Er weiß schon, was er kann. Wenn man zum ersten Mal als Sessionmusiker gebucht werde, sei das Glück. Wenn einen dieselben Leute nochmal buchen, dann sei es Können.
Deshalb kann er es sich auch erlauben, seine Fähigkeiten charmant klein zu reden. Steve Lukather: "Ich hänge mit richtig coolen Leuten ab, und deshalb glauben alle, dass ich es drauf habe."
"Hold the line", "Africa", "Rosanna" oder auch "I’ll be over you" - diese Hitsingles der kalifornischen Poprock-Band Toto aus den späten 70er- bis späten 80er-Jahren sind bis heute Allgemeingut in Radioprogrammen auf der ganzen Welt. Und es nicht nur Musik, die der Boomer-Generation gefällt. Eine kleine Stichprobe zeigt: auch 18 bis 20-Jährige kennen diese Songs, finden sie gut und können ihnen sogar den Bandnamen Toto unfallfrei zuordnen.
Nur vordergründig glatt
Weil es nicht einfach nur zugängliche Melodien sind, sondern weil sie auf einer feingliedrigen Rhythmik fussen, die das Nervensystem unterbewusst stimulieren und den Körper fast zwangsläufig in eine sanfte Schwingung versetzen. Das liegt an der geballten Könnerschaft hinter diesen vordergründig glatten Songfassaden. Als die Band Toto 1977 gegründet wurden, hatten ihre Mitglieder allesamt schon Dutzende von Einsätzen als professionelle Studiomusiker absolviert. Steve Lukather, geboren 1957, war noch etwas jünger als seine Kollegen. Schon das erste Album 1978 brachte den Durchbruch und ist mit mehr als vier Millionen verkauften Einheiten bis heute eines der erfolgreichsten von Toto.
Steve Lukather: "I was just a teenager when all this shit happened, only 19 years old."
Der große Jeff Porcaro
Kennengelernt hatten sich die Toto-Musiker noch an der High-School. Die Brüder Steve und Jeff Porcaro, Lukather, David Paich und David Hungate. Schlagzeuger Jeff spielte damals schon für die berühmte New Yorker Jazz-Pop-Rock-Band Steely Dan und wann immer er zuhause in Kaliforniern war, jammte er mit den anderen in einer Art Steely Tribute-Band. Diese älteren Band-Kollegen zählt Lukather bis heute zu den ganz wesentlichen Förderern und Möglichmachern seiner Karriere. Vor allem Jeff Porcaro, der 1992 viel zu jung und unter tragischen Umständen an einem Herzanfall starb.
Steve Lukather: "Jeff begann an mir Gefallen zu finden. Wir trainierten sozusagen zusammen, und ich habe so viel von ihm gelernt. Wenn ich ihn nicht getroffen hätte, wäre mein Leben wohl ganz anders verlaufen, daher verdanke ich ihm sehr viel. Für mich ist er der wohl beste Band-Schlagzeuger aller Zeiten, auch wenn manche mit mir darüber streiten würden. Ich habe mit den besten Drummern gespielt und ich liebe sie alle, aber es gab nur einen Jeff Porcaro. Er hatte eine kleine Extra-Portion Raffinesse, und dazu kam noch seine Persönlichkeit. Wenn Du Jeff gebucht hast, bekamst Du nicht nur einen der besten Schlagzeuger aller Zeiten. Er war auch sehr frei in seinen Ideen und Arrangements, und er sorgte einfach dafür, dass alle besser klangen!"
Proben müssen die anderen
Die Hitsingle "Hold the line" ist zwar bekannter, aber das dramatische "Goodbye Girl" vielleicht das bessere Beispiel für die kompositorischen und technischen Fähigkeiten von Toto schon zu ihren Anfangszeiten. Lukather selbst hielt sich damals als Schreiber noch bedeckt, weil er nach eigener Aussage zu eingeschüchtert war vom Talent seiner älteren Mitspieler. Aber das fiebrig-lyrische Solo gegen Ende des Songs zeigt, dass er auf Augenhöhe mit der vertrackten Rhythmus- und Keyboard-Arbeit der anderen ist.
Steve Lukather: "Wir haben nicht geprobt. Wenn einer eine Idee hatte, haben wir sie gleich umgesetzt. Wir haben im Studio geschrieben und bis spät in die Nacht aufgenommen. Wir waren Partylöwen, hatten Geld und Zeit. Ich war ein gefragter Sessionmusiker UND in einer Rockband – die beste Zeit meines Lebens!"
