Kohle sei nicht nur der größte Einzeltreiber für den Klimawandel, sondern auch "die einfachste Möglichkeit, tatsächlich die Emissionen zu reduzieren", sagte Andreas Löschel im Deutschlandfunk. Insofern zeigte sich der Energieexperte der Ruhr-Universität Bochum erfreut über die Vereinbarung zahlreicher Teilnehmerstaaten der UN-Klimakonferenz in Glasgow. Zugleich mahnte er an, dass auch Länder wie China, Indien oder die USA konsequent sein und sich ebenfalls zu einem baldigen Ausstieg bekennen müssten.
Mit Blick auf steigende Energiepreise für Öl und Gas sei leider auch hierzulande zu befürchten, dass die Verstromung von Kohle wieder verhältnismäßig günstig werden könnte. Löschel: "Das bedeutet aber, die Emissionen werden wieder ansteigen, auch in Deutschland, und da muss man gegenhalten, zum Beispiel durch eine ganz konsequente Bepreisung von CO2, die dann die sehr klimaschädliche Kohle auch besonders teuer macht." Es müsse aber sichergestellt sein, dass teurere Energiequellen wie z.B. Gas und Öl auch für einkommensschwächere Haushalte tragbar blieben.
Kohleausstieg in Deutschland schon 2030 möglich
Löschel zeigte sich optimistisch, dass ein Ausstieg aus der Kohle in Deutschland bereits 2030 gelingen werde – und somit acht Jahre früher als bislang vorgesehen. "Wir haben ja mit dem europäischen Emissionshandel ein Instrument, das die CO2-Bepreisung tatsächlich zentral in den Vordergrund stellt, und dieses Instrument wird so hohe Preise für CO2 hervorrufen, dass Kohleverstromung bis Ende des Jahrzehnts in Deutschland eigentlich größtenteils nicht mehr lohnend sein wird", so Löschel.
Nach dem Ausstieg aus der Kernkraft im kommenden Jahr hält Löschel eine zusätzliche Übergangstechnologie wie Gaskraftwerke für notwendig. Damit solle auf die nicht ausreichende Ausbaugeschwindigkeit bei den Erneuerbaren reagiert werden, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Das Interview in voller Länge:
Jörg Münchenberg: Zahlreiche Länder wollen bis spätestens in den 2040er-Jahren aus der Kohleverstromung aussteigen. Ist das eine gute Nachricht für das Klima?
Andreas Löschel: Ja, das ist eine sehr gute Nachricht für das Klima, denn die Kohle ist ja der größte Einzeltreiber für den Klimawandel, das heißt, das muss man angehen. Und es ist nicht nur der größte Treiber, sondern es ist auch die einfachste Möglichkeit, tatsächlich die Emissionen zu reduzieren. Deswegen sind die Fortschritte dort sehr wichtig, und die Zielsetzungen auf der Klimakonferenz, nämlich hier Kohle Geschichte werden zu lassen, ist auch sehr, sehr entscheidend.
Münchenberg: Auf der anderen Seite, Herr Löschel, Großemittenten wie China oder die USA, aber auch Australien und Indien sind ja nicht dabei. Da stellt sich ja dann schon die Frage, was nutzt so eine Erklärung?
Löschel: Erst mal muss man sagen, natürlich haben sich auch diese Länder zur Klimaneutralität bekannt. Das ist ja zum Beispiel gerade in Indien die Neuigkeit gewesen, auch dieses Mal, genauso wie in Indonesien, und letzter Instanz bedarf es dann natürlich auch den Ausstieg aus der Kohle. Auch wenn man sich da vielleicht jetzt noch nicht drauf verständigt hat, es sind viele große Kohleverstromer jetzt auch in Glasgow mit Verpflichtungen vorgetreten, also Korea, Vietnam, Polen, Indonesien, Ukraine. Aber klar, die anderen – China, Indien –, die haben diese (...), auch die USA, die haben die Zielsetzungen, müssten eigentlich konsequenterweise auch hier rasch aus der Kohle aussteigen.
Mehr Kohleverstromung wegen hoher Öl- und Gaspreise zu befürchten
Münchenberg: Nun sind die Energiepreise ja deutlich gestiegen, gerade Öl und Gas. Aus China kommen ja auch Meldungen, dass gerade deswegen jetzt auch wieder verstärkt Kohle eingesetzt wird. Also könnten quasi diese massiven Preissteigerungen bei den Energiepreisen doch auch dem Klimaschutz schaden, weil eben immer mehr Länder dann doch wieder auf billige Kohle ausweichen?
