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Gisbert zu Knyphausen
Großes anhand von Kleinem erzählen

Sieben Jahre ist es her, seit das letzte Studioalbum von Gisbert zu Knyphausen erschienen ist. Die Lieder auf seinem neuen Album "Das Licht der Welt" sind noch introspektiver und zurückhaltender, warum hat er im Corsogespräch erläutert.

Gisbert zu Knyphausen im Corsogespräch mit Sascha Ziehn |
    Leise Leidenschaft: Liedermacher Gisbert zu Knyphausen
    Leise Leidenschaft: Liedermacher Gisbert zu Knyphausen (picture alliance / ZB)
    Sascha Ziehn: Gisbert zu Knyphausen hat von 2006 bis 2010 in Hamburg gelebt und sein Debütalbum veröffentlicht, ist dann weiter gezogen nach Berlin, 2010 ist sein zweites Album erschienen - und dann hat man erst mal nicht mehr so viel von ihm gehört. Jetzt, sieben Jahre später, ist sein neues Album unter eigenem Namen fertig. "Das Licht der Welt" - ist noch ein bisschen ruhiger, introspektiver als seine bisherige Musik. Wir hatten die Gelegenheit, uns mit Gisbert zu Knyphausen zu Corso Gespräch zu treffen, und haben ihn als erstes gefragt, warum das denn so lange gedauert hat, mit dem neuen Album - sieben Jahre sind eine lange Zeit.
    Gisbert zu Knyphausen: Das stimmt. Und 2012 hatte ich noch ein Album unter dem Namen "Kid Kopphausen" rausgebracht mit meinem Kollegen Nils Koppruch, der dann leider verstorben ist kurz nachdem das Album rauskam. Danach habe ich irgendwie erst mal so ein Jahr lang aus allem rausgezogen, mal eine Pause gemacht, meine Bude aufgeräumt und dann, ich weiß nicht, ich hab zwei Jahre lang beim Olli Schulz in der Band noch Bass gespielt, mit ihm seine letzte Platte aufgenommen und hab das genossen, einfach mal in einer Band zu spielen, ohne der Hauptmann sein zu müssen. Und dann -
    Ziehn: Warum ist das für Sie wichtig?
    zu Knyphausen: Dann habe ich irgendwie den Drive wiedergefunden. Und Lust gekriegt, ein neues Album zu machen.
    Ziehn: Ändert das auch so ein bisschen den Blick für die eigene Musik, wenn man auch in anderen Projekten mitmacht?
    zu Knyphausen: Ja, zumindest die Position auf der Bühne und in der Band ist ja eine ganz andere und dadurch habe ich vielmehr aufs Schlagzeug geachtet. Also so ganz banale Sachen ändern sich da. Man kriegt einen anderen Blick auf das Zusammenspiel der Band. Wenn ich vorne der Frontmann bin und singe, dann kriege ich nicht alle Details mit, die der Rest der Band so macht, aber als Bassist schon, da hat man alle im Blick und geht darauf ein.
    "Der Bassist ist das unauffällige Bindeglied zwischen den anderen"
    Ziehn: Ist es denn so, wie es das Klischee uns weismachen will, dass der Bassist so der Mann hinterm Vorhang ist, der am Ende aber die Musik so ein bisschen zusammenhält, zusammen mit dem Schlagzeuger?
    zu Knyphausen: Ja, zusammen mit dem Schlagzeuger. Ich alleine hätte die nicht zusammenhalten können, da durfte ich mich anlehnen an den tollen Schlagzeuger Ben Lauber. Aber der Bassist ist immer der Unauffälligste aus der Band, einen Schlagzeuger nimmt man ja noch viel eher wahr, allein wegen der ausladenden Bewegung und so. Und dem riesen Instrument. Man ist so ein unauffälliges Bindeglied zwischen den anderen Musikern. Zwischen Schlagzeug und dem Sänger und dem Rest der Band.
    Ziehn: Das neue Album das ist schon sehr, sehr ruhig. Geht auch sehr, sehr ruhig los und auf dem fünften Lied "Stadt, Land, Flucht" gibt es dann plötzlich so einen kleinen Ausbruch im Latin-Gewand. Was ist die Geschichte dahinter?
    zu Knyphausen: Die Latin-Note kam irgendwie durch den Posaunisten da rein, aber ich fand die total schön. Der Song handelt unter anderem von einem Typen, der sehr wohlhabend ist, viel erreicht hat in seinem Leben, aber trotzdem unzufrieden ist, nicht still stehen kann und immer wieder das Weite sucht und am Ende schreien in quasi seine Gedanken an: Bleibst du jetzt hier, bleibst du jetzt hier, bleibst du jetzt hier, oder was? Den Satz habe ich geborgt von Blixa Bargeld aus dem Song "Die Wellen", da sind noch zwei andere Zitate in dem Song, die auftauchen, weil, ich weiß nicht, ich wollte diese Jukebox, mit der viele Musiker im Kopf rumlaufen - oder ich zumindest rumlaufe, die mir immer wieder passende Songzitate zu allen Lebenslagen beschert -, der wollte ich mal eine Würdigung verschaffen. Und habe meinem Protagonisten in diesem Song diese Jukebox in den Kopf gepflanzt.