Und eigentlich war er da schon ein altgedienter Profi. Denn die musikalische Karriere von Steve Lukather begann extrem früh.
"Papa, das werde ich sein"
Steve Lukather: "Ich hatte meine erste Band, da war ich neun, und das erste Mal für Musik bezahlt wurde ich mit elf. Ich konnte diesen ganzen Scheiß einfach spielen. Ich war halt auch ein komischer Kauz - schlecht in der Schule, schlecht beim Sport, aber wenigstens hatte ich meine Gitarre. Das war wohl einfach meine Bestimmung. Als ich neun war, fragte mich mein Vater, wovon ich später mal leben möchte. Ich sagte: ich will Musiker sein, so wie die Beatles. Und mein Vater, der im Showgeschäft hinter der Kamera arbeitete, lachte nur, tätschelte mir den Kopf und sagte: Junge, da hast Du vielleicht eine Chance von eins zu einer Milliarde! Und ich guckte hoch und sagte: Papa, dieser eine werde ich sein!"
Als Jugendlicher übte Lukather nach eigenen Angaben wie besessen, dazu kam noch, dass er ein sehr gutes Gehör hat. So sei er in seinen frühen Cover- und Tanz-Bands meistens der beste Musiker, aber eben auch der jüngste gewesen.
Steve Lukather: "Ich habe sehr viel Zeit am Plattenspieler verbracht und dann all das auf der Gitarre gelernt, was im Radio gespielt wurde. Wenn es zu kompliziert war, habe ich mir einen älteren Typen, gesucht, der es schon spielten konnte. Mit 14 habe ich dann richtigen Musikunterricht in der Schule gehabt: Harmonielehre, Klavier und Orchestrierung und außerdem privat Gitarrenunterricht genommen. Und ich habe mir den Arsch abgeübt und in jeder Band gespielt, die es gab und jeden Auftritt mitgenommen, den ich kriegen konnte. Ich habe auch schon kleine Demo-Aufnahmen für andere gemacht, bevor die ins Studio gegangen sind. Ich habe also quasi Session-Erfahrung in der Unterliga gesammelt, bevor ich aufgestiegen bin. Und ab da wurde ich immer weiterempfohlen und weiterempfohlen."
Keine Ahnung, für wen wir hier spielen
Zu seinen ersten prominenten Arbeitgebern in den späten 70er-Jahren, ungefähr zur Gründungszeit von Toto, zählten Diana Ross und der Soft Rock-Singer-Songwriter Boz Scaggs. Auf dessen 1977er Album "Down two, then left" findet sich im Song "The Clue" das wohl erste dokumentierte Lukather-Solo.
Das Studio-Musiker-Dasein wählte Lukather wegen der Genre-Vielfalt, die sich ihm dadurch auftat. Parallel zur Karriere mit Toto spielte er in den 80ern und 90ern jedes Jahr zwischen 20 und 40 Sessions, und oft traf sich bei solchen Jobs fast die ganze Toto-Besetzung wieder. Die Arbeitsabläufe waren dabei extrem dichtgedrängt und manchmal auch – sehr anonym.
Steve Lukather: "Bei Donna Summer wusste ich nicht mal, für wen ich spiele. Wir saßen alle zusammen im Studio und haben drei oder vier Alben in nur ein paar Tagen aufgenommen. Sie legten uns einfach die Notenblätter hin. Das war wie in einer Fabrik. Und erst als es im Radio kam, merkte ich: ich spiele auf diesem Song mit! Manchmal ist es aber auch einschüchternd, wenn man mit einer Legende wie Aretha Franklin in einem Raum ist und sie direkt vor Deiner Nase singt. Du kannst ja nicht mal von Deinen Noten aufschauen, wenn Du etwas großartig findest, weil Du dann nicht mehr weißt, wo Du gerade bist!"
Gefragt war Steve Lukather als Studiogitarrist nicht nur wegen seiner geschliffenen Soli, sondern weil er im wahrsten Sinne ein Musiker ist, der dem jeweiligen Song dienen möchte. Auch wenn das bedeutet, nur Rhythmusakkorde fett klingen zu lassen und die Gesangslinie zu doppeln, wie auf Donna Summers Song "Looking up" von 1980.
Die Songs kennen alle
Insgesamt hat Steve Lukather über die Jahrzehnte hinweg auf mehr als Ein-tausend Alben mitgewirkt – das Daten-Portal "Allmusic" listet sogar 1.723, wobei darin auch viele Best Of-Kompilationen enthalten sind, für die in der Regel keine neuen Studioaufnahmen gemacht werden. Damit dürfte er einer der meistbeschäftigten Studiogitarristen seiner Generation sein. Jeder, der Radio hört, hat wohl schon einmal die Gitarre von Lukather gehört, auch wenn einem sein Name nicht geläufig ist. Auf Joe Cockers "Civilized Man" beispielsweise.
