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Gleichgeschlechtliche Ehe
"Es hat sich ein Wandel vollzogen"

In der Evangelischen Kirche seien homosexuell lebende und liebende Menschen aktiv und würden Verantwortung übernehmen, sagte Vicco von Bülow von der Evangelischen Kirche in Westfalen im Deutschlandfunk. Dadurch gebe es auch eine andere Einschätzung der biblischen Worte gegen die Homosexualität, die man heute so nicht mehr nachsprechen könne.

Vicco von Bülow im Gespräch mit Jochen Spengler |
    Hochzeitstorte mit zwei Frauenfiguren
    Die evangelische Kirche im Rheinland traut jetzt auch gleichgeschlechtliche Paare (AFP / Gabriel Bouys)
    Jochen Spengler: Die heutige Entscheidung war eindeutig. 211 Delegierte der Synode stimmten für die gleichgeschlechtliche Ehe, nur zwei dagegen. Und so wird die Evangelische Kirche im Rheinland künftig auch homosexuelle Paare trauen. Bereits 2013 war die Landeskirche von Hessen-Nassau vorgeprescht. Nun folgt als zweite von 20 evangelischen Landeskirchen die mit 2,7 Millionen Mitgliedern ungleich größere Kirche des Rheinlands. - Am Telefon in Bielefeld ist Vicco von Bülow, der im Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche von Westfalen zuständig ist für Theologie und Gottesdienste. Guten Abend, Herr von Bülow.
    Vicco von Bülow: Guten Abend.
    Spengler: Jahrhundertelang galt in den protestantischen Kirchen das Wort Martin Luthers. Ich zitiere: "Alles, was ein Mann ist, muss ein Weib haben, und was ein Weib ist, muss einen Mann haben." Warum gilt das jetzt nicht mehr?
    von Bülow: Martin Luther hat sich dabei auf Worte aus der Bibel bezogen. In der Bibel selber wird Homosexualität nur an wenigen Stellen behandelt, dort aber immer negativ. Das ist kulturell bedingt. Diese kulturelle Bedingtheit hat Martin Luther noch übernommen. Wir sehen heute, dass in unserer Kirche homosexuell lebende und liebende Menschen aktiv sind, Verantwortung übernehmen. Wir merken das in unserer Gesellschaft. Da hat sich ein Wandel vollzogen und mit diesem Wandel hat sich auch eine veränderte Einschätzung der biblischen Worte gegen die Homosexualität vollzogen in der Evangelischen Kirche. Die können wir heute so nicht mehr nachsprechen. Wir verwerfen Homosexuelle und homosexuelle Lebensformen nicht.
    "Segen Gottes auch für die gleichgeschlechtliche Ehe"
    Spengler: Und warum reicht nicht zum Beispiel die Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften? Warum muss es die Ehe sein?
    von Bülow: Wir in der Kirche haben ja nicht darüber zu bestimmen, ob es eine Ehe oder eine Lebenspartnerschaft ist. Das ist ja eine staatliche Vorgabe. Wir reagieren nur darauf mit der Frage, wie begleiten wir Paare, die eine eingetragenen Lebenspartnerschaft eingehen, wie begleiten wir die kirchlich, und da gab es lange in der Evangelischen Kirche eine gewisse Zurückhaltung, das in einem öffentlich sichtbaren Gottesdienst zu machen, sondern das ist dann in einer nicht öffentlichen Andacht passiert. Das haben wir in der Evangelischen Kirche von Westfalen im letzten Jahr aufgegeben und haben in unserer Synode sehr, sehr einstimmig - ich glaube, es war eine Enthaltung und drei Gegenstimmen, also mit großer, großer Mehrheit - uns für einen öffentlichen Segnungsgottesdienst für gleichgeschlechtliche Paare entschieden, weil wir sagen, auch diesen Menschen gilt genauso wie heterosexuellen Menschen in einer Ehe der Segen Gottes.
    Spengler: Das heißt, es ist nur eine Frage der Zeit, wenn Sie auch in Sachen Ehe den beiden evangelischen Vorreitern folgen?
    von Bülow: Das weiß ich nicht. Es gibt in unserer Landeskirche einen großen Konsens und den wollen wir beibehalten. Das ist uns ein großer Wert. Wir haben vor 20 Jahren längere Debatten über das Thema gehabt. Die haben die Kirche zu spalten gedroht. Wir sind sehr froh, dass wir diesen Konsens haben. Es gibt in unserer Landeskirche Menschen, die sagen, bis hierhin kann ich mitgehen, ein gleichgeschlechtliches Paar kann in einem öffentlichen Gottesdienst gesegnet werden, aber bis zur Trauung kann ich nicht mitgehen. Es gibt andere, die sagen, ich hätte am liebsten eine Trauung auch für Paare in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft und ich kann den jetzigen Status nur als Schritt auf dem Weg dahin verstehen. Wie sich das entwickeln wird, weiß man nicht. Wir sind in Westfalen erst mal froh, dass wir mit dem, was wir im letzten Jahr beschlossen haben, einen großen Konsens haben, der auch pragmatisch in den Gemeinden vor Ort dazu führt, dass Menschen, die homosexuell leben und die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft eintreten, öffentlich gesegnet werden können und damit auch sichtbar ihre Liebe und ihre Partnerschaft innerhalb der Gemeinde vor Gott stellen.
    Spengler: Bislang erkennen nur zwei von 20 evangelischen Landeskirchen die homosexuelle Ehe an. Vielleicht auch irgendwann die westfälische Kirche.
    von Bülow: Wir erkennen sie schon an!
    Spengler: Aber Sie trauen nicht selber?
    von Bülow: Wir segnen ja die Paare in einem Gottesdienst. Das ist ja bei der Trauung genauso, bei der kirchlichen Trauung. Die wird ja auch erst nach einer Eheschließung im Gottesdienst gefeiert. Genauso ist dieser Segnungsgottesdienst. Der ist auch erst nach einer standesamtlich vollzogenen Lebenspartnerschaft. Und die Evangelische Kirche im Rheinland hat es ja ähnlich beschlossen. Auch die trauen ja nicht selber im Sinne von Standesamt, sondern auch die feiern ja erst einen Traugottesdienst, nachdem das Standesamt die Lebenspartnerschaft beurkundet hat.
    Spengler: Aber sie gehen doch weiter als die westfälische Kirche, oder?
    von Bülow: Die westfälische Kirche und die rheinische Kirche stimmen im Grundsatz überein, dass homosexuellen Paaren in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft Gottes Segen gilt und dass das auch öffentlich in der Gemeinde gefeiert werden kann. Die rheinische Kirche nennt es anders und geht damit einen Schritt, den wir in Westfalen so bisher nicht gegangen sind.