Das Molekül dieser Woche heißt: Fensterscheibe. Da sage noch einer, Chemiker seien humorlos und ihre Nomenklatur kompliziert und staubtrocken. Wenn ein Stoff in seiner molekularen Gestalt tatsächlich so aussieht wie ein Fenster mit Rahmen und Sprossenkreuz in der Mitte, dann darf er auch ganz offiziell so heißen: Fenestran. Das ist lateinisch und leitet sich ab von Fenster.
"Dieser Begriff ist meinem Kollegen Vlasios Georgian eingefallen, der sich damals überlegte, ob man eine solche Verbindung wohl synthetisieren könnte. Er fand, Fensterscheibe sei ein treffender Name für ein Molekül mit vier identischen Ringen um ein gemeinsames Kohlenstoffatom."
Das war vor fast 40 Jahren. Martin Saltzman, zuletzt Professor für Naturwissenschaften am Providence College in den USA, forschte damals zusammen mit dem gebürtigen Griechen Georgian.
Die molekularen Ringe muss man sich als Quadrate vorstellen, wie ein Fenster mit vier gleich großen Scheiben. Fenestran war als vollkommen flaches Molekül gedacht, in dem acht Kohlenstoffatome den Rahmen aufspannen und eines zentral in der Mitte sitzt - alle über 90-Grad-Winkel miteinander verbunden.
Würde eine solche Struktur stabil sein?, fragten sich Saltzman und seine Kollegen:
"Es ist immer eine Herausforderung auszuprobieren, ob man die Natur überlisten kann. Darum ging es auch hier. Die Natur von Kohlenstoff ist es, Tetraeder auszubilden, wenn seine vier Bindungspartner ebenfalls Kohlenstoffatome sind. Stellen Sie sich eine Pyramide vor mit einem Kohlenstoffatom im Zentrum und den anderen in den Spitzen. Die Bindungswinkel darin betragen rund 109 Grad. Das ist optimal. So haben die sich gegenseitig abstoßenden Bindungselektronen den größtmöglichen Abstand zueinander. Fenestran dagegen zwingt dem Kohlenstoff eine andere Gestalt auf."
Doch der Kohlenstoff wollte sich am Ende nicht so verbiegen lassen. Die molekulare Fensterscheibe zersprang den Forschern. Noch bevor jemals der Versuch gestartet wurde, es herzustellen, zeigten theoretische Überlegungen, dass ein so flach gedrücktes Kohlenstoffmolekül niemals stabil sein könnte. Möglich schien allenfalls das Aneinanderknüpfen von drei Glasscheiben, nicht aber von vieren, die es für ein komplettes Fenster gebraucht hätte.
So brachte man nur, wie manche scherzten, eine Zerbrochene Fensterscheibe zustande. Über die flachen Fenestrane wird noch immer gelegentlich geforscht. Chemiker hoffen, mehr über die Stabilität von organischen Kohlenstoffverbindungen zu erfahren, wenn sie immer neue Fenstermoleküle mit anderen Strukturen im Rechner erschaffen und testen. Auch Laien lernen etwas aus den Versuchen der atomaren Fensterbauer: In der Chemie gibt es nicht nur Moleküle mit sperrigen Namen, sondern auch mit sehr einprägsamen.
Links zum Thema
Scienceblogs: Molekül des Tages
Regierung von Neuseeland: Te Ara; Laurenen
Weitere Beiträge der Reihe: Molekül der Woche
Deutschlandfunk-Reihe zum UN-Jahr der Chemie 2011
"Dieser Begriff ist meinem Kollegen Vlasios Georgian eingefallen, der sich damals überlegte, ob man eine solche Verbindung wohl synthetisieren könnte. Er fand, Fensterscheibe sei ein treffender Name für ein Molekül mit vier identischen Ringen um ein gemeinsames Kohlenstoffatom."
Das war vor fast 40 Jahren. Martin Saltzman, zuletzt Professor für Naturwissenschaften am Providence College in den USA, forschte damals zusammen mit dem gebürtigen Griechen Georgian.
Die molekularen Ringe muss man sich als Quadrate vorstellen, wie ein Fenster mit vier gleich großen Scheiben. Fenestran war als vollkommen flaches Molekül gedacht, in dem acht Kohlenstoffatome den Rahmen aufspannen und eines zentral in der Mitte sitzt - alle über 90-Grad-Winkel miteinander verbunden.
Würde eine solche Struktur stabil sein?, fragten sich Saltzman und seine Kollegen:
"Es ist immer eine Herausforderung auszuprobieren, ob man die Natur überlisten kann. Darum ging es auch hier. Die Natur von Kohlenstoff ist es, Tetraeder auszubilden, wenn seine vier Bindungspartner ebenfalls Kohlenstoffatome sind. Stellen Sie sich eine Pyramide vor mit einem Kohlenstoffatom im Zentrum und den anderen in den Spitzen. Die Bindungswinkel darin betragen rund 109 Grad. Das ist optimal. So haben die sich gegenseitig abstoßenden Bindungselektronen den größtmöglichen Abstand zueinander. Fenestran dagegen zwingt dem Kohlenstoff eine andere Gestalt auf."
Doch der Kohlenstoff wollte sich am Ende nicht so verbiegen lassen. Die molekulare Fensterscheibe zersprang den Forschern. Noch bevor jemals der Versuch gestartet wurde, es herzustellen, zeigten theoretische Überlegungen, dass ein so flach gedrücktes Kohlenstoffmolekül niemals stabil sein könnte. Möglich schien allenfalls das Aneinanderknüpfen von drei Glasscheiben, nicht aber von vieren, die es für ein komplettes Fenster gebraucht hätte.
So brachte man nur, wie manche scherzten, eine Zerbrochene Fensterscheibe zustande. Über die flachen Fenestrane wird noch immer gelegentlich geforscht. Chemiker hoffen, mehr über die Stabilität von organischen Kohlenstoffverbindungen zu erfahren, wenn sie immer neue Fenstermoleküle mit anderen Strukturen im Rechner erschaffen und testen. Auch Laien lernen etwas aus den Versuchen der atomaren Fensterbauer: In der Chemie gibt es nicht nur Moleküle mit sperrigen Namen, sondern auch mit sehr einprägsamen.
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