Die Flure des Krebsberggymnasiums in Neunkirchen sind leer, die Schüler einen Tag vor Ferienbeginn auf Wandertag und Direktor Rainer Stein-Bastuck schließt einen Klassenraum auf:
"Die komplette Decke ist abgehängt und als Akustikdecke ausgeführt, wenn jetzt ein Kind hier sitzt, eine Hörbehinderung hat, dann hört es keinen Schall."
Der Schulträger hatte diese bauliche Maßnahme vorgenommen, weil die Schule ein schwerhöriges Kind in den Regelschulbetrieb am Gymnasium aufgenommen hatte. Das sei nur ein Beispiel dafür, das Märchen zu entkräften, die Gymnasien sträubten sich gegen die Inklusion, sagt Stein-Bastuck:
"Die Gymnasien übernehmen selbstverständlich Mitverantwortung für eine inklusive Bildung, das haben sie in den vergangen Jahren schon immer getan."
Diskrepanz zwischen Bildungsauftrag und Inklusion
Aber, so fügt der Rektor, der auch Vorsitzender der Bundesdirektorenkonferenz der Gymnasien ist, hinzu, eben nicht für alle. Da sei sich die Bundeskonferenz einig. Denn das Gymnasium habe nun einmal einen konkreten Bildungsauftrag und der laute: Alle Kinder, die dort angemeldet seien, mit einer vertieften Allgemeinbildung zur allgemeinen Hochschulreife zu führen.
Alle Kinder, die die intellektuellen Voraussetzungen mitbrächten, ob mit oder ohne Behinderung, seien daher in den Gymnasien herzlich willkommen. Und nur wenigen bliebe der Weg einer gymnasialen schulischen Laufbahn tatsächlich verschlossen. Rainer Stein-Bastuck:
"Ich sehe daher den Zugang nur in wenigen Fällen als problematisch an und mit Blick auf das Kindeswohl als nicht sinnvoll an. Das ist einmal bei sehr starker Lernbehinderung oder geistiger Behinderung, etwa Kinder mit Downsyndrom. Das ist nicht der richtige Weg, die brauchen eine gezielte individuelle Förderung in der Förderschule."
Deutliche Ansage der Ministerpräsidentin
Rainer Stein-Bastuck ist dankbar, dass die saarländische Ministerpräsidentin nur vier Wochen, nachdem der saarländische Landtag ein Inklusionsgesetz verabschiedet hat, die Modalitäten noch einmal klarstellt. Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer:
"Klar ist, dass am Gymnasium nicht jeder Schüler beschult werden kann, das galt bislang schon für die behinderten Schülerinnen und Schülern, das ist geltende Rechtslage und geltende Verfassungslage im Saarland."
Seitens der Oppositionsparteien im Land hat es Bestrebungen gegeben, über diesen restriktiven Ansatz hinauszugehen, was jedoch laut Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer nicht zum Erfolg geführt hat.
"Es gab gerade mit Blick auf das Gymnasium entsprechende Änderungsanträge der Grünen im Ausschuss, die sind abgelehnt worden von der Regierungskoalition, insofern bestand nie ein Zweifel daran, dass das Gymnasium hier in einer Form geöffnet wird, dass es auch unterhalb des Abiturs den Bildungsauftrag hat."
Die Zukunft der Inklusion
Ab dem kommenden Schuljahr ist eine inklusive Beschulung im Saarland zunächst nur für die Grundschulen festgelegt. Die weiterührenden Schulen und dazu zählt die Gemeinschaftsschule an der vom Hauptschulabschluss bis zum Abitur sämtliche Bildungsabschlüsse erworben werden können, folgt erst in zwei Jahren.
Spätestens dann wird auch die Frage beantwortet werden müssen, wie Gemeinschaftsschulen mit ihrem zieldifferenzierten Auftrag umgehen, ob dann die gleiche Diskussion aufbrandet wie bei den Gymnasien mit ihrem eng umrissenen Bildungsziel. Eines scheint jedoch bereits jetzt klar, die Bundesländer gehen unterschiedlich mit dem Thema Inklusion um und das werden Kinder, Lehrer und Eltern zu spüren bekommen. Annegret Kramp Karrenbauer:
"Das ist ein Stück weit Bildungsföderalismus und insofern müssen wir damit leben."