Oder auf "Running with the night", Lionel Ritchie’s Hitsingle aus dem Jahr 1983, wo Lukather gegen Ende hin fast zwei Minuten lang ins Rampenlicht tritt und dem Song einen fiebrig-nervösen Ausklang verleiht.
Und natürlich auf allen Songs, die vom bestverkauften Album der Musikgeschichte, Michael Jacksons "Thriller" jemals als Single ausgekoppelt wurden, also fast alle. Mit Produzent Quincy Jones hatte Lukather schon vorher gearbeitet.
Steve Lukather: "Jeder hat seine Spezialität. Bei mir ist es halt so: ich kann in eine Country, R & B, Hardrock, Pop oder Fusion- Session gehen und ich kann das alles spielen – und zwar, so, dass es echt klingt. Und nicht, als würde ich mich da irgendwie durchmogeln. Ich kann auch meine Gitarrenparts ändern. Zum Beispiel für Quincy Jones auf Michael Jacksons Song "Human Nature". Der Gitarrenteil stand vorher noch nicht fest, der ist von mir. Quincy sagte: das musst Du "funky" für mich machen. Das waren alles Ganztonschritte und viel Synthiezeug, und er brauchte halt was, das es mehr zum Swingen brachte. Und das habe ich ihm gegeben. Außerdem bekomme ich keine Angst, wenn das Rotlicht angeht."
Und er hatte eben nie musikalische Berührungsängste. Stilistische Neugier scheinen bei Steve Lukather einherzugehen mit großer Dienstbeflissenheit, ergänzt durch eine ebenso beträchtliche Prise Geschäftstüchtigkeit. So findet sich sein Name auch verlässlich auf Produktionen, die man nur mit gutem Willen nicht als kitschig oder schwülstig bezeichnen kann. Selbst denen verlieh er noch musikalisches Feuerknistern, ohne dabei den Rahmen zu sprengen, eher, indem er ihn sanft dehnte. Man kann das – wenn man es erträgt – auf Alben von Balladenpopper Michael Bolton oder von Country-Sänger Kenny Rogers erleben. Etwa im Song "All my life" von Rogers 1983er Album "We’ve got tonight".
Mit Pop hatte das nichts mehr zu tun
Am anderen Ende von Lukathers musikalischer Bandbreite steht dann Jazzrock und World Beat.
Steve Lukather: "Eine der schwierigsten Sachen, die ich je gemacht habe, war für den Perkussionisten Trilok Gurtu. Der hat mich irgendwann mal gefragt, ob ihn auf seinem Album spiele, und ich habe schon befürchtet, dass da so verrückte indische Zählzeiten drauf sind. Er meinte: nein, nein, das wird cool. Dann hat er mir die Tabulatur geschickt, und ich habe nur die oberste Zeile gespielt: das war ein Neun-Achtel-Takt, sehr schnell, die Töne wiederholten sich nicht und gingen immer "über" den Takt. Ich dachte nur: wow. Das war keine normale Popmusik, weder was das Spielen noch was das Lesen anging."
Und irgendwo zwischen diesen Extremen stehen dann Arbeiten wie die mit Chet Atkins aus dem Jahr 1985 auf dessen Album "Stay tuned". Im Song "Please stay tuned" wagte sich der Country-und Western-Picker zusammen mit Lukather in die etwas glattgebügelte Fusion-Jazz-Pop-Klangwelt, die an der US-Westküste damals auf gefühlt Tonnen von Instrumental-Alben produziert wurde. Da treffen Welten aufeinander, aber: sie bekriegen sie nicht. Auf jedes flirrend-verzerrte Lukather-Solo antwortet der damals 60-jährige Atkins gelassen mit fein perlenden Arpeggi auf der Halbakustik-Gitarre. Und am Ende spielen sie sogar zusammen.
Ein Produkt von allem, was er je gehört hat
Steve Lukathers Solospiel zeichnet sich durch geschmackvolle Melodik, durch extreme Bendings und flüssige Läufe bis in höchste Geschwindigkeiten, die aber bei weitem nicht so extrem sind wie etwa bei Steve Vai oder Joe Satriani, mit denen er befreundet ist und die er beide bewundert. Er selbst kann das wie viele Saitenzauberer nicht wirklich analysieren.
