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Giro d'Italia
Deutscher Radsportfrühling

Weißes Trikot und beinahe ein Etappensieg: Zwei junge deutsche Radprofis fahren sich beim Giro d'Italia 2018 ins Rampenlicht: Maximilian Schachmann und Nico Denz. Sie sind Vertreter des Jahrgangs 1994. Und der hält weitere große Talente bereit.

Von Tom Mustroph |
    Maximilian Schachmann jubelt auf dem Siegerpodest beim Giro d'Italia.
    Maximilian Schamann im Trikot des besten Nachwuchsfahrers beim Giro d'Italia 2018. (imago sportfotodienst)
    Tapfer kämpfte Nico Denz in Gualdo Tadino mit den widerstreitenden Gefühlen von Stolz und Enttäuschung. Er hatte den Etappensieg bei Giro schon vor seinen Augen, unterlag dann aber im Sprint zweier Ausreißer: "Ja, ich bin immerhin noch Zweiter. Wenn man so knapp an einem großen Sieg vorbeikommt, ist man natürlich enttäuscht."
    Denz beschritt eine eher ungewöhnliche Laufbahn. Er bewarb sich noch als Teenager in Chambery, in der Kletterschule des französischen Rennstalls AG2R: "Ich habe mich halt umgesehen. In Deutschland sind die Alternativen da sehr mäßig, würde ich mal behaupten. Und Frankreich liegt sehr nahe, ich wohne auch an der Grenze zwischen Deutschland, Frankreich und der Schweiz, nahe Basel. Und daher war das dann näher für mich als zum Beispiel Berlin oder Erfurt."
    Poträt von Nico Denz vom Team AG2R La Mondiale.
    Nico Denz vom Team AG2R La Mondiale. (imago sportfotodienst)
    Das sind die deutschen Leistungszentren. Der Schwerpunkt liegt hier auf Athletik und Ausdauer. Attackieren in den Bergen kommt etwas kurz, was auch am Profil der Nachwuchsrennen liegt. Ganz anders die französische Radsportschule in Chambery. "Franzosen sind sehr offensiv, würde ich sagen. Gerade das wird da sehr viel gelehrt und uns nahe gelegt. Das Teamwork steht sehr im Vordergrund. Das Zusammenarbeiten, jeder für jeden."
    Jeder für jeden - das bedeutet für Denz zunächst ein Helfer-Dasein. Bei der 10. Etappe nutzte der 24-Jährige aber schon seine Gelegenheiten. Und auch auf der Bergetappe am Sonntag gehörte er - getreu der französischen Rennfahrerschule - wieder zu den Ausreißern. Ziel: Etappensieg. "Ich hatte mir den letzten Anstieg gut eingeteilt. Ich wollte bis oben hinfahren, ankommen und dann gewinnen." Die Favoriten holten ihn aber ein.
    Einige Tage im weißen Trikot
    Gar nicht mehr mit den Favoriten mithalten konnte an diesem Tag der gleichaltrige Maximilian Schachmann. Bis dahin zeigte der Rundfahrt-Debütant aber eine starke Leistung. Wegen seines großen Potentials hat er beim belgischen Rennstall Quick Step sogar eine freie Rolle.
    "Wir sind mit der Idee hiergekommen, ihn zu testen. Er ist jung. Er hat zur Vorbereitung dieses Giro ein gutes Höhentrainingslager in der Sierra Nevada gemacht. Er hatte einige Tage das weiße Trikot. Wir sind zufrieden mit ihm. Und die Erfahrung bei diesem Giro wird ihm für seine Zukunft helfen", meint sein sportlicher Leiter Davide Bramati.
