"Unter den stattlichen Männern die in der Nähe des Banners ritten, war Ulrich Zwingli selbst. Der schlanke Mann trug über dem langen Gelehrten- oder Predigerrock einen guten Stahlharnisch, seinen Kopf schützte ein eigentümlicher runder Stahlhut mit breitem Rande, auf der Schulter lehnte eine halblange eiserne Halbarte oder eher Streitaxt von zierlicher Form, und an seiner linken Seite hing das Schwert."
Der Glaubensmann im Kriegerornat: So beschrieb Gottfried Keller in einer Novelle den Ulrich Zwingli, wie er zu seinem letzten Kampf aufbricht, am 11. Oktober 1531. Huldrych oder - hochdeutsch- Ulrich Zwingli war ein Mann, der die Gesellschaft neu erschaffen wollte. Er sah den Missstand seiner Zeit; sah die Geistlichen von ausländischen Geldern korrumpiert, sah die Mächtigen ihre Untertanen schikanieren, die Reichen herumlottern. Zwingli wollte verändern.
"Ich bin manchmal auf der Kanzel scharf."
Eine Bewegung, die damals das gebildete Europa erfasste, gab ihm erste Anstöße: Der Humanismus, der vorurteilslos die Welt erfahren, studieren und verstehen wollte, frei von den engen überwölbenden Begriffen der theologischen Auslegung. Zwingli wurde zum Reformator, der wie Martin Luther nur die Bibel als Autorität anerkannte und die Freiheit von der katholischen Kirche erkämpfte. Aber auf dem Weg zur vollkommenen Gesellschaft wurde die Freiheit nebensächlich und der Kampf gegen Abweichler skrupellos. Und überall in Europa mündeten Humanismus und Reformation in die Ära der Religionskriege. Dabei hatte dieses 16. Jahrhundert so gut angefangen. In Hoffnung und Scheitern war es dem 20. sehr ähnlich.
Ulrich Zwingli, geboren an Neujahr 1484, war das Kind Toggenburger Bauern, keine kleinen, sondern einflussreiche Leute mit Hang zur Geistlichkeit. Ulrich wurde zum Pfarrer ausgebildet, studierte in Wien und Basel, begleitete als Feldprediger schweizerische Söldner in die Schlacht und wurde zum Kriegsgegner im Geist des Evangeliums. 1519, zwei Jahre nach Luthers Thesenanschlag in Wittenberg, beriefen ihn die Zürcher ans Großmünster. Sie wollten einen humanistisch orientierten modernen Theologen, der ein bisschen frischen Wind in den Laden bringen sollte. Sie bekamen einen Prediger, der mehr und mehr auf die Seite der Reformation überschwenkte, der also strikt ablehnte: Zölibat, Dogmen, Prozessionen, Reliquienkult, Heiligenbilder.
"Wir haben einen solchen Haufen Götzen: den einen bekleiden wir mit Harnisch, als ob er ein Kriegsknecht sei, den anderen als Lotterbuben oder Hurenwirt, wobei die Weiber freilich zu großer Andacht bewegt werden...! Die seligen Weiber gestaltet man so hurenhaft, so glatt und mit Einzelheiten gemalt, als ob sie da hingestellt wären, dass der Mann von ihnen zur Unehrbarkeit gereizt werde."
Zwingli-Anhänger provozieren die alte Ordnung wo sie können: Sie treffen sich 1522 mitten in der Fastenzeit zu einem legendären Wurstessen. In den Kirchen werden Predigten papsttreuer Mönche systematisch gestört, Heiligenbilder in die Limmat geworfen. Unter Zwinglis Einfluss fällt der Katholizismus und mit ihm Zölibat und Ehesakrament, er selbst verheiratet sich, wie Luther. Klöster werden aufgelöst, ihre Güter in einen Armenfonds gegeben, die Mönche und Nonnen zur Armenpflege verpflichtet. Aber des Reformators unaufhaltsamer Aufstieg trägt den Keim des Totalitären und der Spaltung in sich: Eigens bestallte Sittenrichter wachen über das Verhalten verheirateter Zürcher. Die Gegner der Babytaufe, die Zwingli nicht abschaffen will, bilden die neue Sekte der Täufer und werden brutal verfolgt - die Reformation verträgt keine Renegaten. Keine Ruhe lässt auch die äußere Front, das Papsttum und seine politischen Anhänger. Und Zwingli will die gesamte Schweiz reformiert sehen.
Aber Zürich und den mit ihm verbündeten reformierten Städten, darunter Basel und Bern stehen eisern die fünf innerschweizer Kantone gegenüber die zum Vatikan halten. Am 11. Oktober 1531 kommt es zur Schlacht, in der die Zürcher blitzschnell überrannt werden. Zwingli fällt.
"Die sinkende Sonne glänzte ihm in das noch feste und friedliche Antlitz; sie schien ihm zu bezeugen, dass er schließlich nun doch recht getan und sein Amt als ein Held verwaltet habe."
Aber jetzt erst, nach Zwinglis Tod, konnte verhandelt werden. Zürich entsagte seinem Expansionsdrang und der Verquickung von Religion und Politik, und jede Gemeinde sollte in Zukunft selbst entscheiden dürfen, wie sie das Abendmahl feiern wollte. Zwingli aber bekam ein schönes Denkmal mit Kutte und Schwert. Die Zürcher vergessen ihrem Reformator nicht, dass der Geist des Protestantismus sie weit gebracht hat.
