Markus Dichmann: 24 Prozent. Bei 24 Prozent liegt der Anteil von Frauen an der Professorenschaft in Deutschland. Also knapp jeder vierte Professor hierzulande ist weiblich. An der Universität Bremen allerdings sind es 29 Prozent, ein Spitzenwert in Deutschland, und dafür trägt die Uni Bremen – neben jetzt zum Beispiel auch der Humboldt-Universität in Berlin oder auch den Universitäten in Jena, Würzburg oder Osnabrück – einen neuen Titel, nämlich den Titel "Gleichstellung ausgezeichnet", eine Art Förderprädikat, vergeben von der GBK, das ist die gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern.
An der Uni Bremen leitet Anneliese Niehoff das Referat Chancengleichheit und jetzt ist sie zu Gast bei uns in "Campus & Karriere". Hallo, Frau Niehoff!
Anneliese Niehoff: Hallo, Herr Dichmann!
Dichmann: Was machen Sie anders als andere Universitäten, dass wir bei Ihnen in Bremen jetzt, im Verhältnis zumindest, mehr Frauen im Professorenjob finden?
Niehoff: Die Frage verstehe ich und da kann ich gleich sagen, das ist immer sehr schwierig zu beantworten, gerade was das Andere angeht. Ich denke, dass sich die Universität Bremen schon sehr lange auf jeden Fall Geschlechtergerechtigkeit als ein Leitziel auf ihre Fahne geschrieben hat, insbesondere auch bezogen auf die Gewinnung von Professorinnen. Das haben andere Unis auch gemacht, aber ich denke, darüber, dass wir auch so ein Referat haben, Sie haben mich schon so vorgestellt, Chancengleichheit und Antidiskriminierung, das heißt, die Idee ist, es braucht positive Maßnahmen, aber es braucht auch den Blick auf das, was auch Frauen diskriminiert und behindert auf dem Weg nach oben. Das ist, glaube ich, sehr ungewöhnlich im Vergleich zu anderen deutschen Hochschulen. Und gezielt, in Bezug auf Professorinnen, haben wir sehr früh angefangen mit eigenen, kleinen Sammelausschreibungen zum Beispiel, zu sagen, die nächsten sechs, sieben Professuren werben wir besonders, dass sich Frauen darauf bewerben sollen. Das ist jetzt schon acht, neun Jahre her. Die Uni Bremen hat zum Beispiel auch den Gewinn in der jetzt fast ablaufenden Exzellenzinitiative genutzt, um acht vorgezogene Professuren mit Frauen zu besetzen. Das ist sicherlich auch etwas Ungewöhnliches oder Besonderes gewesen und hat auch gerade in den Naturtechnikwissenschaften einen ordentlichen Schub gegeben, wo die Frauenanteile ja klassischerweise von Studentinnenschaft bis hoch zu den Professuren ja eher gering sind.
"Ein kompliziertes Programm"
Dichmann: Und zusätzlich sind Sie eben auch in Bremen Teil eines Förderprogramms, das Ihnen jetzt insgesamt vier Anschubfinanzierungen für die Erstberufung von vier weiblichen Professorinnen bietet, und zwar auf unbefristete Stellen. Das klingt gut, aber ich muss sagen, Frau Niehoff, Anschubfinanzierung und unbefristet passen, wie ich finde, nicht so richtig zusammen. Wie werden denn diese Professuren auf Dauer eigentlich gegenfinanziert?
Niehoff: Ja, das ist auch tatsächlich ein… Also das Programm als solches ist ein sehr kompliziertes Programm. Im ersten Schritt müssen alle Hochschulen, die sich beteiligen, Unis und Fachhochschulen, zeigen, dass sie eine kluge Gleichstellungspolitik machen und dass sie diese auch reflektieren, dass sie diese auch kritisch beleuchten, daraus Folgen ziehen, Ziele formulieren. Und für diese eingereichten Konzepte bekommen sie dann ein, entweder ein grundsätzlich positives Okay oder sogar, in diesem Falle, zehn Hochschulen ein besonderes Prädikat, nämlich dieses "Gleichstellung ausgezeichnet". Im nächsten Schritt dürfen wir uns dann alle bewerben mit jeweils berufenen Professorinnen, die dann das erste Mal unbefristet an einer Uni landen werden, auf Gelder aus diesem Topf. Und ob dann die Uni das Geld ausgibt für die Professorinnen selber, quasi ein bisschen Geld spart, oder ob sie das Geld ausgibt für Gleichstellungsmaßnahmen, das obliegt dann zum Teil zumindest der Uni. Und bei uns ist es so, dass es Regelprofessuren sind, das heißt, die Uni hätte diese Frauen sowieso gewollt, weil sie die Stellen sowieso besetzen will.
Dichmann: Das heißt, das Geld aus dem Programm können Sie dann wiederum in Gleichstellungsmaßnahmen stecken.
