Archiv


Glänzende Aussichten

Der Goldbranche geht es nicht gerade blendend. In den vergangenen Jahren haben viele Staaten ihre Goldreserven abgebaut und damit den Weltmarktpreis gedrückt. Zudem gerät Gold als Schmuck zusehends aus der Mode; andere Metalle wie das Platin laufen ihm allmählich den Rang ab. Also sinnt die Goldindustrie nach anderen Wegen: Gold könnte künftig in Industrie und Technik eine größere Rolle spielen, so das Kalkül. Und tatsächlich: Das Supermetall besitzt bemerkenswerte Eigenschaften, ist zum Beispiel extrem korrosionsfähig und leitet den elektrischen Strom so gut wie kaum ein anderer Stoff. Und winzigste Klümpchen aus Gold könnten die Nanotechnologie erobern, als hocheffektive Abgaskatalysatoren oder als Schaltelemente für die Elektronik von Übermorgen.

Von Frank Grotelüschen |
    In den folgenden Tagen experimentierte Böttger mit einigen Lot Feinsilber, indem er dieses mit Quecksilber und geringen Mengen von Blei und Antimon, unter Beifügung verschiedener Chemikalien, zusammenschmolz und dann die einzelnen Bestandteile des Ganzen wieder voneinander schied. Ein langwieriger Prozess.

    So experimentierte er auch heute, nach Feierabend. "Christoph!", schrie er, sich aufreckend, plötzlich. Ihm war, als müsse er bersten vor Freude. "Christoph! Schnell!"

    Schrader stürzte heran. Böttgers Augen strahlten ihm entgegen. Wild durchjagte, durchhämmerte ihn sein Blut, so groß war seinen innere Erregung.

    "Fritz, was ist denn?"

    Dieser wies mit der Hand auf die Glasplatte. Neben dem sie hell bescheinenden Öllämpchen lag ein winziges, glänzendes Körnchen. "Gold!", stieß er laut hervor.


    Blei zu Gold verwandeln. Seit dem Mittelalter das Ziel der Alchimisten. Im frühen 18. Jahrhundert träumt auch Johann Friedrich Böttger diesen Traum. Und tatsächlich: Mit seinen Experimenten wird der Apothekerlehrling aus Berlin in die Geschichte eingehen.
    Jahrtausende lang galt Gold als das edelste aller Metalle, die stabilste aller Währungen, das wertvollste aller Schmuckstücke. Seit einiger Zeit aber bröckelt der Nimbus. Die Bedeutung des Goldes schwindet. Die golden Zeiten - sie scheinen vorbei.

    Die Goldreserven werden immer weniger als Grundlage unserer Währung betrachtet.

    Hubert Schmidtbaur, Chemieprofessor an der Technischen Universität München.

    Und deswegen geht dort das Horten von Gold in Tresoren oder in Fort Knox deutlich zurück. Fast alle Nationen bauen ihre Goldreserven als monetäre Rücklage ab. Der Goldbedarf geht also deutlich in anderer Richtungen und ist nicht mehr Grundlage der nationalen und internationalen monetären Systeme.

    Auch Münzen aus Gold spielen für den Zahlungsverkehr praktisch keine Rolle mehr. Heute dienen sie nur noch als Sammlerstücke. Und selbst die Schmuckbranche muss sich so ihre Gedanken machen.

    Wir haben immer noch Länder, in denen der Goldschmuck der wichtigste Ausdruck von Reichtum und Prestige bedeutet. Indien z.B. verbraucht mit Abstand das meiste Gold für Schmuckzwecke, gefolgt von Italien übrigens. Die Donna in Italien hängt sich gerne dicke Goldklunker um den Hals. In Deutschland geht's deutlich zurück. Und Länder in Asien wie Japan oder Korea sind bevorzugt auf Platin fixiert.

    Stagnierende Märkte, schwindende Reserven, nachlassendes Image. Nicht zuletzt deshalb ist der Goldpreis in den letzten Jahrzehnten drastisch gesunken.

    800 Dollar hatte man Anfang der 80er für eine Feinunze zu bezahlen, für 31,1 Gramm. Bis Ende 2002 war der Preis auf 250 Dollar gesunken.
    Auch wenn seitdem der Preis wieder gestiegen ist, genießt das Metall heute den zweifelhaften Ruf als schlechteste Kapitalanlage der Welt - unrentabel, unsicher, spekulativ. Alles andere als rosige Aussichten für die Goldminen und die Gold verarbeitende Industrie.

