70 Kommunen aus acht Bundesländern mit mehr als neun Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern sind hochverschuldet. Mit an der Spitze: Mülheim an der Ruhr. Die Stadt hat zwei Milliarden Euro Gesamtschulden. Pro Kopf bedeutet das eine Last von 13.000 Euro, sagt der Oberbürgermeister Ulrich Scholten.
"Wir können jetzt schon Leistungen für die Kommune in unserer Stadt nicht mehr finanzieren. Das heißt, es bleiben notwendige Infrastrukturmaßnahmen, die berühmten Schlaglöcher, erhalten. Wir werden unsere Schulen, unsere öffentlichen Gebäude nicht in dem Maße ertüchtigen können, wie das sein müsste. Wir haben dort schon große Schwierigkeiten, eben weil wir diesen Mangel verwalten schon seit Jahren."
Das Problem: Die sogenannten "Kassenkredite". Städte wie Mülheim an der Ruhr leihen sich so Geld, um Pflichtaufgaben zu finanzieren. Ein weiteres, zentrales Problem: Die Altschulden. Darunter fallen zum Beispiel Kosten für Unterkünfte oder Sozialleistungen.
"Man sagt ja so schön: Wer bestellt, bezahlt. Also diese Leistung wird bestellt oder wurde in den vergangenen Jahrzehnten bestellt von Bund und Land, von uns umgesetzt, aber eben nicht von Bund und Land ausreichend finanziert. Das heißt, bei vielen Fällen bleiben Anteile dieser Kosten, die wir hier haben, bei der Kommune hängen beziehungsweise beim Kämmerer der Kommune, nicht weil wir sie selbst verschulden, sondern weil wir die gesetzliche Regelung umsetzen."
Nur etwa 70 bis 80 Prozent der Kosten seien gedeckt, beklagt Scholten. Betrachtet man aber zum Beispiel die Unterkunft und Integration von Geflüchteten, so bekommen die Länder Geld vom Bund. Wie viel sie davon an die Kommunen weiterleiten, bleibt teilweise im Dunkeln.
Mühlheimer OB: "Abbau der Schulden Gemeinschaftsaufgabe"
Um die Altschulden abzubauen, schlägt der Mülheimer Oberbürgermeister gemeinsam mit 70 weiteren Kommunal-Politikerinnen und -politikern vor, einen Fonds einzurichten:
"Angelegt auf 30 Jahre, der die Gesamtschulden übernimmt. Die Finanzierung beziehungsweise die Tilgung dieses Fonds wäre nach unserer Vorstellung eine Gemeinschaftsaufgabe nicht im juristischen Sinne, aber eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Land und dann Kommunen."
Die Forderungen seien zwar nicht neu, aber man werde nach zehn Jahren endlich gehört, so Scholten weiter. In der Tat: Die Kritik der Kommunen ist angekommen.
Bund bereit, "einmalig gezielt zu helfen"
Die Bundesregierung selbst will nun eine "faire Lösung für kommunale Altschulden finden". Das ist eines von insgesamt zwölf Kernergebnissen der Kommission "Gleichwertige Lebensverhältnisse". Der Bund, so heißt es in dem Kabinettsbeschluss, könne einen Beitrag leisten, wenn es einen nationalen politischen Konsens gäbe, "den betroffenen Kommunen einmalig gezielt zu helfen." Diese Passage war nicht unumstritten, deswegen sei das ein Fortschritt, sagt Innen- und Heimatminister Horst Seehofer, der zugleich auch Vorsitzender der Kommission ist.
"Wir sind jetzt mal als Bund bereit, mitzuwirken an einer gesamtstaatlichen Lösung, aber die Ebene zwei 'Land' und die Ebene drei 'Kommune' müssen auch mitwirken. Das ist die Grundbotschaft bei diesem Thema. Jedenfalls die heutige Schlagzeile, wir werden die Altschulden übernehmen, ist so nicht richtig."
Welche Kommune wie viel Geld bekommt, ist Ländersache. Wie konkret die Hilfe des Bundes hier für die verschuldeten Kommunen konkret aussehen kann ist noch unklar. Der Bund könnte, so der Bericht, gezielt bei Zins- und Tilgungslasten helfen, wo andere Hilfe alleine nicht ausreichend sei. Die Unterstützung wird dabei an Bedingungen geknüpft: Es müssen sich alle einig sein und eine neue Verschuldung über Kassenkredite dürfe nicht mehr stattfinden.
Immerhin sind etwa 2.000 von 11.000 Kommunen besonders betroffen. Wenn es nur um eine Entlastung bei den Zinsen ginge, reiche das nicht aus, sagt der Oberbürgermeister von Mühlheim an der Ruhr. Ulrich Scholten zeigt sich hoffnungsvoll, bleibt aber vorsichtig. Gespräche zwischen Bundesregierung, Bundestag, Ländern, Kommunen und den kommunalen Spitzenverbänden sollen folgen.