Niehoff: Genau, so ist der Plan. Und das ist eigentlich auch das, also quasi die Professorinnen werden berufen, die sind auch unbefristet da, und die sind sowieso im universitären Haushalt finanziell einkalkuliert. Und das Geld, was dann zusätzlich kommt vom Bundesbildungs- und -forschungsministerium, wird eigentlich nur, in Anführungsstrichen, ich finde es natürlich super, benutzt, damit die Gleichstellungsarbeit vor Ort unterstützt werden kann, damit man neue, kreative Dinge ausprobieren kann oder auch besondere Förderprogramme, die sich aus dem Grundhaushalt vielleicht nicht mehr finanzieren lassen, bezahlen zu können.
Dichmann: Jetzt haben Sie eben schon das Gleichstellungszukunftskonzept angesprochen, das Sie da einstellen mussten, tolles Wort übrigens, Gleichstellungszukunftskonzept. Das heißt bei Ihnen in Bremen "Geschlechtergerecht 2028", das heißt, 2028 scheint irgendwie ein Zieljahr zu sein. Was wollen Sie bis dahin erreichen?
Niehoff: Genau, also wir haben das genommen, weil auch die allgemeine Universitätsstrategie sich für die nächsten zehn Jahre neu formiert hat, von 2018 bis 2028, und weil es auch darin natürlich ein Unterkapitel gibt zum Thema Geschlechterverhältnisse. Und dann haben wir gesagt, das passt perfekt, wir wollen uns inhaltlich, strategisch aneinander andocken. Was wir erreichen wollen ist letztendlich, und das macht es wieder so schwammig in so einem Interview, viele Dinge, die sich eher auf der Alltagsebene, Kulturebene, Kompetenzebene ranken. Das heißt, haben Professoren und Professorinnen eigentlich, wenn sie in Auswahlverfahren sitzen, wo es um neue Kolleginnen und Kollegen geht, haben die eigentlich eine Idee davon, wie vorurteilsfrei jede Personalauswahl eigentlich ist, können sie da, gucken sie darauf, wie kriegen sie das hin, wie sind die Verfahren gestaltet. Also alles, was mit Kompetenz und Verfahrensverbesserung zu tun hat, das haben wir uns vorgenommen. Natürlich haben wir uns auch Zahlen vorgenommen. Also, eine Zahl ist natürlich immer die absolute, das sind diese jetzt 29 Prozent, und wir wollen auf jeden Fall diese Marke endlich mal knacken, daran drehen wir nämlich schon ein bisschen länger, und wollen in den nächsten fünf Jahren erstmal auf 35 Prozent kommen. Und um das erreichen zu können, ist eine andere Zahl mindestens so wichtig, nämlich die Frage, wie viele Berufungen stehen denn eigentlich an und wie viele von den jetzt aktiven Berufungen sind denn dann mit Frauen erfolgt. Und da ist das Ziel, die 50-Prozent-Marke zu bekommen. Das heißt also, wenn wir jetzt meinetwegen die nächsten fünf Jahre nur zehn Berufungen hätten, dann sollen auf jeden Fall fünf davon mit Professorinnen besetzt werden. Das sind so die Zahlen, aber hinter diesen Zahlen steckt immer viel von diesem ganzen Alltagskultur- und Kompetenzthema.
"Weniger als der Frauenanteil im Bundestag"
Dichmann: Dann noch mal ein Blick auf die Zahlen heute, Frau Niehoff, denn wir haben 29 Prozent bei Ihnen in Bremen, immerhin fünf Prozent mehr als im Bundesdurchschnitt, aber viel ist das nicht.
Niehoff: Nein, natürlich nicht, das ist sogar weniger als die viel, zurecht kritisierte, wie war das noch, der Frauenanteil im Bundestag ist jetzt gerade bei 30,4 oder 30,5 Prozent, genau, wir sind da noch drunter. Nein, das ist ein unglaublich zähes Ringen um jede einzelne Professur, man muss es tatsächlich so sagen. Also natürlich ist die Fluktuation in diesem Feld nicht so hoch wie bei Stellen im wissenschaftlichen Mittelbau zum Beispiel, weil das sind ja natürlich in der Regel, jetzt nicht mehr ganz so doll, unbefristete Lebenszeitprofessuren. Das heißt, wenn es normal, gut läuft, dann kommt die Person und dann bleibt die auch 20, 25 Jahre. Nun, insoweit ist da einfach auch nicht so viel Spiel drin, das heißt, man kann sich Dinge vornehmen, aber bis dann quasi das nächste Mal in einem Fach neu berufen wird, kann das aber auch eben zwei, drei Jahre dauern. Das macht das Ganze langsam. Und die dann doch eben sehr starke männlich dominierte Wissenschaftskultur, wo bestimmte, alte Bildern von was ist eigentlich ein Genie, was haben wir für Vorstellungen, was muss der ideale Professor, die Professorin mitbringen. Dann ploppen doch immer eher männliche Bilder auf, allzeit bereit, 300-prozentiger Einsatz, nur für die Arbeit da. All diese Klischees, die eigentlich niemand mehr haben will, die wirken aber eben doch noch nach und führen dann halt auch, manchmal mehr oder weniger gewollt, dazu, dann doch eher zu einem Mann zu tendieren. Und das ist nur ein Aspekt, der eben auch die Berufungsfreude manchmal nicht so ausgeprägt macht.
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