    Wenn der Goldpreis zu stark sinkt, ist die Goldgewinnung nicht rentabel. Deswegen muss man neue Anwendungsbereiche suchen, um das doch recht teure Gold wieder verkaufen zu können.

    Oktober 2003. In einem Luxushotel im kanadischen Vancouver tagen 200 Wissenschaftler - Forscher aus aller Welt, jeder befasst sich auf irgendeine Weise mit dem edlen Metall. "Gold 2003" so heißt die Konferenz, ist die erste ihrer Art. Veranstaltet wird sie vom World Gold Council, der internationalen Marketingorganisation der Goldminen mit Sitz in London.

    Unser Ziel ist es, die Nachfrage nach Gold zu steigern - ob beim Schmuck, im Finanzwesen, oder für neue industrielle Anwendungen.

    Christopher Corti, World Gold Council.

    Knapp 3000 Tonnen Gold werden jedes Jahr gefördert. Der Bedarf allerdings ist höher, er liegt bei knapp 4000 Tonnen. Der Rest kommt aus dem Recycling. Gold ist ein Metall, das schon immer wiederverwertet wurde. Ein paar Atome Ihres Eherings dürften schon von den alten Ägyptern gefördert und als Schmuck von den Pharaonen getragen worden sein.

    80 Prozent des jährlichen Goldbedarfs werden zu Schmuck - rund 3000 Tonnen. Die Industrie verarbeitet nur knapp 400 Tonnen, rund zwölf Prozent des Jahresbedarfs.

    Die große Industrieanwendung heute ist die Elektronik. Dort wird Gold wegen seiner guten Leitfähigkeit und seiner Korrosionsbeständigkeit genutzt. Da gibt es Goldkontakte, vergoldete Stecker und Buchsen, goldene Leiterbahnen. Der andere große Bereich ist die Zahnmedizin: Füllungen, Kronen und Brücken.

    Nur: Für keinen der beiden Märkte sehen die Experten große Wachstumschancen. Also sucht die Branche nach neuen Märkten. Die Vision: Gold als Hightech-Material der Zukunft.

    In die Industrie gehen heute rund 12% der jährlichen Goldnachfrage. In einem Jahrzehnt wollen wir den Anteil auf 24% verdoppelt haben!

    Was die Wissenschaft des Goldes angeht, so leben wir gerade in einer aufregenden Zeit. Da ist jede Menge los.

    Einmal hat man lange Zeit geglaubt, dass Gold absolut inert ist.

    Stephen Hashmi, Chemieprofessor an der Universität Stuttgart.

    Das 2. Vorurteil ist natürlich: Jeder auf diesem Planeten weiß, Gold ist sehr teuer. Die zwei Vorurteile haben das bisher immer verhindert. Jetzt ist das Ganze in Schwung gekommen.

    Reaktionsträge und teuer. Das waren Attribute, die bis vor zehn, 15 Jahren jedem Chemiker beim Stichwort Gold einfielen. Ende der 80er Jahre aber stießen japanische Forscher auf etwas Überraschendes: Gold ist chemisch gesehen gar nicht so reaktionsträge wie lange Zeit vermutet. Gold gibt einen passablen Katalysator ab.
    Ein Katalysator ist so etwas wie der Geburtshelfer einer chemischen Reaktion. Er bringt die Reaktion erst so richtig auf Trab, geht aber selbst völlig ungeschoren aus dem Geschehen hervor.

    Ein gutes Beispiel ist ein Abgaskatalysator, wo bisher Palladium und Platin im Zentrum des Interesses waren, während man in Zukunft auch Hoffnungen auf Goldkatalysatoren setzt.

    sagt Hubert Schmidbaur aus München. Das Prinzip: Nanometerkleine Goldkörnchen, aufgebracht auf ein poröses Trägermaterial, wandeln Stickoxide und Kohlenmonoxid um in harmlose Substanzen. Ein wenig Gold im Katalysator würde die derzeitigen Schwierigkeiten beim Kaltstart entschärfen, wenn der Kat auf den ersten Kilometern noch nicht so richtig funktioniert. Selbst nach einer frostigen Nacht könnte Gold das giftige Kohlenmonoxid in ungiftiges Kohlendioxid umwandeln. Noch aber ist das Zukunftsmusik. Zunächst müssen die Forscher die Effizienz und Haltbarkeit der goldhaltigen Abgaskatalysatoren verbessern. Aber bei einer Gasreinigung ganz anderer Art ist das edle Metall seit kurzem auf dem Markt.

