"Es war ein guter Giro, kein sehr guter", zog Ralph Denk, Chef des Teams Bora-hansgrohe, am Samstag im Dlf bereits Bilanz. "Die Messlatte lag hoch nach den zwei Etappensiegen des Vorjahres und mit dem Gesamtsieg", erklärte Denk. Klar ist bereits: Seine Equipe, die letztes Jahr in Jai Hindley den Giro-Sieger stellte, wird diesmal die Italien-Rundfahrt nicht gewinnen.
Denn vor der 21. und letzten Etappe am Sonntag stehen zwar wie im Vorjahr zwei Etappensiege von Nico Denz in der Bilanz, doch liegt Bora-Hansgrohe in der Teamwertung auf Rang sechs. Der beste Fahrer des deutschen Teams, Lennard Kämna, hat auf Rang neun liegend knapp acht Minuten Rückstand auf den neuen Gesamtführenden Primoz Roglic (Jumbo-Visma).
Vlasov-Ausfall ändert Taktik und erhöht Druck auf Kämna
Für den deutschen Hoffnungsträger war es eine ganz spezielle Italien-Rundfahrt. Denn neben einigen gesundheitlich angeschlagenen Helfern im Team machte Denk als kaum zu kompensierenden Einschnitt den krankheitsbedingten Ausfall des Russen Alexandr Vlasov bei der zehnten Etappe aus. So dass Kämna zum alleinigen Kapitän aufstieg und erstmals eine dreiwöchige Tour mit Fokus auf die Gesamtwertung fuhr.
"Der Ausfall von Vlasov hat uns wehgetan. Das hat natürlich den Druck auf Lennard deutlich erhöht. Im Nachhinein sind uns da taktische Varianten entgangen", unterstrich der 49-jährige Teamchef.
Denk ergänzte zum verstärkten Fokus auf Etappensiege nach dem Vlasov-Ausfall: "Wir wollen immer offensiv fahren. Das hatten wir auch dieses Jahr vor. Auf der anderen Seite wollten wir mit Vlasov eher sehr konservativ fahren, mit Kämna dann doch ein bisschen antizyklisch fahren und offensiver. Und das hat eben nicht mehr funktioniert, weil dann der gesamte Druck auf Lennard lag."
Zukünftige Kämna-Rolle im Team wird analysiert
Mit Kämnas Leistung zeigte sich Denk letztendlich aber zufrieden. "Ich würde schon sagen, dass es funktioniert hat", sagte Denk. "Bei einer so großen Rundfahrt in die Top-Ten zu fahren, das hat schon einen gewissen Wert und nicht so viele Deutsche vor ihm geschafft."
Schlussendlich müsse man aber demnächst mit Kämna nochmal in die Analyse gehen und abwägen: "Ist es das, was er will und ist es das, was wir wollen? Oder wollen wir wieder einen aggressiveren Kämna sehen, was seinem Naturell sogar noch einem Stück weit eher entspricht?"
Denks Strategiewechsel: Ziel noch nicht erreicht
Der Bora-hansgrohe-Teamchef zog im Deutschlandfunk-Gespräch auch eine Bilanz zum von ihm angestoßenen Strategiewechsel - weg von Ein-Tages-Rennen hin zu einem Team, das bei großen Rundfahrten im Gesamt-Klassement weit vorne landen soll.
Mit dem souveränen Platz beim Giro unter den Top-Ten sei die Entwicklung aber noch nicht abgeschlossen. Solche Platzierungen seien nicht das Ziel. "Die Entwicklung haben wir gemacht, damit wir um das Podium mitkämpfen. Das haben wir beim Giro dieses Jahr nicht geschafft. Vielleicht schaffen wir es dieses Jahr ja noch bei der Tour de France oder der Vuelta a España."