Der Glaubensmann im Kriegerornat: So beschrieb Gottfried Keller in einer Novelle den Ulrich Zwingli, wie er zu seinem letzten Kampf aufbricht, am 11. Oktober 1531. Huldrych oder - hochdeutsch- Ulrich Zwingli war ein Mann, der die Gesellschaft neu erschaffen wollte. Er sah den Missstand seiner Zeit; sah die Geistlichen von ausländischen Geldern korrumpiert, sah die Mächtigen ihre Untertanen schikanieren, die Reichen herumlottern. Zwingli wollte verändern.
"Ich bin manchmal auf der Kanzel scharf."
Eine Bewegung, die damals das gebildete Europa erfasste, gab ihm erste Anstöße: Der Humanismus, der vorurteilslos die Welt erfahren, studieren und verstehen wollte, frei von den engen überwölbenden Begriffen der theologischen Auslegung. Zwingli wurde zum Reformator, der wie Martin Luther nur die Bibel als Autorität anerkannte und die Freiheit von der katholischen Kirche erkämpfte. Aber auf dem Weg zur vollkommenen Gesellschaft wurde die Freiheit nebensächlich und der Kampf gegen Abweichler skrupellos. Und überall in Europa mündeten Humanismus und Reformation in die Ära der Religionskriege. Dabei hatte dieses 16. Jahrhundert so gut angefangen. In Hoffnung und Scheitern war es dem 20. sehr ähnlich.
Ulrich Zwingli, geboren an Neujahr 1484, war das Kind Toggenburger Bauern, keine kleinen, sondern einflussreiche Leute mit Hang zur Geistlichkeit. Ulrich wurde zum Pfarrer ausgebildet, studierte in Wien und Basel, begleitete als Feldprediger schweizerische Söldner in die Schlacht und wurde zum Kriegsgegner im Geist des Evangeliums. 1519, zwei Jahre nach Luthers Thesenanschlag in Wittenberg, beriefen ihn die Zürcher ans Großmünster. Sie wollten einen humanistisch orientierten modernen Theologen, der ein bisschen frischen Wind in den Laden bringen sollte. Sie bekamen einen Prediger, der mehr und mehr auf die Seite der Reformation überschwenkte, der also strikt ablehnte: Zölibat, Dogmen, Prozessionen, Reliquienkult, Heiligenbilder.
"Wir haben einen solchen Haufen Götzen: den einen bekleiden wir mit Harnisch, als ob er ein Kriegsknecht sei, den anderen als Lotterbuben oder Hurenwirt, wobei die Weiber freilich zu großer Andacht bewegt werden...! Die seligen Weiber gestaltet man so hurenhaft, so glatt und mit Einzelheiten gemalt, als ob sie da hingestellt wären, dass der Mann von ihnen zur Unehrbarkeit gereizt werde."
Zwingli-Anhänger provozieren die alte Ordnung wo sie können: Sie treffen sich 1522 mitten in der Fastenzeit zu einem legendären Wurstessen. In den Kirchen werden Predigten papsttreuer Mönche systematisch gestört, Heiligenbilder in die Limmat geworfen. Unter Zwinglis Einfluss fällt der Katholizismus und mit ihm Zölibat und Ehesakrament, er selbst verheiratet sich, wie Luther. Klöster werden aufgelöst, ihre Güter in einen Armenfonds gegeben, die Mönche und Nonnen zur Armenpflege verpflichtet. Aber des Reformators unaufhaltsamer Aufstieg trägt den Keim des Totalitären und der Spaltung in sich: Eigens bestallte Sittenrichter wachen über das Verhalten verheirateter Zürcher. Die Gegner der Babytaufe, die Zwingli nicht abschaffen will, bilden die neue Sekte der Täufer und werden brutal verfolgt - die Reformation verträgt keine Renegaten. Keine Ruhe lässt auch die äußere Front, das Papsttum und seine politischen Anhänger. Und Zwingli will die gesamte Schweiz reformiert sehen.
Aber Zürich und den mit ihm verbündeten reformierten Städten, darunter Basel und Bern stehen eisern die fünf innerschweizer Kantone gegenüber die zum Vatikan halten. Am 11. Oktober 1531 kommt es zur Schlacht, in der die Zürcher blitzschnell überrannt werden. Zwingli fällt.
"Die sinkende Sonne glänzte ihm in das noch feste und friedliche Antlitz; sie schien ihm zu bezeugen, dass er schließlich nun doch recht getan und sein Amt als ein Held verwaltet habe."
Aber jetzt erst, nach Zwinglis Tod, konnte verhandelt werden. Zürich entsagte seinem Expansionsdrang und der Verquickung von Religion und Politik, und jede Gemeinde sollte in Zukunft selbst entscheiden dürfen, wie sie das Abendmahl feiern wollte. Zwingli aber bekam ein schönes Denkmal mit Kutte und Schwert. Die Zürcher vergessen ihrem Reformator nicht, dass der Geist des Protestantismus sie weit gebracht hat.