Vergangenes Wochenende: In einem Veranstaltungssaal im Pariser Norden trommeln Mathematiker für ihre Zunft. Vertreten ist auch der Verein 'Frauen und Mathe': Seit fünf Jahren werben Colette Guillopé und ihre Mitstreiterinnen speziell Mädchen für eine wissenschaftliche Karriere. In den vergangenen Jahrzehnten haben Wissenschaftlerinnen allgemein viel Terrain erobert. 42 Prozent der Dozenten an französischen Unis sind weiblich. Doch nur knapp jede vierte Professorenstelle ist von einer Frau besetzt. Wobei - in Deutschland ist es gerade mal jede fünfte.
Colette Guillopé ist Mathematik-Professorin an der Universität von Creteil nahe Paris: "Die Charta von 2013 bewirkte, dass gewisse Fragen hinsichtlich der Chancengleichheit für Frauen im Hochschul-Bereich sichtbar wurden. Das ist ganz im Sinne der generellen Paritäts-Politik, die die Regierung seit Amtsantritt 2012 mit dem neu belebten Ministerium für Frauenrechte betreibt."
Ein Prinzip der Charta, nämlich, dass alle Einrichtungen für Lehre und Forschung Gleichstellungsbeauftragte berufen sollen, wurde mittlerweile fast überall umgesetzt. Heute werden Geschlechterstatistiken erstellt, Fort- oder auch Rückschritte gemessen, Studenten und Uni-Personal für das Thema Gleichstellung sensibilisiert, mancherorts mit regelmäßigen Kampagnen.
Von der Charta inspiriert, prämiert der Landesverband der Ingenieursschul-Direktoren seit 2013 Aktionen, die Schülerinnen für ein Ingenieursstudium begeistern. Jean-Marie Chesneaux ist Vizepräsident des Landesverbands.
"Unser Wettbewerb ist erfolgreich: Im Startjahr haben immerhin 23 Schulen daran teilgenommen, im vergangenen Jahr dann waren es schon 48. An der Preisverleihung nahm sogar die Ministerin für Forschung und Lehre teil und wir werden auf institutioneller Ebene sehr unterstützt."
Doch Chesneaux weiß auch: bis zur wahren Gleichstellung der Akademikerinnen in Frankreich wird es noch geraume Zeit dauern. Ein Professorinnen-Programm nach deutschem Vorbild aufzulegen, kommt in Paris niemandem in den Sinn: Maßnahmen der positiven Diskriminierung gelten hier als verpönt. Selbst wenn die innovative Paritäts-Charta den Institutionen für Forschung und Lehre keinerlei Verpflichtung auferlegt - immerhin bahnte sie dem Hochschulgesetz vom Sommer 2013 den Weg, sagt Mathematik-Professorin Colette Guillopé.
"Dieses Gesetz enthält eine Reihe von wirklich neuen Maßnahmen für die Gleichstellung der Geschlechter. Es schreibt vor, dass nationale Hochschulkommissionen mit ebenso vielen Frauen wie Männern besetzt werden müssen. Angestrebt wird auch, in den Verwaltungsräten von Hochschulen paritätischere Verhältnisse einzuführen."
Stargast bei der Pariser Veranstaltung am Wochenende war Cédric Villani. 2010 erhielt der Forscher die Fields-Medaille, eine Art Nobelpreis für Mathematiker. Villani wirbt mit schlagenden Argumenten für mehr weiblichen Nachwuchs.
"Kürzlich erklärte ein amerikanisches Arbeitsmarkt-Expertenbüro, dass Mathematiker beste Perspektiven haben, der Job führt die Hitliste der Zukunftsberufe an. Er eignet sich speziell für junge Frauen, die eine naturwissenschaftliche Karriere anstreben - Mathematiker können ihre Zeit selbst einteilen. Und somit Beruf und Karriere leichter vereinbaren als beispielsweise Biologen oder Physiker. Mathematik ist also wirklich super für Frauen!"