Michael Köhler: Vor welchen Herausforderungen stehen eigentlich sogenannte Kleinverlage, unabhängige Verlage, in der gegenwärtigen Welt des Buchmarktes und Buchhandels? Was sind das für Herausforderungen des Handels? Fragen der Rabattierung, des Vertriebs, der Vertriebswege in der Zeit, wo es nur noch Große zu geben scheint. Die Herausforderung durchs E-Book oder die Buchpreisbindung, das Kämpfen mit kleinen Auflagen und wenigen Mitarbeitern, überhaupt Überlebenschancen? Wie arm wären wir doch, gäbe es nicht diese schönen Verlage wie Weidle, Merve, Supposé, Matthes & Seitz oder andere. Das Feuilleton liebt sie jedenfalls, die Kleinverlage. Kann man davon aber gut leben?
– Darüber habe ich mit Andreas Rötzer gesprochen, er leitet den Matthes & Seitz Verlag, ein Verlag, der 25 Jahre lang geleitet wurde von Matthes & Seitz, Verlegern, von denen er 2004 übernommen hat. Ihn habe ich gefragt: Vor welchen Herausforderungen stehen Sie also? Sie sitzen ja zusammen mit anderen Kollegen am Wannsee bei dieser Tagung. Was sind die Herausforderungen?
Andreas Rötzer: Die größte Herausforderung momentan ist wahrscheinlich tatsächlich die Umstellung auf das E-Book, also wie vertreibt man in Zukunft Bücher. Das ist die Frage, die uns alle eigentlich umtreibt, mehr oder weniger. Und wenn man wenig Kapital hat, wie die meisten Kleinverlage, dann muss man sich sehr genau überlegen, wie man in das E-Book-Geschäft einsteigt. Und dass es in Zukunft ein relevanter Markt werden wird, das ist irgendwie allen klar.
Köhler: Es gibt Kleinverlage, ohne die wäre unsere intellektuelle Verlagslandschaft ärmer. Und das Feuilleton liebt sie ja teilweise. Supposé-Verlag wäre zu nennen, der Weidle-Verlag, der Merve-Verlag, der Verlag, dem Sie vorstehen, Matthes & Seitz, viele andere. Was ist da die größte Furcht: Furcht vor Fusion oder vom Handel nicht ernst und wahrgenommen zu werden. Oder vielleicht Finanzierungsfragen. Oder sind das alles Dinge, die man eigentlich bewältigen kann?
Rötzer: Ich glaube, die größte Angst ist, aus dem Buchhandel rausgeworfen zu werden, weil der Markt für den stationären Buchhandel immer schwieriger wird und weil im Internet eigentlich ein Monopol entsteht und dass man da immer schwieriger seine Bücher an die vorderen Plätze bringt, ohne das nötige Geld dafür zu haben. Wenn man kein großes Marketingbudget hat, wenn man wenig freie Exemplare, give aways, Plakate und so weiter hat, dann ist es einfach schwierig, in den Buchhandlungen zu landen beziehungsweise auch im Internet vorne gelistet zu werden.
Köhler: Herr Rötzer, was ist eigentlich ein Kleinverlag, ein Fünf-Mann-Unternehmen, was maximal Auflagen von 500 bis 1000 Stück macht, oder ein Wohnzimmerverlag? Nein, oder?
Rötzer: Ich finde den Begriff Kleinverlag auch ein bisschen unglücklich. Ich glaube, was Sie meinen ist ein unabhängiger Verlag. Und das sind konzernunabhängige Verlage, die verlegergeleitet sind und die unabhängig von vielen Fragen, die einen Konzernverlag umtreiben, ein Programm machen können und wollen. Dazu gehört eben auch eine gewisse, ja nennen wir es mal, Leidensfähigkeit beziehungsweise auch den Willen oder die Gefahr, kleine Auflagen einzugehen, was große Verlage nicht können.
Köhler: Das wäre vielleicht eine ganz gute Charakterisierung: Sie sind einerseits frei, haben die Freiheit, leidenschaftlich die Bücher zu machen, die Sie machen wollen, andererseits müssen Sie leidensfähig sein.
Rötzer: Genau.
Köhler: Geht den anderen das auch so, ist das so. Oder ruft man da schon mal nach Hilfe und sagt, uns wäre gedient mit etwas leichterer Kreditvergabe und solchen Dingen, oder wenn wir nicht vor verschlossenen Türen des Handels stehen, wo einige wenige das Geschäft dominieren?
Rötzer: Da kann ich nur von uns sprechen, also von Matthes & Seitz. Wir versuchen, mit einem attraktiven Programm, das eben auch ein breiteres Publikum bedienen kann, uns selbst zu retten.
Köhler: Sie haben zum Beispiel eine neue Essay-Reihe aufgelegt mal vor einigen Jahren?
Rötzer: Ja. Das Programm ist ja strukturiert in Sachbuch, das vorwiegend aus Essays besteht, längeren und kürzeren. Da gibt es zwei Reihen, die inzwischen relativ gut profiliert sind. Und das andere ist eben die Literatur. Und in der Literatur konzentrieren wir uns hauptsächlich auf französische, aber auch auf osteuropäische und russische Autoren. Und da sind wir eigentlich immer wieder überrascht worden von guter Resonanz auf sehr spezielle Titel wie zum Beispiel die "Erinnerungen eines Insektenforschers" von Jean-Henri Fabre. Oder die Resonanz auf die "Erzählungen aus Kolyma" von Warlam Schalamow war überwältigend. Das war zu Beginn, als wir uns dafür entschieden haben, ein enormes Risiko. Und ich glaube, dieses Risiko immer wieder einzugehen, eingehen zu wollen, aber dann auch von der Öffentlichkeit durch den Erfolg gestützt zu werden, das sind die beiden Pole, zwischen denen man sich so hin und her bewegt.