    Es gibt ein kurioses Beispiel aus der japanischen Katalysatorforschung, wo Abluft auf Toiletten durch Durchleiten durch einen goldhaltigen Katalysator momentan geruchsfrei gemacht wird. Und wenn ein Katalysator da ist, der Schwefelverbindungen und alles mögliche praktisch momentan entgiftet und geruchsfrei macht, der hat einen Markt erschlossen.

    Chemisch träge ist Gold also nicht. Aber teuer?

    Ein Goldkatalysator ist billiger als ein Platinkatalysator. Das ist ein ganz wesentlicher Aspekt, ökonomisch gesehen.

    Einen großen Markt wittern die Experten für ein neues, hochinteressantes Aggregat - die Brennstoffzelle. Sie verbrennt Wasserstoff zu Wasser. In einigen Jahren soll sie die Märkte erobern - als Strom liefernder Heizkessel im Haus, als Schlüsselelement für neue Autoantriebe mit hohem Wirkungsgrad. Donald Cameron, The Interact Consultancy, Reading, England:

    Es gibt da eine bewährte Methode, den Wasserstoff für die Brennstoffzelle zu erzeugen - die Reformation von Erdgas. Dabei behandelt man Erdgas mit heißem Wasserdampf, wodurch der Wasserstoff aus dem Erdgas herausgelöst wird. Ein Goldkatalysator kann diese Reaktion deutlich beschleunigen, besser wohl als das heute benutzte Palladium. Und außerdem kann Gold als Abgaskatalysator wirken und das entstehende Kohlenmonoxid unschädlich machen, das sonst die Zelle vergiften würde.

    Damit das Gold wirkt, muss man es als ultrafeinen Staub, in Form von Nanoteilchen, in ein poröses Trägermaterial einbetten, sagt Donald Cameron. Ausgestattet mit diesem Katalysator soll eine Brennstoffzelle deutlich länger halten als die heutigen Prototypen. Eine Technik auf dem Sprung zur Marktreife. Irgendwann könnten Goldkatalysatoren auch bestimmte Produktionsprozesse in der chemischen Industrie auf Trab bringen.

    Gold kann Reaktionen katalysieren, die mit anderen Metallen, beispielsweise Palladium oder Platin, nicht möglich sind.

    Peter Claus, Chemieprofessor an der Technischen Universität Darmstadt.

    Das macht Gold so attraktiv.

    Gold lässt sich als feinster Staub herstellen mit Körnchen, die nur wenige Nanometer groß sind, wenige Millionstel Millimeter. Von der genauen Größe eines solchen Nanopartikels hängt es ab, welche Art von Reaktion es antreibt. Über die Größe der Körnchen können sich die Fachleute ihre Katalysatoren also maßschneidern - so die Idee.

    Die Chemiesparte des Mineralölkonzerns BP nutzt Gold bereits für die Synthese einer Vinylverbindung, eines Kunststoffs. Künftig soll Gold auch bei der Herstellung von Polyurethan-Kunststoff helfen, oder die Produktion ungesättigter Alkohole unterstützen, wie sie für die Parfümindustrie interessant sind. Der Haken:

    Da ist noch eine ganze Menge zu tun, um diese Reaktionen wirtschaftlich attraktiv zu machen. D.h. die müssen mit hoher Ausbeute, hoher Selektivität verlaufen.

    Oft sind die Goldkats noch zu instabil, sagt Peter Claus. Sie verlieren ihre Wirkung, etwa weil die winzigen Körnchen schlicht zusammenbacken.

    In naher Zukunft kann man aber sicherlich darauf bauen, dass einige Dinge Eingang finden im Bereich der Feinchemikalien,

    glaubt Stephen Hashmi aus Stuttgart.

    Zum Beispiel Medikamente oder Zwischenstufen dafür, die aber nicht in die Millionen Jahrestonnen gehen, sondern eine Tonne pro Jahr macht. Und trotzdem ein erheblicher Gewinn damit verbunden ist.

    Ein edler Spezialkatalysator für edle Spezialprodukte also.

