Archiv


Gleich und gleich gesellt sich gern

Psychologie. - Hamburger sind zurückhaltend, Kölner fröhlich und Schwaben erfinderisch und gleichzeitig kehrwochenfixiert. Überall auf der Welt gibt es solche regionalen Stereotypen, die mehr oder weniger ernst genommen werden. Zumindest für die USA ist jetzt wissenschaftlich belegt, ob die Vorurteile ein Körnchen Wahrheit enthalten.

Von Volkart Wildermuth |
    Jason Rentfrow ist Professor für Persönlichkeitspsychologie an der Universität im englischen Cambridge.

    "Ich glaube, typisch für die Akademiker in Cambridge ist eine große Offenheit für Neues und gleichzeitig eine gewisse Zurückhaltung. Die Leute behalten viel für sich."

    So lautet zumindest das Vorurteil. Für die USA kann Jason Rentfrow harte Daten vorweisen. Die Psychologen vermessen die Persönlichkeit mit Hilfe der "Big Five", der fünf großen Aspekte der Persönlichkeit. Diese sind: Neurotizismus oder emotionale Stabilität, Extraversion, Offenheit für neue Erfahrungen, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit. Schon seit 1989 bietet die Webseite outofservice.com einen Test auf die Großen Fünf an. Dort findet sich eine Liste mit 45 Aussagen wie: "Ich bin redselig" oder "Ich bin verlässlich". Man muss jeweils angeben, für wie zutreffend man diese Beschreibung hält. Am Ende erfährt man, wie stabil, offen und verträglich die eigene Persönlichkeit ist. Über 750.000 US-Amerikaner haben den Test im Lauf der Jahre ausgefüllt und dabei auch ihren Wohnort angegeben. Mit diesen Daten hat Jason Rentfrow eine Persönlichkeitslandkarte der USA erstellt.

    "Die Menschen im Nordosten, in New York, in Massachusetts oder Washington, DC, haben hohe Neurotizismus-Werte, sind leicht gestresst, reizbar und eher ängstlich. Wir stellen uns den typischen New Yorker wie Woody Allan vor und unsere Ergebnisse zeigen, dass hier ein Körnchen Wahrheit drin steckt."

    Auf der Persönlichkeitslandkarte der USA zieht sich eine Art Stressgürtel mit hohen Neurotizismuswerten entlang der ganzen Ostküste. Richtung Westen nehmen die Werte ab, sind die Menschen im Durchschnitt entspannter und emotional stabiler, und auch das passt zum Stereotyp des gelassenen kalifornischen Surfers. Das zweite auffällige Muster zeigt sich bei der Offenheit, die an beiden Küsten hoch ist, während die Menschen der Präriestaaten Neuem eher skeptisch gegenüberstehen. Jason Rentfrow glaubt, dass sich diese Unterschiede in der Durchschnitts-Persönlichkeit durch mehrere, sich überlagernde Effekte erklären lassen. Da ist zum einen die Wirkung der Geographie. Wo mehr Sonne scheint, ist die Stimmung tatsächlich besser. Und entlang der wichtigen Handelsrouten bieten sich mehr Entwicklungsmöglichkeiten. Diese unterschiedlichen Gegebenheiten können Menschen mit bestimmten Persönlichkeitszügen anziehen oder abstoßen. Rentfrow:

    "Eine Frau mit offenem Geist, die gerne neue Gerichte ausprobiert und die Oper genießt, wird vielleicht versuchen, der Kleinstadt, aus der sie kommt, zu entfliehen und in die große Stadt ziehen, wo sie solche Erfahrungen leichter machen kann."

    Die gezielte Migration beeinflusst wohl vor allem die regionale Verteilung von Offenheit und Extraversion. Hohe Neurotizismuswerte dagegen stabilisieren sich durch eine Art sozialer Ansteckung. Wo viele gestresste Menschen leben, wird die Atmosphäre angespannter und das verstärkt neurotische Tendenzen. Hat sich so erst einmal eine Häufung eines Persönlichkeitstyps in einer Region etabliert, hat das eine Vielzahl von Auswirkungen. In Gebieten mit hohen Neurotizismuswerten sind Krankheiten häufiger, die Lebenserwartung niedriger. Offenheit für Erfahrungen bringt ein eher liberales politisches Klima mit sich, und es werden auch mehr Patente als anderswo angemeldet. Und in Regionen mit besonders hoher Verträglichkeit gibt es weniger Verbrechen.

    "Das wirft interessante Fragen nach der Ursache auf. Vielleicht begehen verträgliche Menschen einfach weniger Verbrechen. Auf der anderen Seite könnte auch der soziale Einfluss entscheidend sein. Wo Verbrechen häufig sind, macht es Sinn, Fremden gegenüber misstrauisch zu sein."

    Ob hier Persönlichkeitsmuster die sozialen Bedingungen prägen, oder ob es andersherum ist, möchte Jason Rentfrow als nächstes untersuchen. Über die Persönlichkeit von Schwaben, Hamburgern und Kölnern weiß er im Übrigen nichts zu berichten. Die Persönlichkeitsforschung hat nur den Deutschen generell begutachtet und festgestellt, dass er sowohl offen für Neues als auch besonders gewissenhaft ist. Aber auch das nur im Durchschnitt.