England, Frankreich und Portugal erreichen das Viertelfinale knapp und mit zurückhaltendem Fußball. Belgien und Italien scheiden aus, ohne in einem ihrer vier Spiele überzeugt zu haben. Auch die Niederlande fielen eher mit begeisternden Fans als mit brillanter Offensive auf. Sechs Teams mit großen Namen, die bei der EM durchaus als Mitfavoriten gelten können oder konnten.
Dabei ähneln sich die Gründe für die Schwierigkeiten bei den Viertelfinal-Teilnehmern: Bei der englischen Mannschaft hat etwa der ehemalige Premier-League-Spieler und ZDF-Experte Moritz Volz den Trainer als Problemfall ausgemacht: Gareth Southgate wechsle „konservativer als die Torries“, bemerkte er im Spiel gegen die Slowakei. England rettete sich nur mit viel Glück gegen die Slowakei.
Auch die französische Mannschaft erspielt sich mit den wohl besten Einzelspielern aller Teams wenige zwingende Torchancen. Nach vier Spielen hat die Mannschaft nur Treffer durch zwei gegnerische Eigentore und einen verwandelten Elfmeter erzielt.
Starke gegnerische Verteidigung
Auf der anderen Seite stehen teils brillante Defensiven: Das beste Beispiel bot Slowenien. Nach einigen guten Chancen der Portugiesen zu Beginn des Halbfinals ließen die Slowenen kaum noch etwas zu.
Portugal versuchte es allerdings auch durchgängig risikoarm – zwischen viele Rückpässe mischten sich Vorstöße über die Außenbahnen. Potenziell gefährliche Pass-Stafetten durchs Zentrum unterließ die Mannschaft von Trainer Roberto Martínez zumeist. Dabei wäre das Mittelfeld mit João Palhinha, Vitinha, Bruno Fernandes und Bernardo Silva nahezu ideal besetzt, um auf engem Raum schnell und zielstrebig zu kombinieren. Der ebenfalls flinke und kreative João Felix wurde erst gar nicht eingewechselt.
Was fehlt also, um furios und offensiv zu spielen. Der Wille und der Mut dazu, so scheint es. Spieler und Trainer dieser großen Mannschaften haben offenbar das Schreckgespenst des Ausscheidens gegen eine vermeintlich schwächere Nation im Nacken.
Deutschland, Österreich, Spanien als Gegenbeispiele
Dabei gibt es Gegenbeispiele: Die deutsche Mannschaft bemüht sich um eine variable, spielfreudige Offensive. Österreich spielt hervorragenden Fußball. Oder noch stärker: die spanische Mannschaft. Die Spanier kombinieren seit Beginn des Turniers mit Geschwindigkeit, gutem Zusammenspiel und Kreativität und überfordern die gegnerischen Abwehrreihen damit reihenweise.
Auch der frühe Rückstand gegen durchaus starke Georgier brachte Spanien nicht aus dem Konzept. Vier Tore gaben zwar den Spielverlauf nicht vollständig wieder. Doch alle Treffer entstanden aus dem Spiel heraus. Ein deutlicher Hinweis auf die Spielfreude Spaniens.
Was steht also zu befürchten? England, Frankreich und Portugal könnten ihr Weiterkommen als Bestätigung nehmen und weiterhin risikoarm auftreten. Es hat ja bisher geklappt, wenn auch nur irgendwie.
Die Hoffnung könnte sein: Die weiteren Gegner sind weniger defensiv eingestellt und lassen eher Möglichkeiten zu. Außerdem reichen gegen zunehmend stärkere Gegner die bisherigen Taktiken ohnehin nicht mehr – nur mit beherztem Spiel und Risiko kann man dann mehr erreichen. Für das Turnier bleibt zu hoffen, dass Trainer und Spieler diesen Schluss ziehen und entsprechend mutig auftreten … oder bald ausscheiden.