Steve Lukather: "Ich bin ein Produkt von allem, was ich je gehört habe. Als Kind war George Harrison mein erster Gitarrenheld. ….weiter mit OT Session and Style: Mein Stil besteht eigentlich nur darin, dass ich all das verinnerlicht habe: ausgehend von George Harrison und dann weiter mit Clapton, Beck, Hendrix und alles was danach passierte."
Auch auf seinen Soloalben schränkt sich Lukather stilistisch nicht ein, aber sie tendieren deutlich zu Rock und Hardrock, vor allem das erste "Lukather" aus dem Jahr 1989. Auf dem eben gehörten Song "Twist the knife" spielt der große Eddie Van Halen mit, fraglos einer der größten Innovatoren der Rockgitarre und ein enger Freund von Steve Lukather. Die von ihm erfundene Tapping-Technik, die diese typischen Klangkaskaden erzeugt, nutzte auch Lukather damals gerne.
Eddie forever
Steve Lukather: "Aber jetzt nicht mehr. Oder nur noch ganz gelegentlich. Als Eddie ins Rampenlicht kam, haben wir alle gedacht: wie zur Hölle macht er das? Und alle wollten den Trick lernen. Nur dass es für ihn eben kein Trick war, sondern Musik. Er hat die Musikwelt für immer verändert. Ich erinnere mich, wie er mir das Jump-Demo vorgespielt hat. Das wird eine Nummer Eins, Ed, sagte ich. Er meinte: David Lee Roth hasst es. Ich sagte: nicht, wenn es Nummer Eins wird. Die Welt hat offensichtlich einen großen Gitarrenhelden verloren. Aber ich habe meinen Freund verloren."
"Extinction Blues" von Steve Lukathers zweiten Solo-Album Album "Candyman" aus dem Jahr 1994 zeigt, dass dieser brillante Gitarrist auch ein guter Sänger ist – er singt nicht nur auf all seinen Alben, sondern tat es auch bei Toto, wenn das Sängerkarussell der Band gerade mal wieder in Bewegung geriet, was öfter vorkam. Diese Rolle hatte Lukather schon in seinen frühen Schülerbands inne, wider Willen.
Steve Lukather: "Ich war halt der einzige, der den Ton halten konnte, und das war noch vor meinem Stimmbruch (singt sehr hoch). In der Band von den Porcaros waren wir dann ganz viele Sänger, ziemlich gut eigentlich. Ich habe dann über die Jahre immer wieder Gesangsunterricht genommen….. Aber ich habe mich nie als echten Sänger gesehen. Und ich mache das nicht gerne im Studio. Live kann ich schon ein paar Nummern singen, auch weil ich inzwischen gelernt habe, in welcher Tonart ich sie am besten dafür schreiben muss. Dann macht das ab zu schon mal Spaß. Aber: ich würde nicht "Sänger" in meinen Lebenslauf schreiben."
Hipster-Listen sind das Letzte
Bei aller Bescheidenheit weiß Lukather natürlich genau um seine Möglichkeiten als Komponist und vor allem als Gitarrist. Und es ärgert ihn, dass handwerkliches Können wie das seine in der medialen Wahrnehmung von Rockmusik kaum noch eine Rolle zu spielen scheint.
Steve Lukather: "Wie kann man sagen, ich kann zwei Akkorde - ich bin ein Gitarrist. Nein, bist Du eben nicht, Du bist ein Hobby-Spieler. Man kann auch mit zwei Akkorden einen guten Song schreiben. Aber wer da immer alles in den Listen der 100 besten Gitarristen der Welt steht: Rolling Stones, Lou Reed, Kurt Cobain. Das sind verdammt großartige Songschreiber, aber sie sind NICHT die besten Gitarrenspieler der Welt. Das sind Listen, mit denen alte Hipster andere Leute ankotzen wollen, indem sie Joe Satriani, Steve Vai, Eric Johnson oder Michael Landau auslassen. So gehen die Hipster-Magazine mit allen um, die wirklich was können."
Da ist was dran. Was ihn ebenso ärgert – dass andererseits seine Band Toto für ihre Radiohits regelrecht angefeindet wurde.
Steve Lukather: "Oh yeah, this pussy-softrock-Band!"
Obwohl Toto immer wieder ebenso mächtige wie komplexe Rocksongs veröffentlicht wie "Caught in the balance" aus dem Jahr 1999.
Für eine Handvoll Dollar
Eines seiner eindrücklichsten Solo-Alben von Steve Lukather erschien im Jahr 2010. "All’s well that ends well". Darauf haderte Lukather mit dem Altern – "52 it sure came fast", mit üblen Machenschaften, die ihm im Musikgeschäft widerfuhren – und betrauerte den Tod seiner Mutter. "Darkness in my world."
