der Zusammenarbeit gebe es angesichts der Vielzahl von Krisen und Bedrohungen keine Alternative: "Die EU und die Nato sind heute mit denselben Gefahren konfrontiert."
Als erster großer Schritt zur Zusammenarbeit gilt der Marineeinsatz gegen Schleuserkriminalität in der Ägäis. Dabei arbeitet das Militärbündnis mit der EU-Grenzschutzagentur Frontex zusammen. Gemeinsam soll auch gegen sogenannte hybride Formen der Kriegsführung vorgegangen werden.
Die Zusammenarbeit zwischen Nato und EU beschränkte sich bisher weitgehend auf Rhetorik. Obwohl beide Organisationen ihre Hauptquartiere in Brüssel hätten, habe es bislang manchmal so gewirkt, als wenn die Nato und die EU auf zwei unterschiedlichen Planeten beheimatet seien, sagte Tusk.
(cvo/ach)