Löschel: Ja, das ist tatsächlich zu befürchten. Wir sehen das ja auch selbst hier in Deutschland gerade, die Gaspreise sind massiv angestiegen, und deswegen ist auch gerade die Verstromung von Kohle relativ gesehen wieder günstig. Das bedeutet aber, die Emissionen werden wieder ansteigen, zum Beispiel auch hier in Deutschland, und da muss man gegenhalten, eben zum Beispiel durch eine ganz konsequente Bepreisung von CO2, die eben dann die sehr klimaschädliche Kohle auch besonders teuer macht.
Münchenberg: Aber das heißt ja dann, noch mal Bepreisung heißt ja, es wird für die Verbraucher auch noch teurer.
Löschel: Das bedeutet, wir müssen dann eben drauf achten, dass diese teurere Energie auch tatsächlich tragbar wird, insbesondere für einkommensschwächere Haushalte. Das ist ein ganz wichtiger Teil. Und das ist ja auch die große Diskussion im Kohleausstieg, denn ich hab gesagt, das ist die günstigste Möglichkeit, Emissionen zu reduzieren, aber viele Länder, viele Regionen hängen an dem Kohleabbau und an der Kohleverstromung, und da braucht es gute Lösungen dafür, damit man diese mitnehmen kann.
Vorgezogener Kohleausstieg werde gelingen
Münchenberg: Schauen wir mal auf den Kohleausstieg hierzulande, der ist ja bislang jetzt bis 2038 beschlossen. Vielleicht wird er vorgezogen – die Ampelkoalition zieht das ja zumindest in Erwägung – auf 2030. Kann das gelingen?
Löschel: Ja, also das wird gelingen. Ich denke, diese Diskussion ist auch eigentlich etwas (...) Wir haben ja mit dem europäischen Emissionshandel ein Instrument, was die CO2-Bepreisung tatsächlich zentral in den Vordergrund stellt, und dieses Instrument wird so hohe Preise für CO2 hervorrufen, dass Kohleverstromung bis Ende des Jahrzehnts in Deutschland eigentlich größtenteils nicht mehr lohnend sein wird. Das heißt, anstatt sich jetzt über Ausstiegsdaten zu unterhalten, scheint mir es wichtiger zu sein, diese CO2-Preise hochzusetzen und sich darüber zu verständigen: Wie geht man mit den negativen Auswirkungen in den Kohleregionen um? Das würde schon ausreichen.
Münchenberg: Nun steigt, Herr Löschel, Deutschland ja bekanntlich im nächsten Jahr aus der Kernkraft aus – jetzt vorziehen, vielleicht schon bei der Kohleverstromung bis 2030 –, manche sagen ja, man braucht trotzdem eine Übergangstechnologie, weil eben die Erneuerbaren das noch nicht alles abdecken können.
Löschel: Ja, also das werden wir brauchen. Erst mal ist ganz wichtig, Erneuerbare werden den Kern des Energiesystems der Zukunft darstellen. Deswegen ist auch wichtig – in Glasgow gab es ja eine große Bewegung auch im Kontext der Transformation global zu erneuerbaren Energien, denn man braucht eine Alternative für die Kohle, und das brauchen wir hier auch, und diese Herausforderung, die ist, glaube ich, noch nicht voll durchgedrungen. Wir müssen die Erneuerbaren massiv ausbauen, aber das wird wahrscheinlich nicht ausreichen, denn der Ausstieg aus der Kohle stellt uns da tatsächlich vor große Probleme, und es kann durchaus sein, dass man für einige Jahre, vielleicht für einige Zeit hier tatsächlich nicht nur die Erneuerbaren braucht, sondern auch Gaskraftwerke, um die Versorgungssicherheit in Deutschland, in Europa tatsächlich zu sichern.
Münchenberg: Nun ist ja das Technische das eine, auf der anderen Seite gibt es jetzt auch schon Kritik aus Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt, die sagen, man kann nicht einfach jetzt den Kohleausstieg vorziehen, es gehe ja hier auch um Verlässlichkeit der Politik und auch um die Verantwortung gegenüber den Beschäftigten. Was sagen Sie zu dieser Kritik?
Löschel: Ja, ich sage, dass man hier die Dynamik der Märkte komplett unterschätzt, denn wie gesagt, der Kohleausstieg wird kommen. Was man jetzt machen muss, ist, sich auf diese Situation direkt einstellen, und das wird auch für ganz viele Länder global gelten. Sobald man anfängt, hier ernst zu machen, CO2 tatsächlich zu bepreisen, dann wird die Kohle nicht mehr wettbewerbsfähig sein in vielen dieser Regionen, und dann geht es drum, die Weichen zu stellen für danach. Also es geht nicht um die Verhandlungen, wann ist der Ausstieg aus der Kohle, sondern wie schaffen wir es, dass es sozialverträglich möglich wird, rasch da rauszugehen.
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