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Gleichberechtigung auf dem Arbeitsmarkt
Kurze Elternzeit kann Karrierechancen mindern

Entscheiden sich Frauen für eine kurze Elternzeit, vermindern sie damit die Chancen bei einer Bewerbung bei einem neuen Arbeitgeber, sagte die Sozialforscherin Lena Hipp im Dlf. Der Gesetzgeber müsse deshalb bei der Aufteilung der Elternmonate auf eine Fifty-Fifty-Regelung drängen.

Lena Hipp im Gespräch mit Benedikt Schulz | 30.08.2018
    Eine Frau in Nottensdorf (Niedersachsen) mit ihrer kleinen Tochter auf dem Spielplatz (gestellte Szene). Foto: Christin Klose | dpa Themendienst | Verwendung weltweit
    Länge der Elternzeit beeinflusst offenbar Chancen auf dem Arbeitsmarkt (dpa Themendienst)
    Benedikt Schulz: Die Idee hinter der Elternzeit: Gleichberechtigte Chancen von Frauen auf dem Arbeistmarkt. Statistisch gesehen, lässt sich länger erkennen, das dies nicht aufgeht. Denn in der Regel nehmen Väter ihre zwei Mindestmonate, und die Mütter die restlichen zwölf. Forscher am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung haben sich die Frage gestellt: Können Frauen mögliche berufliche Nachteile vermeiden, wenn sie nur eine kurze Elternzeit von zwei Monaten nehmen? Das etwas traurige Ergebnis: Sie können es eigentlich nur falsch machen. Denn eine kurze Elternzeit mindert offenbar die Chancen, zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Lena Hipp ist die Autorin der Studie. Ich habe sie gefragt: Eine kurze Elternzeit schadet offenbar - warum?
    Lena Hipp: In unserer Studie war das so, dass Mütter, die nur zwei Monate Elternzeit genommen haben, im Vergleich zu Müttern, die zwölf Monate Elternzeit genommen haben, deutlich seltener eingeladen worden sind zum Vorstellungsgespräch. Der Grund hierfür scheint zu sein, dass diese Mütter als Rabenmütter wahrgenommen worden sind und als weniger warmherzig und weniger gutmütig, als zu ehrgeizig wahrgenommen worden sind.
    Elternzeit - ein Faktor im Bewerbungsgespräch
    Schulz: Wie sind Sie da genau vorgegangen, wie haben Sie das rausgefunden?
    Hipp: Wir haben Bewerbungen erstellt von zwei fiktiven Bewerberinnen und - wichtig auch - von zwei fiktiven Bewerbern, die sich in allen wesentlichen Merkmalen ähnlich waren. Also, sie waren gleich gut qualifiziert, hatten gleich lange Arbeitszeit, waren beide Eltern eines dreijährigen Kindes. Diese Eltern haben sich lediglich darin unterschieden, dass die eine Person zwei Monate Elternzeit genommen hat, also die typische Väter-Elternzeit, und die andere Person zwölf Monate Elternzeit genommen hat, also die typische Mütter-Elternzeit. Und dann haben wir diese Bewerbungen verschickt auf offene Stellenangebote und haben geguckt, wer wird denn häufiger eingeladen. Nun war das so, dass es bei den Vätern keinen Unterschied gab, also es scheint unerheblich zu sein, ob man als Vater zwei oder zwölf Monate Elternzeit macht, um zum Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden. Bei den Müttern war es hingegen so, dass die Mütter mit den zwölf Monaten deutlich häufiger eingeladen worden sind. Und das hat uns sehr überrascht.
    Schulz: Sie haben jetzt gerade das Klischee angesprochen von der Rabenmutter oder der Karrierefrau, herzlos und so weiter. Also ich habe so ein bisschen den Verdacht, das liegt auch daran, dass in vielen Personalabteilungen möglicherweise eher Männer in einem höheren Alter sitzen, die ein solches Rabenmütter-Klischee einfach weitertransportieren - oder bin ich da selber einem Klischee erlegen?
    Hipp: Das weiß ich gar nicht. Ich weiß nicht, wer unsere Bewerbungsunterlagen angeguckt hat. Wir haben aber auch eine Laborstudie durchgeführt, das heißt, wo Personen Bewerbungsunterlagen bewertet haben und geguckt haben, wer ist denn besser qualifiziert, wer erscheint sympathischer, und wen würden diese Personen einladen zum Vorstellungsgespräch. Da konnten wir natürlich das Geschlecht des oder der Entscheiderin feststellen - und da haben wir keine Unterschiede zwischen Geschlechtern gefunden.
