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Gleichstellung als Dienstleistung

Nach Ansicht von Professorin Hildegard Macha, der Leiterin des neu eröffneten "Gender Zentrum Augsburg", beginnt Gleichstellung ganz oben in der Leitungsebene eines Unternehmens. Zuerst werde festgelegt, was erreicht werden soll mit den Gleichstellungsmaßnahmen. Danach könne das Gender-Zentrum für die Firma ein maßgeschneidertes Konzept erstellen, um Gleichstellung optimal durchzuführen.

Hildegard Macha im Gespräch mit Lothar Guckeisen |
    Lothar Guckeisen: Irgendwie passt es ja gut ins Bild. An der Uni Augsburg wird heute Nachmittag ein Gender-Zentrum offiziell eröffnet. Es geht also um die Gleichstellung von Frauen. Und wer hält die Eröffnungsrede? Natürlich ein Mann. Nämlich der bayrische Wissenschaftsminister Thomas Goppel. Aber immerhin wird das Zentrum von einer Frau geleitet, Professorin Hildegard Macha. Sie haben den Beitrag zu Beginn der Sendung mitgehört, werden Sie denn an Ihrem Zentrum künftig auch solche Arroganz-Seminare für Frauen anbieten?

    Prof. Dr. Hildegard Macha: Gut, also wir machen schon lange Karriere-Seminare von Frauen an der Universität, aber mit dem "Gender Zentrum Augsburg" haben wir jetzt einen ganzheitlicheren Ansatz. Wir wollen Unternehmen, Verwaltungen und Organisationen beraten, Gleichstellungspolitik durchzuführen. Das ist also ein bisschen weitergehender Ansatz. Das heißt, wir wollen mit den Unternehmen handgestrickt Konzepte erarbeiten, was sie an Gleichstellungspolitik in ihrem Unternehmen brauchen und dann Hilfen und Beratung bei der Durchführung anbieten.

    Guckeisen: Warum braucht man denn so ein Zentrum überhaupt, es gibt ja bereits an Hochschulen, auch in Unternehmen Frauenbeauftragte?

    Dr. Macha: Ja, die Frauenbeauftragten widmen sich ja ganz der Gleichstellungspolitik in der Universität. Aber wir wollen sozusagen unsere wissenschaftlichen Ergebnisse in der Gleichstellungspolitik und -forschung in die Unternehmen, in die Wirtschaft, in die Wirklichkeiten des Lebens, in die Praxis hineintragen.

    Guckeisen: Was sind denn für Erkenntnisse, die man vielleicht jetzt in den Unternehmen noch gar nicht so präsent hat, in der Praxis gar nicht umsetzt, was Sie wissen, was man dort vielleicht noch lernen muss?

    Dr. Macha: Wir haben erforscht, wie geht Gleichstellung, wie geht die optimal vonstatten? Wir haben zum Beispiel die neuen Stellschrauben eruiert, wie man am besten Gleichstellungspolitik im Unternehmen? Zum Beispiel, man muss oben anfangen, mit der Leitung des Unternehmens beginnen, Gender-Training machen, damit die informiert sind, was ist nötig, was wollen wir, und ein handgestricktes, also ein maßgeschneidertes Konzept dann erstellt werden kann, was braucht das Unternehmen, was braucht die Organisation, um bei ihnen Gleichstellung optimal durchzuführen. Dabei können wir beraten.

    Guckeisen: Das heißt, Sie bieten sozusagen eine Dienstleistung an von der Uni aus? Machen Sie das gegen Geld und was passiert mit dem Gewinn?

    Dr. Macha: Gewinn dürfen wir nicht erwirtschaften, wir reinvestieren unseren Ertrag in neue Projekte, in neue Stellen.

    Guckeisen: Das heißt also, wenn Sie erfolgreich sind, bringen Sie auch das voran, was Sie eben wollen: mehr Frauen in Positionen zu bringen oder eben Bewusstsein zu schaffen für Gender.

    Dr. Macha: Genau. Wir reinvestieren, wir beginnen neue Projekte, wir stellen neue Frauen ein, und Männer aber auch, weil das ja Gender Mainstreaming heißt. Also heute machen wir Politik für beide Geschlechter. Wir versuchen zum Beispiel auch, mehr männliche Lehrer in die Universität zu bringen zur Ausbildung und dann letztlich in die Schulen auch.

    Guckeisen: Bleiben wir noch mal ein bisschen bei den Frauen. Sie sind ja auch Frauenbeauftragte an der Uni Augsburg. Woran liegt das denn Ihrer Ansicht nach, dass Frauen vergleichsweise seltener als Chef auf einem Lehrstuhl sitzen?

