Archiv

Gleichstellung in Regionalzeitungen
"Eine Frau ändert den Ton in der Redaktionsrunde"

Von 100 Chefsesseln in deutschen Regionalzeitungen sind nur fünf mit Frauen besetzt. "Das müssen wir auf jeden Fall ändern", meint Hannah Suppa, Chefredakteurin der Märkischen Allgemeinen Zeitung. Warum sie trotzdem nichts von einer Frauenquote hält und wie sie den Regionaljournalismus voranbringen möchte, sagte sie im Dlf.

Hannah Suppa im Gespräch mit Brigitte Baetz |
    Die Chefredakteurin der Märkischen Allgemeinen Zeitung Hannah Suppa an einem Redaktionstisch mit einem Smartphone in der Hand, auf dem Tisch liegt eine Zeitung.
    Seit Juli 2017 Chefredakteurin der "Märkischen Allgemeinen Zeitung": Hannah Suppa (MAZ)
    Brigitte Baetz: Hannah Suppa ist eine Ausnahme. Die 34-jährige ist eine von fünf Chefredakteurinnen einer deutschen Regionalzeitung. Die restlichen 95 Posten sind mit Männern besetzt, deren Stellvertreter dann immer noch zu 82 Prozent - Männer sind.
    Hannah Suppa: Ich kann ja nicht für andere sprechen. Ich kann nur aus meinem Erfahrungsschatz berichten und da ist es natürlich so, dass ich im Moment noch ein Exot bin: eine Exotin, d.h. es gibt eben wenige Frauen in Chefredakteurspositionen. Ich bin eben oft sehr alleine als Frau. Ich gucke gerne und viel auf Rücken von Männern in Anzügen, meistens auch eher mit grauerem Haar, weil einfach die Diversität noch nicht da ist. Ob die sich nicht trauen? Ja, meine Erfahrung ist, dass man Frauen vielleicht ein bisschen mehr ermutigen muss. Manchmal warten sie, dass man auf sie zukommt, dass man ihr Engagement erkennt. Da sind vielleicht manche Männer anders unterwegs und sagen eher: Ich will das, ich kann das, lass mich das machen, doch Vorgesetzte können Ambitionen natürlich erkennen, aber eben auch nicht erraten. Frauen müssen für sich und ihre Ziele einstehen und auch aufstehen. Das passiert vielleicht noch nicht häufig genug.
    Frauen in Führungspositionen können gestalten
    Baetz: Haben Frauen vielleicht auch Angst vor den Reaktionen der Männer? Frauen möchten ja gerne gemocht werden. In Führungspositionen ist das ja aber nicht so einfach.
    Suppa: Das glaube ich nicht. Nein, ich glaube, Frauen haben nicht davor Angst, dass sie nicht gemocht werden, wenn sie eine Führungsposition inne haben. Da kommt noch was anderes mit rein, nämlich: So eine Führungsposition, gerade im Journalismus ist was anderes, als wofür man oft in den Beruf startet. Denn, wenn wir gucken, warum Leute in den Journalismus gehen, ist es meist sehr idealistisch geprägt, d.h. man will durch seine Berichte etwas verändern. Man will Reportagen schreiben. Das ist ja immer das, was man auch von jungen Kollegen hört, die noch in den Beruf rein kommen: Ich will mit Menschen sprechen und das aufschreiben und darüber berichten. Nun ist es aber so, dass in einer Führungsposition natürlich gerade in der heutigen Zeit eher Medienmanagement gefragt ist, d.h. da ist schon oft auch die Furcht da, sich zu viel mit Excel-Tabellen und Investitionsplanung zu beschäftigen und vielleicht weniger Zeit für Inhalte zu haben.
    Nun muss man vielleicht deutlich machen, dass so eine Führungsposition in einer Chefredaktion genau das bedeutet, dass man eben nicht nur Excel-Tabellen schreibt, sondern das man gestalten kann, dass man Inhalte gestalten kann, dass man Journalismus ausrichten und prägen kann. Und das ist eigentlich genau der Kern dessen, was Frauen gerne tun. Und ich glaube, deswegen wird es Zeit, genau das zu tun, das ein bisschen deutlicher zu machen, dass das ein sehr spannender Beruf ist, der auch für Frauen gut geeignet ist - natürlich.
    "Ich konnte mich austesten"
    Baetz: Sind Sie von Männern auch ermutigt worden, weil Sie vorhin auch gesagt haben, Frauen müssen manchmal auch mehr ermutigt werden als Männer?