    Spiel mit Zitaten
    Ziehn: Ich kenne das auch mit dieser Jukebox, dass mir zu allen möglichen Sachen deutsche Hip-Hop-Zeilen einfallen, die ich auch immer wieder zitiere. Ist das eigentlich ein Problem, gerade als Textschreiber, wenn man so eine blöde Jukebox in der Birne hat, die einem immer wieder Sachen vorschlägt, die nicht von einem selber sind?
    zu Knyphausen: Nee, beim Texten hatte ich tatsächlich noch nie Probleme damit, aber beim Schreiben dieses Textes ist dieser Satz, den ich von Blumfeld zitiere, "Jeder geschlossene Raum ist ein Sarg", der ist mir so aufgeploppt und dann dachte ich, ah, mist, aber der ist ja so ein starker Satz und den kann ich nicht einfach so mal klauen und dann habe ich mir eben ein Spiel draus gemacht und versucht, noch andere Zitate unterzubringen. Ansonsten steht es mir beim Texten nicht so im Weg, ich glaube, es geht eher meinen Mitmenschen auf die Nerven manchmal - meiner Freundin.
    Ziehn: Ich finde, dass das alles, gerade am Anfang so sehr durchkomponiert wirkt, das Album. Dass jeder Song so einen kleinen Schritt weiter geht. Ist Ihnen das sehr wichtig, so ein Album als Album zu komponieren?
    zu Knyphausen: Auf jeden Fall, ja. Ich mag das Format Album total gerne, dass man auf so eine Reise mitgenommen wird im besten Falle. Die einen Anfang und ein Ende hat und so einen schönen Aufbau oder wellenartigen Verlauf oder so. Das ist mir schon sehr wichtig. Es werden natürlich immer weniger Leute, die sich so Zeit nehmen können oder Zeit nehmen wollen, so ein Album in ganzer Länge durchzuhören, in Zeiten des Streamings.
    Ein englisches und ein Instrumentalstück
    Ziehn: Der letzte Song auf dem Album "Das Licht dieser Welt" heißt Carla Bruno, warum denn das?
    zu Knyphausen: So heißt eine Katze an einem wunderschönen Ort in Südfrankreich, an dem ich sehr viel war die letzten fünf Jahre. Die Leute dachten zuerst, es wäre ein Kater und haben dann richtig hingeschaut und gemerkt, es ist ja eigentlich eine Katze. Deswegen hieß sie als erstes Bruno und dann Carla Bruno und ich fand das so wichtig und wollte das als Referenz zu diesem Ort, weil ich das Klavierstück auch dort geschrieben habe.
    Ziehn: Instrumentalstück.
    zu Knyphausen: Es ist ein Instrumentalstück genau. Nicht besonders virtuos gespielt, aber ich mags ganz gerne und es ist ein schöner Abschluss zum Album, führt einen schön hinaus und führt vielleicht dazu, dass man wieder auf Repeat drücken will.
    Ziehn: Sie haben mal gesagt, dass Sie angefangen haben, damals in englischer Sprache zu singen, haben das aber wieder gelassen, weil Sie sich zu sehr an Vorbildern versucht haben, wie Tom Waits zu klingen. "Cigarettes Citylights" singen Sie jetzt auf Englisch, an wem haben Sie sich orientiert?
    zu Knyphausen: Da waren vielleicht so Wilco-Songs eine Inspiration. Die ja Meister daran sind so ein Lied aufzubauen und auseinanderzubrechen. Das habe ich versucht, dann nachzumachen am Ende des Songs. Und ansonsten war die Melodie - aber das war eher so ein unbewusster Klau -, die liegt sehr an "I never met a girl like you before", das war mir am Anfang nicht so bewusst und dann habe ich's so drin gelassen, aber irgendwie ist es mir jetzt egaler geworden als früher, ob das nach meinen Vorbildern klingt oder nicht. Ich wollte das einfach mal ausprobieren, auf Englisch zu texten und mich darin ein bisschen ernster nehmen und zu gucken, wie das dann eigentlich klingt.
    "Ich mag so ganz detaillierte Kurzgeschichten"
    Ziehn: Kann man die großen Sachen am besten an Hand der kleinen Sachen erzählen?
    zu Knyphausen: Ja, ich finde schon. Anhand der kleinen Alltagsgeschichten haben die Leute vielmehr Platz für ihre eigenen Gedanken zu dem Thema oder so. Vielmehr Freiheit über die Geschichte hinaus zu denken. In meinen Texten kommen ja auch sehr viele allgemeine Aussagen vor. Ich versuche, beides unter einen Hut zu kriegen. Aber ich mag so ganz detaillierte Geschichten wie so Kurzgeschichten - zumindest in dem Song "Sonnige Grüße aus Khao Lak, Thailand" habe ich das probiert wie so eine Art Kurzgeschichte in den Song zu gießen.