Im Frühjahr 2021 ist Steve Lukather sehr genervt. Wie alle Musiker sitzt er zuhause statt auf Tour zu sein. Es sei, als sei man mit 1.000 Meilen gegen eine Backsteinmauer geknallt.
Auch als Studiodienstleister hat Steve Lukather seit der Jahrtausendwende nur noch wenig zu tun. Er spielt regelmäßig mit Ringo Starr, mit dem er so gut befreundet ist, dass der Beatles-Schlagzeuger seinen 80. in Lukathers Haus feierte. Auch Toto existiert weiter mit ihm als letztem aktives Gründungsmitglied, doch mit der Session-Herrlichkeit der 80er-Jahre ist es vorbei.
Steve Lukather: "Auf einmal gab es Laptops, und die Plattenfirmen fanden es super, dass Kids zuhause für fünf Mäuse ganze Platten aufnehmen konnten. Die Vorschüsse wurden mal eben um die Hälfte zusammengestrichen. Heute geben sie einem ein paar Hundert oder ein paar Tausend Dollar für ein Album und erwarten, dass man damit klarkommt. Session-Musiker leistet sich niemand mehr. Man braucht sie auch nicht mehr, denn heute kann ja jeder Idiot spielen."
Jeeeeesus, verschont mich
Außerdem ist in kommerzieller Hinsicht längst Hip Hop der RocknRoll der Gegenwart.
Steve Lukather: "Ja, aber diese Typen verkaufen nicht so viele Konzertkarten. Warum sollte man 50 Kröten zahlen, um sich im Grunde einen einzigen Song anzuhören. Der auch nur daraus besteht, dass ein Typ eine Platte auflegt und dazu rappt. Ich verstehe schon die kulturelle Bedeutung von Hip Hop, und ich stehe auch auf diese Dichtkunst, aber musikalisch finde ich es total langweilig. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich habe nichts gegen Rap. Jeder soll seine Hit-Platte haben. Aber welche Fähigkeiten braucht man dafür und kann man damit eine 45-jährige Musikkarriere haben so wie ich? Wahrscheinlich nicht.Es gibt natürlich Ausnahmen, die legendären Typen. Jay-Z, Kanye, aber der ist ziemlich draußen. Jeder denkt sich: Junge, Du bist ein Großmaul, hau ab! Nennt sich selbst Jeeesus, und dann stellt er sich auch noch neben Trump? Bitte, verschont mich!"
In all dieser Tristesse der Gegenwart fand Lukather im April 2021 immerhin Zeit für sein erstes Solo-Album seit acht Jahren.
Auf "I found the sun again" bietet Steve Lukather zupackende Hardrocksongs an, aber auch einige Cover von Songs, die er als Jugendlicher mochte. Die Arbeitsweise war bewusst schnell und unkompliziert, das komplette Gegenteil früherer Großproduktionen: alles live eingespielt, kaum zusätzliche Tonspuren, keine ausführlichen Proben. Lukathers Gitarrenspiel wirkt darauf zurückgelehnter, gelassener.
Etwas mehr Respekt, bitte!
Steve Lukather: "Ich glaube schon. Es gab eine Zeit, vor allem, als ich zuviel getrunken habe, in der ich versucht habe, besonders schnell zu spielen, auch mit Tapping. Da habe ich alles Mögliche versucht zu sein, außer: ich selbst. Und wenn ich ich selbst bin, dann bin ich am besten. Dann spiele ich melodisch und aufmerksam. Ich war oft sehr unglücklich und wurde sogar Alkoholiker. Da habe ich oft schlampig gespielt. Es gibt ein paar peinliche Sachen online, für die ich immer noch fertiggemacht werde, obwohl sie 20 Jahre her sind."
Lukather hat einen Gerichtsprozess mit der Witwe von Toto-Schlagzeuger Jeff Porcaro hinter sich, Management-Probleme, die Konzertflaute, aber er hat eben auch eine neue Partnerin gefunden, seine letzte Freundin, wie er sagt. Auch deshalb klingt "I found the sun versöhnlich und zuversichtlich" am Zeitpunkt einer Karriere, die ins Stocken geraten, aber sicherlich noch nicht vorbei ist.
Steve Lukather: "Meinetwegen kann man meine Musik hassen, aber ich verdiene ein bisschen Respekt dafür, dass ich 45 Jahre lang dabeigeblieben bin."