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Glas als schönster aller Edelsteine

Den Namen Tiffany verbinden viele mit dem New Yorker Juweliergeschäft. Berühmt für seine schimmernden Jugendstil-Vasen war aber vor allem der Sohn jenes legendären Juweliers, Louis Comfort Tiffany. Von New York über Paris, Wien und Tokio rissen sich die Museen um die Glaskreationen des Künstlers, der vor 75 Jahren starb.

Von Carmela Thiele |
    New York um 1900: Die Industrialisierung beherrscht seit zwei Generationen die amerikanische Metropole. Es boomt nicht nur das Geschäft mit Konsumartikeln, auch Luxuswaren für das repräsentative Heim sind gefragt. Führend in dieser Rubrik ist Tiffanys Glasmanufaktur, in der Vasen, Lampen und Fenster aus farbigem Glas hergestellt werden. Louis Comfort Tiffany erzielt zwar nicht die Gewinnmargen seines Vaters, der mit seinem Juweliergeschäft reich wurde, doch hat er dessen Talent zum Marketing geerbt.

    Der 1848 geborene Tiffany Junior gestaltet und verkauft nicht nur, er weiß sein Angebot auch zu inszenieren. Ein Reporter des Commercial Advertiser beschreibt am 13. Februar 1899 die Ausstellung in den Tiffany Studios:

    "Man schreitet von der Hektik und dem Glanz der Fourth Avenue bei der 23. Straße mit all ihrer aggressiven Modernität fast ins Mittelalter, in eine Oase der Stille und der Rast. Man hört zwar noch den Lärm der Fahrzeuge, aber entfernt und gedämpft, wie das Licht, das durch das farbige Glas hineinfällt."

    Für Louis Comfort Tiffany ist Glas "der schönste aller Edelsteine". Den Sinn für leuchtende Farben entwickelt er als junger Maler auf einer Europareise. Die mittelalterlichen Kirchenfenster von Chartres begeistern ihn ebenso wie die byzantinischen Mosaiken von Ravenna. Obwohl Tiffany zunächst mit Landschaftsimpressionen und realistischen Stadtszenen in den USA reüssiert, beginnt er in den 1870er Jahren mit dem Werkstoff Glas zu experimentieren.

    1881 meldet er, inzwischen Mitglied der National Academy of Design, ein Patent für opalisierendes Fensterglas an. Opalisierend meint das vielfarbige Perlmutt-Schimmern der Oberfläche. Um immer neue Oberflächenstrukturen zu schaffen, arbeitet Tiffany in den neunziger Jahren mit einem englischen Glasexperten und einem Chemiker zusammen; er gestaltet ganze Räume, unter anderem im Weißen Haus in Washington.

    Sein Leben lang hielt das Multitalent seine für Bibliotheken und Kirchen geschaffenen Glasbilder für die wichtigsten Werke. Die noch heute populären Tiffany-Lampenschirme ließ er in seiner Retrospektive 1916 so gut wie unberücksichtigt, waren sie doch aus dem Abfall der monumentalen Glasfenster entstanden. Die zeitgenössischen Kritiker indes waren sich einig, dass seine zarten, kostbar schimmernden Jugendstil-Vasen unvergleichlich seien:

    "Tiffanys Talent beschränkt sich fast ausschließlich auf die Farbe, aber seine Vasen sind über jede Kritik erhaben. In diesen scheinbar formfreien Dekorationen befinden sich Ornamente von höchster Originalität, und die Farbeffekte zaubern einen einmaligen und in jeder Hinsicht perfekten Glanz hervor."

    Otto von Bentheims Urteil von 1899 in der Zeitschrift Dekorative Kunst. Tiffanys elegante Kreationen hatten um diese Zeit bereits Europa erobert. Der Pariser Kunsthändler und Japonismus-Exeget Siegfried Bing hatte fünf Jahre zuvor auf einer Amerikareise die Bekanntschaft des umtriebigen Glas-Designers gemacht. Daraufhin stellte Tiffany für Bing Bleiglasfenster nach Entwürfen der Spätimpressionisten her. Das von Henri Toulouse-Lautrec entworfene Glas befindet sich heute im Musée d’Orsay in Paris. In einem Brief an Arthur von Scala, den Direktor des österreichischen Museums für Angewandte Kunst, berichtet Siegfried Bing im August 1897 vom Erfolg des Amerikaners:

    "Vermutlich haben Sie bereits von den Kunstgläsern gehört, die Tiffany in New York produziert und die alle, die diese Arbeiten in Amerika oder in meiner Galerie gesehen haben, sehr beeindruckten. Ich habe solche Arbeiten bereits an französische Museen wie Luxembourg, Sèvres, das Musée des arts décoratifs in Paris und in Limoges sowie an Museen in Brüssel, Sankt Petersburg und andere verkauft."

    Tiffany, der am 17. Januar 1933 in New York starb, gilt heute als markantester Vertreter des Jugendstils in Amerika. Seine üppigen floralen Gestaltungen wurzeln jedoch nur beschränkt in industriekritischen, sozialreformerischen Ideen, wie sie der Vater der Bewegung, der Brite William Morris vertreten hatte. Tiffany lag zwar daran, erschwingliche schöne Dinge unter das Volk zu bringen, doch blieb er bei all seinen Aktivitäten Unternehmer mit einer Obsession für die Schönheit der Natur. Vielleicht hing diese Leidenschaft mit seinem Privathaus Laurelton Hall zusammen, das romantisch im Grünen lag. Das vermutete jedenfalls sein Kollege Samuel Howe in einem Beitrag für "House and Garden" von 1906:

    "Viele Jahre hat sich hier ein Maler dem seltsamen Studium gewidmet, die Schönheit der Natur auf die Elemente der Dekoration zu übertragen. Hier hat er zwanzig Jahre gelebt, gearbeitet, ausgeruht und wieder gearbeitet. Der Garten ist seine Schule, die Blume seine Kameradin, seine Freundin, seine Inspiration."