    Doch warum gibt das an sich so reaktionsträge Gold überhaupt einen guten Katalysator ab? Graham Hutchings, Chemieprofessor an der Universität Cardiff, Wales:

    Ich wünschte, wir wüssten das. Es gibt da jede Menge Spekulationen. Manche Leute denken, dass es mit der Wechselwirkung der Goldkörnchen mit dem Träger zu tun hat, auf dem sie aufgebracht sind. Andere meinen, dass die Goldpartikel oxidiert sind, sich also mit Sauerstoff verbunden haben. Und wieder andere sind davon überzeugt, dass es wirklich das Gold selber ist, das aktiv wird. Um ehrlich zu sein: Wir wissen derzeit noch nicht, warum Gold ein derart guter Katalysator ist. So weit sind wir einfach noch nicht.

    Es mangelt also noch an Basiswissen; die Grundlagenforscher sind gefragt. Eine andere elementare Frage ist erst seit den 70ern beantwortet: Warum überhaupt ist Gold so edel und reagiert mit kaum einem anderen Stoff? Die Antwort verblüfft. Sie hängt unmittelbar zusammen mit der Relativitätstheorie von Albert Einstein.

    Beim Gold sind diese relativistischen Effekte besonders wichtig.

    Pekka Pyykkö, Professor für Chemie an der Universität Helsinki, Finnland.

    Das Gold ist mehr relativistisch als seine Nachbarn.

    Die Bindungselektronen, so hatte Pyykkö Mitte der 70er herausgefunden, sausen im Gold deutlich schneller um den Kern als bei anderen Elementen - und erreichen fast Lichtgeschwindigkeit. Nun weiß man seit Einstein, dass sich Teilchen nahe der Lichtgeschwindigkeit scheinbar absurd benehmen. Von außen gesehen legen sie an Masse zu, werden also schwerer.

    Man kann in sehr einfachen Worten behalten: Dann werden die Elektronen schwerer. Und die werden in die Nähe des Kernes sich rühren. Die Bindungsenergien zum Kern werden größer.

    Das bedeutet: Beim Gold sind die Bindungselektronen extrem stark an den Kern gefesselt. Deshalb können sie sich mit anderen Elementen nur schwer verbinden. Und:

    Das Goldatom ist relativ klein wegen dieser relativistischen Effekte.



    Böttger siedelte in die ihm vom König selbst angewiesen Räume im Residenzschloss über. Gerade trat Herr von Tschirnhaus mit ihm an das vergitterte Fenster und wies hinaus:

    "Unser schöner Hofgarten. Und nun weiter!"

    Böttgers Lippen entfuhr ein Jubelschrei. Mit weit aufgerissenen, ungläubigen Augen starrte er geradeaus, starrte nach rechts, nach links: Vor ihm dehnte sich ein helles, funkelnagelneues Laboratorium! Behälter, Kästen, Tiegel, Retorten, Kolben, Flaschen und Gläser ringsum! Öfchen glühten einen warmen Willkommensgruß.

    An dieses Laboratorium schließt sich Euer kleines Schreibzimmer an. Und endlich: Durch diese Klappe im Fußboden steigt Ihr in das Gewölbe für die groben Arbeiten hinab. Dort findet Ihr einen Gehilfen..."

    Tschirnhaus verschwieg es, dass dieser Gehilfe taubstumm war, dass die Ausgangstür vom Gewölbe hinauf in den Schlosshof für Böttger verschlossen war!





    Professor Danny Leznoff ist einer der 200 Forscher, der die Goldkonferenz in Vancouver besucht:

    Die Simon-Frazer-Dudelsack-Band fährt jedes Jahr zu einem Dudelsack-Wettbewerb nach Schottland. Und sie gewinnen, und zwar jedes Mal. Das ist schon bemerkenswert, wenn man bedenkt, woher sie kommen.

    Zu Leznoffs Labor sind es nur ein paar Kilometer. Es gehört zur Simon-Frazer-Universität, gelegen auf einem Berg mit wunderschönem Blick auf Vancouver. Supramolekulare Chemie, so heißt Leznoffs Gebiet. Wie Legosteine baut er verschiedenartige Moleküle zu Stapeln zusammen und schaut nach, ob diese Molekülstapel neue, interessante Eigenschaften zeigen - ob sie zum Beispiel magnetisch sind.