    Ziehn: Genau diesen Song hatte ich im Hinterkopf, lustigerweise, als ich mir diese Frage überlegt habe. Weil Sie ja schon so Bilder entwickeln, so ein Wohnzimmer einrichten von einer Figur, über die Sie da singen. Wie machen Sie das?
    zu Knyphausen: Das kann ich gar nicht so gut beantworten, wie ich das mache. Ich bin ausgegangen vom Thema Alterseinsamkeit, vor allem in einer Großstadt, Menschen, die nur noch den Fernseher als sozialen Begleiter haben und vielleicht einmal im Jahr, an Weihnachten ihre Familie mal wiedersehen und setz mich dann an den Schreibtisch und versuche, das in schöne Worte zu fassen. Das dauert immer sehr lange, weil ich so sehr kritisch mit mir selbst bin, aber ich kanns gar nicht so sehr beschreiben, wie ich dann dahin komme.
    Ziehn: Können Sie denn sagen, wann Sie wissen, ob so ein Text, den Sie geschrieben haben, mehr ist und darüber hinausgeht und deswegen vielleicht auch andere Menschen erreichen kann?
    zu Knyphausen: Nee, das weiß ich immer erst, wenn ich das einmal jemandem vorgespielt habe. Und merke, dass er da vielleicht ganz andere Assoziationen zu hat als die, die ich im Sinn hatte, als ich den Song geschrieben habe. Ich spiel immer auch so angefangene Liedideen und fertige Lieder spiel ich Freunden vor oder meiner Freundin und guck, wie die reagieren und guck, wie ich mich dabei fühle, während ich das singe und dann weiß ich währenddessen eigentlich schon selbst, ohne dass die anderen was dazu sagen müssen, ob der Song jetzt fertig ist oder nicht, ob der irgendwas auslöst.
    Politische Haltung ohne politische Texte
    Ziehn: Ich habe ja so eine Theorie, dass es immer so Wellen oder Zyklen gibt, dass in einer Zeit die Popmusik eher so eskapistisch ist, also eher davon singt oder handelt, aus dem Alltag so abzuhauen und dann kommt wieder so eine andere Gegenbewegung, die eher so agitatorisch ist, die irgendwas verändern will. Ihre Songs sind eher so introspektiv. Warum sind Sie diesen Weg gegangen?
    zu Knyphausen: Zu meinen ersten Platten hatte ich irgendwie das Bedürfnis mich so auszukotzen und hatte irgendwie die Band Bright Eyes als Vorbild genommen, möglichst wortgewand über seine eigenen Schmerzzustände zu singen und jetzt hat sich der Blick ja schon so ein bisschen geöffnet, auch zu anderen Geschichten, aber ich hab das noch nicht so in mir gefunden, so ein explizit politischer Songwriter zu sein. Ich hab politische Haltungen, aber irgendwie sind da noch keine guten Texte draus geworden.
    Ziehn: Aber reizt einen das, gerade in solchen Zeiten mit Donald Trump und Erdogan und ich könnt noch tausend andere Sachen aufzählen, die gerade, ja, zumindest stutzig machen könnten. Reizt einen das als Songschreiber dann mal zu sagen, das möchte ich mal in einen Song packen?
    zu Knyphausen: Ja, reizt mich schon, aber wenn ich merke, da wird irgendwie kein schöner Song draus, dann will ich das nicht nur zu dem Zweck machen. Dafür gibt's ja auch zum Glück viele andere Songwriter, die das sehr gut können und diese Gedanken, die ich dazu hab, in gute Worte packen können. Da muss ich nicht unbedingt meine Meinung noch dazu ausposaunen. Ich fühle mich nicht so verpflichtet über all die politischen Themen zu singen, die so in mir umgehen.
    Ziehn: Jan Böhmermann hat sich vor ein paar Monaten über diese ganze gefühlsduselige Musik von deutschen Sängern lustig gemacht, von denen die Texte so ein bisschen nach so einem Wortbaukasten klingen. Können Sie darüber lachen als Musiker, der eben nicht gerade so einen Wortbaukasten hat?
    zu Knyphausen: Ja klar, kann ich darüber lachen, auf jeden Fall. Ich fand das sehr witzig die Idee dann solche Sätze aufzuschreiben und die Reihenfolge der Sätze auslosen zu lassen durch einen Schimpansen im Zoo, das fand ich schon sehr witzig.
    Ziehn: Gisbert zu Knyphausen, ganz herzlichen Dank!
    zu Knyphausen: Dankeschön! Danke für die Einladung.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.