    Großes Ziel: Rundfahrer
    Schachmann fuhr mit einem starken Prolog in Jerusalem ins weiße Trikot des besten Jungprofis. Er führte die Wertung mehrere Tage an und half auch bei der Sprintvorbereitung für den bereits dreifachen Etappensieger Elia Viviani. Im Hochgebirge darf er auf eigene Rechnung fahren. Sein großes Ziel: Rundfahrer, erzählt er beim Giro:
    "In der U23 lag mein Schwerpunkt anfangs noch im Zeitfahren. Aber im letzten Jahr ging es ganz gut berghoch auf hügligerem Terrain. Mein Traum ist es, in Richtung Klassementfahrer zu gehen." Behutsam tastet sich Schachmann an diesen Traum heran.
    Ständiger Lernprozess
    "Grand Tour ist natürlich der Wunsch vieler Fahrer. Ob das jetzt was wird, weiß ich nicht. Wochenrundfahrten, so wie die Kalifornienrundfahrt, Romandie - da war ich letztes Jahr schon in Schlagdistanz, obwohl ich noch nicht so viel Freiheiten hatte. Ich denke, da bin ich schon ziemlich konkurrenzfähig. Aber dennoch bin ich in einem Aufbauprozess."
    Dazu gehören auch Rückschläge. Am Zoncolan verteidigte sich Schachmann noch gut. In Sappada kam der schwarze Tag mit fast 30 Minuten Rückstand. Für den weiteren Lernprozess steht er am Dienstag das Zeitfahren an - eine Spezialität des Berliners. Bei einer beginnenden Rundfahrer-Karriere stellt sich natürlich auch die Frage: Wie will das ein junger Sportler bewerkstelligen bei all dem Wissen um die Dopingpraktiken in der Vergangenheit gerade bei Tour und Giro?
    Maximilian Schachmann auf dem Weg zum Monte Zoncolanbei beim Giro d'Italia 2018.
    Maximilian Schachmann auf dem Weg zum Monte Zoncolanbei beim Giro d'Italia 2018. (imago sportfotodienst)
    "Es ist am Ende so, dass damals mit unterstützenden Mitteln gefahren wurde, das ist richtig. Aber die Rennen wurden dann auch in der Spitze schneller gefahren am Berg. Die Distanz selber ist für jeden durchtrainierten Sportler zu bewältigen. Es wird natürlich hart hinten raus und viel im Kopf entschieden. Aber es ist machbar und in der Spitze ist es nicht mehr so schnell wie es früher war", meint Maximilian Schachmann.
    Das stimmt nur bedingt. Zum Teil werden die Anstiege mit dem selben Tempo wie einst hochgefahren. Einfluss darauf haben aber auch leichtere Räder und aerodynamische Finessen an Rad und Kleidung. Entscheidender Faktor zum Verzicht auf unterstützende Mittel ist die Haltung der jungen Fahrer selbst. Als Lehre aus der Vergangenheit gibt es im Jugendsport immerhin Dopingpräventionssprogramme und ein stärker sensibilisiertes Umfeld.
    Starker Jahrgang
    Die Chancen auf eine Karriere ohne Doping sind also größer als vor zehn Jahren. Gut so, denn gerade der 94er Jahrgang von Schachmann und Denz hält noch manch anderes Talent bereit: "Ja, unser Jahrgang ist extrem stark. Wir haben jetzt Max, Pascal Ackermann, Nils Politt. Wir sind da schon ein paar Leute", sagt Nico Denz.
    Sprinter Pascal Ackermann hat für Bora hansgrohe Top 3-Ergebnisse in der World Tour eingefahren. Katusha-Profi Politt wurde Siebter bei Paris - Roubaix. Vergessen hat Denz noch seine Jahrgangskollegen Phil Bauhaus, Max Walscheid und Silvio Herklotz. Sprinter Bauhaus holte für den Rennstall Sunweb bereits Etappensiege bei der Dauphiné und der Dubai Tour.
    Walscheid, ebenfalls ein Sprinter, ebenfalls Sunweb, wurde gerade Etappenzweiter in Kalifornien und schlug dabei auch Weltmeister Peter Sagan. Herklotz, derzeit beim spanischen Pro Continental Rennstall Burgos BH unter Vertrag, gilt als großes Rundfahrttalent.