    Gold selber ist ja nicht magnetisch. Niemand würde auf die Idee kommen, einen Magneten aus Gold zu machen. Aber einige unserer molekularen Bausteine enthalten Gold, genauer gesagt Goldzyanide. Und zwar dient das Gold hier als extrem guter Klebstoff, der andere Moleküle miteinander verbindet. Denn Gold hat die besondere Eigenschaft, seinesgleichen magisch anzuziehen. Quasi die Selbstliebe des Goldes.

    Wir haben Polymermoleküle, die magnetische Metalle wie Nickel enthalten, mit Hilfe von Gold aneinander gekettet. Und dadurch haben sich die magnetischen Kräfte verstärkt.

    Das Resultat: Magnete aus Polymeren. Leznoff will sie mit winzigen Taschen ausstatten, in denen sich dann giftige Gase verfangen sollen. Die Idee: Sind die Taschen gefüllt, so ändert sich das Feld der Magneten. Damit hätte man einen simplen und billigen Gassensor.

    So, das hier ist das Labor. Zuerst der Büroteil, Computer, Regale mit Fachzeitschriften. Jetzt betreten wir das eigentliche Labor. Entschuldigen Sie das Rauschen. Das sind die Abzugshauben.

    Vielleicht fällt Ihnen etwas auf: Es riecht gar nicht nach Chemie. Das hat zwei Gründe: Die Goldchemie, die wir machen, spielt sich in Wasser ab. Und das ist ja geruchlos. Die anderen Versuche finden unter den Abzugshauben statt. Und hier arbeitet July.

    July Lefebre ist Doktorandin und kommt aus Montreal, also aus dem französischsprachigen Teil Kanadas. Vor ihr stehen lauter Töpfchen und Reagenzgläser mit Pulvern und Lösungen in sämtlichen Regenbogenfarben. Doch July greift zu einem Glas mit einem unscheinbaren, weißen Salz.

    Das hier ist Goldzyanid. Ich will es in Wasser lösen, also gebe ich etwas Wasser in das Gläschen. Jetzt stelle ich das Gläschen auf den Magnetrührer. Er rührt die Flüssigkeit automatisch um, damit sich das Goldzyanid besser löst.

    So - das weiße Pulver hat sich komplett aufgelöst, wie Zucker im Kaffee. Nun schütte ich in ein anderes Wasserglas etwas Kupfersalz. Das löst sich auch auf und wird zu einer blauen Lösung. Ich habe also zwei Salzlösungen vor mir, die eine farblos, die andere blau. Und jetzt schütte ich beide Lösungen zusammen. Heraus kommt eine trübe Flüssigkeit. Sie sieht aus wie Milch mit einem leichten Grünstich. Das ist ein Polymer, bestehend aus Kupfer und Goldzyanid.

    Allmählich setzt sich ein feines Pulver am Boden des Gläschens ab. July muss es noch filtern. Sie will herausfinden, ob sich das Pulver als Sensor eignet, ob es unter Zugabe anderer Substanzen z.B. die Farbe ändert, ins Blaue oder Dunkelgrüne umschlägt. Dann zeigt sie auf eine kompliziert gewundene Glasröhre.

    Hier reagieren die Lösungen so langsam miteinander, dass sich ein winziger Kristall formen kann, manchmal kleiner als ein Salzkorn. Mit diesem Kristall kann ich dann nach oben gehen, ins Kristallographie-Labor, um die genaue Struktur des Polymers herauszubekommen. Bis sich so ein Kristall gebildet hat, dauert es manchmal Wochen. Da muss man schon Geduld haben.

    Wie sieht das Polymer aus Kupfer und Goldzyanid im Detail aus? Besitzt es womöglich Taschen, in denen sich Gasmoleküle verfangen können? Um das herauszufinden, hat July den winzigen Kristall an einem Spezialhalter befestigt. Direkt daneben steht die Röntgenlampe. Halter und Lampe stecken in einer Plexiglasbox. Sie erinnert an ein Aquarium und soll die Forscher vor der Strahlung schützen. Jetzt schaltet July die Röntgenlampe an - und: das Rauschen des Detektors zeigt an, dass die Apparatur läuft. Automatisch dreht sich der Kristall im Röntgenstrahl. Dann hat der Computer die geeignete Stellung gefunden. Die Messung kann beginnen. Bis zu einer Woche kann sie sich hinziehen, erst dann wissen July Lefebre und Danny Leznoff, wie das Polymer im Detail aussieht.

