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Giro d’Italia 2022
Kletterpartie mit Start in Ungarn

Viele Berge, kaum Zeitfahrkilometer, lange Transfers: Die 105. Ausgabe des Giro d'Italia wird in Ungarn starten. Doch bei den Radfahren stößt der Streckenverlauf auf wenig Gegenliebe. Marketingaspekte dominieren die großen Rundfahrten immer stärker.

Von Tom Mustroph | 01.05.2022
Der 105. Giro d'Italia endet am 29. Mai in Verona
Der 105. Giro d'Italia endet am 29. Mai in Verona (dpa / picture alliance / Claudio Martinelli )
Nach zwei Jahren Wartezeit geht es jetzt aber in Ungarn los. Und zumindest die politische Klasse des Landes freut sich darauf. 100 Tage vor dem Girostart gab es die "Nacht der rosaroten Lichter". Sehenswürdigkeiten aller 37 zu passierenden Städte in Ungarn wurden in rosa Licht getaucht, von der Freiheitsstatue in Budapest über die Burg Visegrad bis zur Tagore-Promenade in Balatonfüred.

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"Man sucht immer das Geschäft"

Bei den Rennställen sorgt der Auslandsstart so weit weg vom angestammten Giro-Gebiet allerdings für logistische Probleme. Giuseppe Martinelli vom Rennstall Astana:
"Wenn man im Ausland startet, sorgt das immer für einen gewissen Bruch. Aber die Tour beginnt in Dänemark, auch die Vuelta startet im Ausland. Man sucht immer das Geschäft, es ist eine normale Entwicklung. Aber die Teams bringt das ziemlich in Schwierigkeiten."

Zwei Giro d'Italia in einem Jahr

Sogar von gleich zwei Giro d'Italia in einem Jahr aus logistischer Sicht spricht Martinelli. Denn während ein Tross mit Mannschaftsbus und Materialwagen noch in Ungarn ist, macht sich ein zweiter Tross nach Sizilien auf, wo es nach den ersten drei Etappen in Ungarn weiter geht.
Auch aus ökologischer Perspektive ist ein Transfer von fast 2000 Kilometern absurd. Die Renndistanz selbst beträgt 3410 Kilometer.
Die Radprofis selbst konzentrieren sich vor allem auf das Sportliche. Bei ihnen steigt der Erwartungspuls. Emanuel Buchmann vom Team Bora hansgrohe:
"Ich freue mich schon auf den Giro, dass es losgeht nach der langen Vorbereitung."
Der deutsche Radrennfahrer Emanuel Buchmann vom Team Bora - hansgrohe, aufgenommen am 29.06.2017 am Rande einer Pressekonferenz in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen).
Der deutsche Radrennfahrer Emanuel Buchmann (Daniel Karmann/dpa/picture alliance)

Buchmann mit gedämpften Erwartungen

Buchmann ist einer von gleich drei Kapitänen beim deutschen Rennstall. Er geht aber mit etwas gebremsten Hoffnungen auf seine eigenen Ergebnisse ins Rennen.
"Im Moment bin ich nicht hundertprozentig fit, oder nicht wie ich es mir gewünscht hätte. Nach der Baskenlandrundfahrt war ich krank. Bis dahin war ich auf einem ganz guten Weg. Und da hat auch unsere Vorbereitung super geklappt. Dann mussten wir das ganze Höhentrainingslager um eine Woche verschieben."
Die 105. Ausgabe des Giro d'Italia wird in Ungarn starten. Ursprünglich sollte die Rundfahrt bereits 2020 in der ungarischen Hauptstadt beginnen, doch wegen der Corona-Pandemie musste der Grande Partenza damals abgesagt werden.
Die 105. Ausgabe des Giro d'Italia wird in Ungarn starten. Ursprünglich sollte die Rundfahrt bereits 2020 in der ungarischen Hauptstadt beginnen, doch wegen der Corona-Pandemie musste der Grande Partenza damals abgesagt werden. (dpa / picture alliance / Csaba Domotor)
Eine Bronchitis setzte Buchmann für eine ganze Weile außer Gefecht. Deshalb sind seine eigenen Ziele etwas nach unten korrigiert.
"Prinzipiell wäre schon ein Podium das Ziel gewesen, wenn die Vorbereitung optimal gelaufen wäre. Aber jetzt müssen wir mal schauen, wie es läuft. Es ist gerade schwer zu sagen. Ich will einfach gut durchkommen dieses Jahr, ohne Sturz, ohne Krankheit. Und ich denke, dass dann immer noch ein gutes Ergebnis möglich ist."

Vulkan Ätna als Schlüsselmoment der Rundfahrt

Vor allem will Buchmann seine beiden Co-Kapitäne Jay Hindley und Wilco Kelderman unterstützen. Die wurden 2020, als das erste Mal der Start in Ungarn geplant war, Zweiter und Dritter der Gesamtwertung, damals für den anderen deutschen Rennstall Sunweb. Kelderman beeindruckte damals schon als Schnellster der Favoriten auf dem Vulkan Ätna.
Der ist auch in diesem Jahr im Programm. Und er ist ein Schlüsselmoment in dieser Rundfahrt. Das meint jedenfalls Giuseppe Martinelli, sportlicher Leiter mit mehr als 40 Jahren Giro-Erfahrung erst auf dem Rad und später im Auto.
"Man kommt dort nach den ersten drei Tagen in Ungarn an. Es wird gleich sehr schwer. Der Anstieg am Punto Sapienza hat immer für Unterschiede gesorgt."

Bergetappen sorgen für wenig Begeisterung

Es ist der Beginn einer langen Kletterpartie. Fünf reine Bergetappen und sieben Tagesabschnitte mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad sind im Streckenplan des dreiwöchigen Rennens zu finden.
Auf mehr als 50.000 Höhenmeter summieren sich die Anstiege, etwa 4000 Höhenmeter mehr als im letzten Jahr. Das sorgt für gemischte Stimmung im Feld. Emanuel Buchmann:
"Ja, die 55.000 Höhenmeter, wenn an gut drauf ist, freut man sich auf so etwas. Wenn man nicht ganz so gut drauf ist, hat man ein bisschen mehr Respekt.“
Härteste Konkurrenten seines Teams sind der wieder erstarkte Ineos-Rennstall um Richard Carapaz, Giro-Sieger von 2019. Hinzu kommen der Portugiese Joao Almeida von Quick Step, der frühere Tourzweite Romain Bardet von DSM und Miguel Angel Lopez von Martinellis Astana-Truppe.
Die Entscheidung wird auf der vorletzten Etappe am 28. Mai am 2057 m hoch gelegenen Marmolada-Pass erwartet. Das nur 17 km lange Zeitfahren in Verona am Schlusstag dürfte für keine sehr großen Abstände sorgen.
Insgesamt gibt es nur 26 Zeitfahrkilometer. Der Giro 2022 wird eine reine Kletterpartie.