    Fifty-Fifty-Elternzeit als Ausweg
    Schulz: Jetzt habe ich gerade in der Anmoderation gesagt, Frauen können es derzeit eigentlich nicht so richtig machen. Aber natürlich interessiert uns trotzdem, was können sie denn machen?
    Hipp: Also das Ergebnis der Studie fand ich relativ deprimierend, weil es wirklich so aussieht, egal wie man es macht, man macht es falsch. Man kann das Ganze aber auch positiv wenden: So wie die Frauen es machen wollen, so ist es richtig für sie. Und wenn man ein bisschen auf eine höhere Ebene geht oder ein bisschen weiter das Ganze denkt, ist es vielleicht auch ein ganz guter Ratschlag, dass einfach diese ganzen privaten Informationen, die in Lebensläufen in Deutschland enthalten sind und die wir für unsere Studie genutzt haben, dass die da eigentlich nicht drinstehen sollten. Es ist eigentlich unerheblich, es sollte eigentlich unerheblich sein für einen Job, ob ich ein Kind habe, wie lange ich Elternzeit genommen habe, ob ich verheiratet bin, wie alt ich bin und so weiter. Wenn man diese Informationen weglassen würde, wäre, glaube ich, ein ganzes Stück gewonnen. Eine andere Implikation der Studie ist auch, dass es vielleicht ganz sinnvoll ist, dass sich Eltern Elternzeit egalitärer teilen, dass man vielleicht so ein Fifty-Fifty-Modell macht. Das haben wir jetzt in unserer Studie nicht speziell untersucht, aber das könnte natürlich sein, dadurch, dass Väter tatsächlich nicht eine Benachteiligung erfahren könnten, dass es eine Möglichkeit ist, kürzere Elternzeiten in Deutschland normaler zu machen auch für Frauen und längere eben für Männer auch zu normalisieren.
    Schulz: Und das ruhig auch vom Gesetzgeber möglicherweise vorgegeben? Also eine Fifty-Fifty-Elternzeit, jeder sieben Monate?
    Hipp: Das könnte der Gesetzgeber natürlich machen, in einer anderen Untersuchung haben wir uns mal angeguckt, was würde denn passieren, also wie viel Elternzeit würden Eltern nehmen wollen, wenn es statt dieser zwei Partnermonate vier Partnermonate geben würde - und da kann man sehen, dass es einen signifikanten Anstieg, vor allem bei den Männern gibt. Also, wenn vier Monate verfallen würden, statt nur der zwei Monate, würde ein Großteil der Männer in Deutschland heute länger Elternzeit machen.
    Forscherin Hipp: Humankapital erhalten
    Schulz: Was jetzt nicht Teil Ihrer Studie war, aber die Frage ist natürlich trotzdem wichtig: Wie wirkt sich das auf die Karriere aus, wenn es um den Wiedereinstieg geht? Also eine lange beziehungsweise kurze Elternzeit bei Frauen, was hat die für Konsequenzen, wenn es nicht um die Bewerbung geht, das haben Sie ja jetzt untersucht, sondern wenn es auch darum geht, dass man im Betrieb bleibt. Können Sie dazu was sagen?
    Hipp: Also, die Bewerberinnen unserer Studie haben sich auf einen neuen Job beworben aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus. Also die sind, so wie es auch üblich ist, nach ihrer Elternzeit wieder in ihren alten Job zurückgegangen. Wie sich das auswirkt, ob man jetzt kurz oder lang in Elternzeit gegangen ist, kann ich basierend auf der Studie nicht sagen. Es gibt aber andere Evidenz dafür, die vorschlägt, dass es natürlich besser ist, nicht so lange aus dem Job zu gehen, einfach, weil man sein Humankapital erhält, am Arbeitsgeschehen dran bleibt und so weiter. Also die Situation, wie wir es bei uns in der Studie hatten, die gibt es so real nicht. Ich kann mich nicht als Mutter entscheiden, nehme ich zwei Monate Elternzeit oder zwölf Monate Elternzeit und habe dabei das gleiche Humankapital.
    Schulz: Sagt Lena Hipp, sie ist die Autorin einer Studie, die untersucht hat, wie sich eine kurze Elternzeit auswirkt auf die Bewerbungschancen von Männern und Frauen. Frau Hipp, vielen Dank!
    Hipp: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.