    Auf der Konferenz in Vancouver sprechen die Experten über ein anderes Thema: Gold in der Medizin. Seit längerem schon verschreiben Ärzte ein goldhaltiges Präparat gegen die Rheumatische Arthritis. Es kann die Krankheit zwar nicht heilen, aber lindern. Edward Tiekink, Chemiker, Universität Singapur:

    Die Wirkmechanismen sind nicht so gut verstanden. Es sieht so aus, als ob das Gold nur als Vorstufe dient, als Plattform, die die eigentlich aktiven Moleküle zum Entzündungsherd bringt. Andere Fachleute meine, dass das Goldpräparat im Körper verstoffwechselt wird und erst seine Folgeprodukte wirksam sind. Aber was da genau passiert, das weiß wirklich keiner.

    Spannender, weil zukunftsträchtiger als die Arthritisbehandlung sind neue Ideen zur Krebstherapie, meint Tiekink.

    Unsere Forschungsergebnisse legen nahe, dass einige Goldpräparate sehr gut bei Nierenkrebs und einer bestimmten Art von Lungenkrebs anschlagen. Die getesteten Medikamente haben sich im Tierversuch als wirksamer erwiesen als die Arzneien, die heute auf dem Markt sind. Warum die Goldpräparate so wirksam sind, das wissen wir noch nicht.

    Gold als Krebsmedikament - für Edward Tieking eine viel versprechende Option. Doch noch müssen klinische Studien beweisen, ob die Präparate auch beim Menschen wirken. Und das dürfte zehn, wenn nicht 15 Jahre dauern. Michael Cortie, Physikprofessor an der Technischen Universität Sydney:

    Leider reagieren fast alle Metalle mit Sauerstoff, wenn man sie in Form von Nanoteilchen hat. Teilchen aus Eisen, Gold und Kupfer bedecken sich mit einer Oxidschicht - und sind damit keine Metalle mehr. Es gibt nur einige wenige Ausnahmen, Platin etwa - und vor allem Gold.

    Winzige Goldteilchen als Bausteine der Nanotechnologie. Eine weitere Vision, über die die Wissenschaftler in Vancouver diskutieren. Verschiedene Ideen machen die Runde. Goldteilchen, wenige Millionstel Millimeter groß, als Herzstück winzigster Transistoren. Goldatome, aneinandergereiht wie die Perlen auf einer Kette und zu einer Schraube verdreht als ultrafeine Drähte. Goldene Nanopartikel als Beschichtung für Fensterglas, die die Sommerhitze absorbiert und aus dem Gebäude fernhält.

    Goldbeschichtungen für Fensterglas gibt es schon seit den 70er Jahren. Diese Schichten enthalten recht große Goldpartikel und sehen deshalb auch golden aus. Das sagt natürlich nicht jedem zu. Außerdem ist ihre Herstellung ziemlich teuer. Wir versuchen es nun mit Nanopartikeln aus Gold. Dadurch erhält das beschichtete Fenster einen blaue Färbung oder einen neutralen grauen Ton. Die Farbe ist also gefälliger, und sie sind auch viel billiger herzustellen.

    Der Clou: Gold ist nur dann gelb, wenn es wie ein Goldbarren aus einem Stück besteht. Zerteilt man es in mikroskopisch kleine Klümpchen, sind diese Nanopartikel plötzlich pink, blau, grün, oder auch grau - je nachdem, wie groß sie sind. Jede Teilchengröße absorbiert eine andere Lichtwellenlänge und leuchtet daher in einem anderen Farbton. Das machten sich schon die Baumeister des Mittelalters zu Nutze. Sie mischten Glas mit ultrafeinem Goldstaub - und erhielten ein sattes Rubinrot, das noch heute in manchem Kirchenfenster zu bewundern ist.
    Auf den Spuren jener alten Meister wandelt nicht nur der Australier Michael Cortie, sondern auch ein Forscherteam aus den USA. Naomi Halas, Professorin für Chemie, Rice Universität, Texas:

    Nanoschalen bestehen aus einem Kern zumeist aus Glas und einer Schale aus Gold. Mit diesem Aufbau können wir die optischen Eigenschaften eines Teilchens regelrecht maßschneidern.

    Halas kann Goldschalen von unterschiedlichster Größe und Dicke herstellen. Manche Schalen sind dünn und haben einen großen Glaskern. Andere sind dick und besitzen einen kleinen Kern. Jeder Schalentyp verschluckt eine andere Lichtwellenlänge und leuchtet deshalb in einer anderen Farbe.