    Dr. Macha: Ja, der Hintergrund ist, dass wir heute die bestausgebildete Generation von Frauen haben, aber die Barrieren in der Gesellschaft und der Universität sind noch sehr, sehr groß. Das heißt, wir müssen bemüht sein, noch bessere Gleichstellungspolitik zu erreichen, damit mehr Frauen oben ankommen. Und die Frauen wollen gerne heute, gemäß Untersuchungen von Allmendinger in Berlin, wollen die Frauen Karriere machen, aber die Barrieren zum Beispiel bei fehlender Kinderbetreuung und dieser Last der Vereinbarkeit, die ja ausschließlich auf den Frauen liegt, die müssen wir noch stärker abbauen, damit es auch gelingt, dass Frauen entsprechend ihrer Begabung eine Karriere machen können.

    Guckeisen: Sie sagen, Frauen wollen gerne. Jetzt wird ja im Bereich der Wissenschaft gerade heftig darüber diskutiert, ob es nicht doch biologische Unterschiede gibt zwischen Mann und Frau, die sich dann auf die Karriere im Beruf auswirken. Also kurz gesagt: Die Spielregeln im Beruf sind männlich dominiert, und Frauen ziehen dabei sozusagen natürlicherweise den Kürzeren, und sie wollen auch gar nicht anders. Vielleicht haben Sie die Titelgeschichte im "Spiegel" gelesen. Was sagen Sie denn dazu?

    Dr. Macha: Ach, das ist überholt, also das kommt aus dieser Ecke von Determinismus, das ist empirisch nicht haltbar. Alle Untersuchungen, die man heute empirisch valide auf dem Markt findet, die sind einhellig der Ansicht, dass es keine Unterschiede in der Intelligenz und in der Kompetenz von Frauen und Männern gibt. Also das sind Untersuchungen, die sind nicht haltbar.

    Guckeisen: Es geht, glaube ich, da auch weniger um Kompetenz oder sagen wir mal um das, was Frauen können, sondern eher so um eine Mentalitätsfrage, dass Frauen das gar nicht wollen, was Männer hier so selbstverständlich treiben?

    Dr. Macha: Deswegen oft nicht, weil sie die Vereinbarkeit so schwer auf ihren Schultern lastend fühlen. Das ist das Problem. Also viele begabte Frauen sind ja bis zum Ende der Universität sehr bereit, eine Karriere zu machen. Und wenn sie dann im Beruf sehen, wie schwierig der Vereinbarkeit heute in Deutschland ist, ja ausschließlich in Deutschland, dann geben sie oft klein bei und verzichten auf diese Karrierewünsche. Das ist wirklich ein Trauerspiel, da müssen wir unbedingt entgegenwirken.

    Guckeisen: Wie würden Sie denn die Situation an den Hochschulen beschreiben, wie männlich sind denn dort noch diese hinderlichen Strukturen?

    Dr. Macha: Wie Sie schon gesagt haben, zehn Prozent Professorinnen, das kann natürlich nicht befriedigen, und die Strukturen sind insbesondere in den Naturwissenschaften sehr männlich geprägt. Wir machen jetzt ein Mentoring-Programm, um dem entgegenzuwirken, denn in einem Labor als Physikerin die Kinder mitzubetreuen, das ist ja ganz, ganz schwer. Und da brauchen wir im Grunde Kinderbetreuung rund um die Uhr. Das heißt ja nicht, dass die Kinder da 24 Stunden da abgestellt werden, aber dass die Frau, wenn sie mal Versuche hat, auch nachts mal das Kind dann zum Schlafen mit in die Uni nehmen kann. Das müssen wir unbedingt erreichen, diese Flexibilisierung.

    Guckeisen: Noch ganz kurz: Sie gehören ja zur Minderheit der weiblichen Lehrstuhlinhaber. Sie haben einen Pädagogik-Lehrstuhl an der Uni in Augsburg. Was hat Ihnen denn geholfen, bis ganz nach oben zu kommen?

    Dr. Macha: Ich hatte Chefs, die mich sehr unterstützt haben, und ich hatte auch Vorbilder, wo ich mir abgucken konnte, wie kann ich das denn bloß machen. Und ich hatte einen Mann, der wirklich 50 Prozent der Erziehung der Kinder und des Haushaltes mit mir geteilt hat. Das waren meine Vorteile.

    Guckeisen: Tja, und jetzt können Sie selbst als Vorbild wirken und vielleicht selber dann auch Beispiel gebend wirken.

    Dr. Macha: Hoffentlich, ja.

    Guckeisen: In "Campus & Karriere" Professorin Hildegard Macha. Sie leitet das Gender Zentrum Augsburg, das in gut einer Stunde offiziell eröffnet wird. Danke!