    Suppa: Definitiv. Ich komme aus der Madsack-Mediengruppe, zu der auch die Märkische Allgemeine Zeitung gehört. Ich war vorher bei der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung von der Volontärin bis zur stellvertretenden Chefredakteurin. Ich habe genau das da erlebt. Die Madsack-Mediengruppe hat mich immer gefördert und auch stets aufs Neue herausgefordert. Immer, wenn ich etwas eine gewisse Zeit gemacht habe, wurde mir eine neue Herausforderung gegeben oder ich habe sie mir gesucht. Und ich konnte mich tatsächlich von Station zu Station weiterentwickeln, austesten und vor allen Dingen: sehr viel gestalten. Und da war besonders mein früherer Chef, Chefredakteur ‎Hendrik Brandt von der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, der mir manchmal auch mehr zugetraut hat als ich mir eigentlich selbst. Und so wusste ich immer einen Mentor hinter mir, der mich darin bestärkt hat, diesen Weg auch zu gehen.
    Diversität fängt in der Führungsposition an
    Baetz: Von 100 Chefredakteuren sind trotzdem nur fünf Frauen. Wie ließe sich das ändern? Oder muss man das überhaupt ändern?
    Suppa: Das müssen wir auf jeden Fall ändern. Für Redaktionen ist Diversität existentiell. Wir berichten über die ganze Brandbreite des Lebens und da müssen wir natürlich auch in der Lage sein, das abzubilden. Und eine Redaktion braucht unterschiedliche Lebenserfahrung, unterschiedliche Meinung, Sichtweisen und auch Lebenssituation. Das fängt mit dem Geschlecht an, hört aber auch nicht beim Alter auf, d.h. wir brauchen eine Redaktion, die sich auch um ein Thema streitet, um eben auch so abbilden zu können, was in einer Gesellschaft gerade diskutiert wird, welche Themen vor Ort gerade stattfinden, so dass wir nicht einheitlich berichten, sondern da wirklich auch Diversität in der Berichterstattung haben. Und natürlich: Das fängt in den Führungspositionen an.
    Veränderung muss durch stete Förderung und das Sehen der weiblichen Talente kommen
    Baetz: Bräuchten wir dafür auch Quoten?
    Suppa: Keine Frau möchte gerne eine Quotenfrau sein. Da bin ich fest von überzeugt und ich halte davon persönlich auch nicht viel von. Das wäre ja fatal, wenn sich mein Konzern dafür entscheidet, mir so eine verantwortungsvolle Position zu geben, nur weil ich eine Frau bin. Ich glaube, dass die Veränderung von innen kommen muss und nicht unbedingt durch eine Quote, durch stete Förderung, das Sehen der weiblichen Talente und vielleicht auch hier und da durch eine andere Unternehmenskultur in den Medienkonzernen. Denn es ist schon so, eine Frau in der Führungsrunde oder überhaupt in einer Redaktionsrunde, die ändert den Ton.
    Baetz: Und es ist ja auch wichtig, denn die Zeitungen leiden ja auch unter Auflagenrückgängen, natürlich auch die Märkische Allgemeine Zeitung, gleichwohl auch die reichweitenstärkste Abo-Zeitung in Brandenburg. Was tun Sie als Chefredakteurin, um wieder mehr Auflage zu bekommen oder in die digitale Welt überzuführen?
    Suppa: Was ich vor allen Dingen möchte, ist diese - etwas von mir als sehr anstrengende Larmoyanz wahrgenommene Diskussion - in der Medienbranche was entgegenzustellen und zwar: Ich will lieber anpacken als nur darüber zu klagen, dass die Auflage sinkt, sondern zuschauen, dass wir mit Begeisterung für den Journalismus und viel Hingabe zum Publikum, aber auch in der Redaktion die neuen Möglichkeiten, die uns jetzt geboten werden durch den Medienwandel, dass wir die eben auch nutzen.
    Und da ist tatsächlich die MAZ besonders spannend, denn wenn man das Verbreitungsgebiet anguckt - das ist das westliche Brandenburg, westlich von Berlin bis hoch in die Prignitz, also fast Mecklenburg-Vorpommern und südlich von Berlin Königswusterhausen, usw. Die Bevölkerungsprognosen zeigen genau für diesen Bereich, in der die MAZ erscheint, bis 2030 einen Zuwachs. Dort werden mehr Menschen hinziehen. Dort ziehen im Moment schon sehr viele Menschen hin, besonders in den Speckgürtel Berlins. Da ist noch ein bisschen was drin. Da ziehen Leute hin, die sich etablieren, die sich da ein neues Zuhause suchen, die sich interessieren dafür, ob es eine KiTa gibt vor Ort, wer Bürgermeister ist und was er da gestaltet. Das sind alles Dinge, die eine Lokalzeitung abbildet. Und da wäre der Versuch, an diese neuen Leser ran zu kommen. Und auf welchem Kanal sie uns dann lesen, ist mir eigentlich herzlich egal.
    Hannah Suppa volontierte 2008 bei der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung und hat 2014 die neu geschaffene Stelle der Stellvertreterin von HAZ-Chefredakteur Hendrik Brandt übernommen. Seit dem 1. Juli 2017 ist sie Chefredakteurin der Märkischen Allgemeinen Zeitung.