    Wir können Nanoschalen herstellen, die bestimmte Frequenzen im Infraroten absorbieren. In diesem Bereich ist der menschliche Körper nahezu durchsichtig, denn das Wasser absorbiert diese Strahlung nur wenig. Sie kann bis zu zehn Zentimeter in den Körper eindringen.

    Genau das macht die güldenen Nanoschalen zu Kandidaten für Anwendungen in der Medizin. Konkret arbeiten die Forscher an einer ungewöhnlichen Art von Krebstherapie.

    Bestrahlt man die Nanoschalen mit Infrarotlicht, so absorbieren sie es sehr stark und wandeln es anschließend in Hitze um. In gewisser Hinsicht sind die Nanoschalen kleine, aber höchst effektive Wärmespender. Reichert man diese Teilchen nun in einem Geschwür an, indem man sie mit Hilfe von tumorspezifischen Antikörpern an die Krebszellen bindet, und bestrahlt sie dann mit Infrarotlicht, so wird sich die Nanoschale um 25 Grad erhitzen und die Tumorzelle abtöten - so als würde man ein Ei pochieren.

    Bei Zellkulturen funktioniert das Prinzip, sagen die Forscher. Jetzt starten die ersten Tierversuche. Am Menschen wird das neue Konzept frühestens in zwei Jahren erprobt.




    Böttger arbeitete nun in seinem Laboratorium. Mit fiebernden Nerven war er ans Werk gegangen. Jetzt galt es! Die Probe! Die Feststellung: Hatte er in Berlin durch Umwandlung von Metallen Gold hergestellt oder nur in den verwendeten Metallen bereits enthaltene winzige Goldmengen ausgeschieden?
    Doch es dauerte eine ganze Zeit, ehe er an der Versuch herangehen konnte: Er musste sich erst wieder einarbeiten. Der erste misslang ihm gleich zu Beginn. Der zweite kam nicht viel weiter. Böttger geriet in fieberhafte Erregung.
    Ein nächster Versuch! Noch ein Versuch, und dann - wusste er es: Er hatte tatsächlich kein Gold gemacht! Mit leeren Augen stand er im Laboratorium. Was nun? Was nun?


    Eingesperrt von seinem König sollte Johann Friedrich Böttger vor 300 Jahren Blei zu Gold machen - ein hoffnungsloses Unterfangen. Vergebens waren Böttgers Experimente dennoch nicht. Sie ließen ihn später ein anderes edles Material entdecken - das Porzellan. Und heute? Heute lässt sich künstliches Gold herstellen, und zwar mit riesigen Teilchenbeschleunigern. Sie schießen Atomkerne mit voller Wucht aufeinander, wobei sich unter anderem Goldkerne bilden. Der Traum der Alchimisten - zwar ist er wahr geworden. Nur ist das Ganze derart teuer und aufwändig, dass es sich nicht im Entferntesten lohnt.

    Die Goldkonferenz in Vancouver nähert sich dem Ende. Chris Corti vom Veranstalter, dem World Gold Council, lehnt sich zufrieden zurück.

    Ja. Unsere Erwartungen sind erfüllt. Dass 200 Leute zu dieser Konferenz gekommen sind, beweist, dass da wirklich ein Bedarf ist. Und viele Teilnehmer haben mir gesagt, wie gut ihnen diese Konferenz gefallen hat, dass sie eine Menge neuer Leute kennen gelernt haben. Für mich war das hier ein Meilenstein auf dem Weg, Wissenschaft in kommerzielle Produkte zu überführen.

    Corti träumt einen verwegenen Traum. Medizin, Abgasreinigung, Nanotechnologie, chemische Katalyse - auf all diesen Gebieten soll sich das Edelmetall durchsetzen. Und tatsächlich: Ideen für lukrative Anwendungen gibt es viele, das hat die Konferenz in Vancouver gezeigt. Doch sie hat auch bewiesen, dass noch viele Hürden zu nehmen sind. Vieles steckt noch im Stadium der Grundlagenforschung.

    Literaturzitate aus: "Schaff Gold, Böttger! - Der Lebensroman des Porzellanerfinders Johann Friedrich Böttger", von J. Ch. F. v. Langermann, Wegweiser-Verlag, Berlin.
    Gold
    Gold (AP)