Minutenlanger Beifall, stehende Ovationen in München, dazwischen ein bescheidener Glenn Greenwald. Der Geschwister-Scholl-Preis sei eine Ehre für ihn, so der Preisträger. Sein Buch über den Fall Snowden "No place to hide" auf Deutsch "Die globale Überwachung" musste geschrieben werden, betont Greenwald bei der Verleihung gestern Abend.
"Wir hatten überhaupt keine Wahl. Wir wurden von der Entschlossenheit dieses schmalen, ganz gewöhnlich wirkenden Jungen infiziert, wir vom Guardian und die Kollegen vom Spiegel und andere Journalisten, die im Bereich der Überwachungskriminalität investigativ arbeiten."
Die Aufbereitung der unglaublichen Menge an Geheimdienstdaten für die Öffentlichkeit sei eine Pflicht gewesen, betont Greenwald im Interview. Umso erstaunter sei er über die heutige Auszeichnung:
"Ich war überrascht, dass so ein Buch wie meines, diese Art von Aufmerksamkeit bekommt. Aber Deutschland ist sowieso das wichtigste Land bei der Aufarbeitung des NSA-Skandals geworden. Nirgendwo anders wird so über Privatsphäre diskutiert, über Datenschutz und Internetsicherheit wie in Deutschland. Die Reaktion der Deutschen hat uns viel mehr bestätigt als die in Brasilien oder den USA. Es tut gut zu sehen, dass der Skandal in Deutschland so breit diskutiert wird und so einen großen Eindruck hinterlassen hat."
Die wichtige Rolle der Presse als Korrektiv
Deutschland solle Edward Snowden in Deutschland befragen, ist Greenwald überzeugt. Es könne nicht sein, dass man sich in diesem Land weigere, Snowden, wenn schon kein Asyl, so doch Sicherheit zu bieten. Dass der NSA-Untersuchungsausschuss nur mangelhafte Ergebnisse liefere, wundere ihn nicht:
"Ich habe nie erwartet, dass von einem Ausschuss einer Regierung eine Lösung gefunden wird, die selbst Geheimdienste beschäftigt und mit den Amerikanern zusammenarbeitet. Die deutsche Regierung war selbst Opfer der Spionage, das schon, man versucht sehr ernsthaft das aufzuarbeiten. Wir haben ja gewarnt, dass durch diese aggressive Form der Überwachung die Demokratie untergraben wird. Aber zu denken, dass ein so enger Verbündeter wie Deutschland Amerika ernsthaft angreifen würde, um die Vorgänge bis ins letzte aufzuklären, das ist doch ein wenig blauäugig."
Erst durch Greenwald sei Snowden der Aufklärer geworden, der er jetzt in einem Land, das alles andere repräsentiert nur nicht Demokratie, in einem wackligen Asyl lebt, so der Laudator Heribert Prantl. Er habe dem "Guardian" zu danken, betont Greenwald seinerseits und äußert sich damit ähnlich wie Edward Snowden heute zur Verleihung des Alternativen Nobelpreises in Stockholm – aus Sicherheitsgründen war er nicht angereist. Dass "Guardian"-Verleger Scott Trust dieses brisante Material trotz aller Zweifel und Kritik der britischen Regierung veröffentlicht hat, zeige welche wichtige Rolle die Presse als Korrektiv spielen kann und muss.
Glenn Greenwald sagt: "Edward Snowden hat auf jeden Fall viele andere Menschen inspiriert, ähnlich zu handeln und genauer hinzuschauen, was die Regierungen versuchen zu vertuschen oder zu verheimlichen. Sie haben dieselben Motive wie Edward, nämlich dass die Öffentlichkeit ein Recht hat, von diesen Vorgängen zu erfahren."
Glenn Greenwald arbeitet mittlerweile mit einem weiteren Whistleblower zusammen, der aus der Top-Liga der NSA kommen soll. Genaueres sagt Greenwald nicht. Neueste Meldungen aus dem Geheimdienstumfeld veröffentlicht er mittlerweile auf seiner eigenen Homepage.