Köhler: ..., sagt Andreas Rötzer, er ist Verleger des Matthes & Seitz Verlages. Eine Tagung des Literarischen Colloquiums Berlin hat stattgefunden heute mit sogenannten Klein- oder unabhängigen Verlagen zur Zukunft und zur Zukunft ihres Geschäfts.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
– Darüber habe ich mit Andreas Rötzer gesprochen, er leitet den Matthes & Seitz Verlag, ein Verlag, der 25 Jahre lang geleitet wurde von Matthes & Seitz, Verlegern, von denen er 2004 übernommen hat. Ihn habe ich gefragt: Vor welchen Herausforderungen stehen Sie also? Sie sitzen ja zusammen mit anderen Kollegen am Wannsee bei dieser Tagung. Was sind die Herausforderungen?
Andreas Rötzer: Die größte Herausforderung momentan ist wahrscheinlich tatsächlich die Umstellung auf das E-Book, also wie vertreibt man in Zukunft Bücher. Das ist die Frage, die uns alle eigentlich umtreibt, mehr oder weniger. Und wenn man wenig Kapital hat, wie die meisten Kleinverlage, dann muss man sich sehr genau überlegen, wie man in das E-Book-Geschäft einsteigt. Und dass es in Zukunft ein relevanter Markt werden wird, das ist irgendwie allen klar.
Köhler: Es gibt Kleinverlage, ohne die wäre unsere intellektuelle Verlagslandschaft ärmer. Und das Feuilleton liebt sie ja teilweise. Supposé-Verlag wäre zu nennen, der Weidle-Verlag, der Merve-Verlag, der Verlag, dem Sie vorstehen, Matthes & Seitz, viele andere. Was ist da die größte Furcht: Furcht vor Fusion oder vom Handel nicht ernst und wahrgenommen zu werden. Oder vielleicht Finanzierungsfragen. Oder sind das alles Dinge, die man eigentlich bewältigen kann?
Rötzer: Ich glaube, die größte Angst ist, aus dem Buchhandel rausgeworfen zu werden, weil der Markt für den stationären Buchhandel immer schwieriger wird und weil im Internet eigentlich ein Monopol entsteht und dass man da immer schwieriger seine Bücher an die vorderen Plätze bringt, ohne das nötige Geld dafür zu haben. Wenn man kein großes Marketingbudget hat, wenn man wenig freie Exemplare, give aways, Plakate und so weiter hat, dann ist es einfach schwierig, in den Buchhandlungen zu landen beziehungsweise auch im Internet vorne gelistet zu werden.
Köhler: Herr Rötzer, was ist eigentlich ein Kleinverlag, ein Fünf-Mann-Unternehmen, was maximal Auflagen von 500 bis 1000 Stück macht, oder ein Wohnzimmerverlag? Nein, oder?
Rötzer: Ich finde den Begriff Kleinverlag auch ein bisschen unglücklich. Ich glaube, was Sie meinen ist ein unabhängiger Verlag. Und das sind konzernunabhängige Verlage, die verlegergeleitet sind und die unabhängig von vielen Fragen, die einen Konzernverlag umtreiben, ein Programm machen können und wollen. Dazu gehört eben auch eine gewisse, ja nennen wir es mal, Leidensfähigkeit beziehungsweise auch den Willen oder die Gefahr, kleine Auflagen einzugehen, was große Verlage nicht können.
Köhler: Das wäre vielleicht eine ganz gute Charakterisierung: Sie sind einerseits frei, haben die Freiheit, leidenschaftlich die Bücher zu machen, die Sie machen wollen, andererseits müssen Sie leidensfähig sein.
Rötzer: Genau.
Köhler: Geht den anderen das auch so, ist das so. Oder ruft man da schon mal nach Hilfe und sagt, uns wäre gedient mit etwas leichterer Kreditvergabe und solchen Dingen, oder wenn wir nicht vor verschlossenen Türen des Handels stehen, wo einige wenige das Geschäft dominieren?
Rötzer: Da kann ich nur von uns sprechen, also von Matthes & Seitz. Wir versuchen, mit einem attraktiven Programm, das eben auch ein breiteres Publikum bedienen kann, uns selbst zu retten.
Köhler: Sie haben zum Beispiel eine neue Essay-Reihe aufgelegt mal vor einigen Jahren?
Rötzer: Ja. Das Programm ist ja strukturiert in Sachbuch, das vorwiegend aus Essays besteht, längeren und kürzeren. Da gibt es zwei Reihen, die inzwischen relativ gut profiliert sind. Und das andere ist eben die Literatur. Und in der Literatur konzentrieren wir uns hauptsächlich auf französische, aber auch auf osteuropäische und russische Autoren. Und da sind wir eigentlich immer wieder überrascht worden von guter Resonanz auf sehr spezielle Titel wie zum Beispiel die "Erinnerungen eines Insektenforschers" von Jean-Henri Fabre. Oder die Resonanz auf die "Erzählungen aus Kolyma" von Warlam Schalamow war überwältigend. Das war zu Beginn, als wir uns dafür entschieden haben, ein enormes Risiko. Und ich glaube, dieses Risiko immer wieder einzugehen, eingehen zu wollen, aber dann auch von der Öffentlichkeit durch den Erfolg gestützt zu werden, das sind die beiden Pole, zwischen denen man sich so hin und her bewegt.
Köhler: ..., sagt Andreas Rötzer, er ist Verleger des Matthes & Seitz Verlages. Eine Tagung des Literarischen Colloquiums Berlin hat stattgefunden heute mit sogenannten Klein- oder unabhängigen Verlagen zur Zukunft und zur Zukunft ihres Geschäfts.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.