Gerri Halliwells Union-Jack-Minikleid. David Bowies Union-Jack-Mantel. Pete Townshends Union-Jack-Blazer. Kein Symbol hat die britische Mode so beeinflusst, wie die britische Flagge. Kein Symbol wurde von britischen Musikern so häufig adaptiert. Und kein Symbol hat die britische Popkultur so geprägt, wie der Union Jack.
Andrew Rosindell: "A PR company would pay a lot of money to design a PR symbol with such recognition as the Union Flag."
"Eine PR-Firma würde viel Geld für ein Markenzeichen mit diesem Wiedererkennungswert ausgeben", sagt der britische Abgeordnete Andrew Rosindell.
Aus einer Nationalflagge wird ein Modestatement
1809 durch das Parlament zur Nationalflagge des Vereinigten Königreichs erklärt, ist der Union Jack heute längst mehr als eine Flagge. Zum popkulturellen Phänomen wurde die Flagge in den 60er-Jahren: Die Jugendbewegung der Mods aus der Arbeiterklasse wehrte sich gegen die gesellschaftliche Konformität der Nachkriegszeit, indem sie mit Kleidungstücken und Insignien der oberen Klassen experimentierte und diese ironisierte: etwa mit einem neuen, schmaleren Schnitt von Anzügen und dem Union Jack.
Die Flagge sah man überall - auf den Minis der British Motor Corporation ebenso wie auf dem Mini aus dem Hause Mary Quandt von Sängerin Twiggy. Pete Townsend, Gitarrist bei "The Who", ließ den Union Jack zu einem Jackett verarbeiten - auch er machte aus einer Nationalflagge ein Modestatement.
Einfach collagefähig
"Der Union Jack war eine Art von Collage von Anfang an: drei verschiedene Flaggen, die ineinander integriert wurden", sagt Philip Oltermann, Autor eines Buches über deutsch-britische Beziehungen. So besteht die Union Flag aus Teilen der englischen, schottischen und irischen Flaggen.
"Von daher ist es vielleicht kein Zufall, dass man die Flagge schon immer mit Popkultur assoziiert. Der amerikanische Künstler Jasper Johns hat versucht, die amerikanische Flagge als Collage zu benutzen und in seine Kunstwerke zu integrieren, aber das hat bei der britischen Flagge viel besser geklappt."
Die Punks gingen in den 70er-Jahren - einer Zeit von hoher Arbeitslosigkeit und Streiks - rabiater mit dem Symbol des Establishments um. Auf dem Plakat zu "Anarchy in the UK", der ersten Single der Sex Pistols, ließ der Künstler Jamie Reid die Flagge zerreißen. Während Parteianhänger der National Front mit der Flagge in der Hand als Zeichen ihrer Fremdenfeindlichkeit durch die Straßen marschierten, standen 1977 Kinder am Straßenrand und wehten der Queen zum Silberjubiläum mit Union-Jack-Fähnchen zu.
Unter Tony Blairs New Labour und ihrem Erdrutschsieg 1997 erlebte der Union Jack die nächste Wiederbelebung. "London Swings Again", titelte die Zeitschrift "Vanity Fair" auf dem Cover, auf dem sich Liam Gallagher mit seiner Freundin Patsy Kensit in Union Jack-Bettbezügen räkelten.
Mit dem Einzug Blairs in die Downing Street verschwand alles Satirische an der Flagge, wie zu Zeiten der Punks oder der Mods. Für den von New Labour ausgerufenen "New Patriotism", der das Land erfassen sollte, war der Union Jack mit seinem kantigem Design und leuchtenden Farben als Markenzeichen bestens geeignet.
Aus einem Symbol des nationalen Stolzes ist eine eigenständige Ikone geworden, die als Zeichen für Geschmack, Coolness, Stil und Spaß global funktioniert. Tatsächlich liegt der Ursprung für die Beliebtheit der Flagge viel weiter zurück als in den 60er-Jahren.
Anruf bei Nick Groom, Autor des Buches "The Union Jack: The Story of the British Flag": "Bei der Great Exhibition 1861 sah man sie auf Keksdosen und Stofftaschentüchern. Das Kaufhaus Harrods bot bereits im 19. Jahrhundert Union-Jack-Geschenkpapier an. Mit der Expansion des Empires wurde die Flagge in immer mehr Teile der Welt exportiert. Und die erste Union-Jack-Unterwäsche gab es zur Krönung der Queen 1952."
Anders als bei den "Stars and Stripes" der USA gibt es Groom zufolge kein Gesetz, das die Verwendung der britischen Flagge regelt: Man kann sie zerschneiden, auseinanderreißen, die Farben verändern.
Anders als bei den "Stars and Stripes" der USA gibt es Groom zufolge kein Gesetz, das die Verwendung der britischen Flagge regelt: Man kann sie zerschneiden, auseinanderreißen, die Farben verändern.
Selbstironie statt Selbstbewusstsein
Genau in dieser Fragmentierung liegt die Stärke der britischen Fahne: Jedes Einzelteil muss sich mit den anderen zu einem Ganzen zusammenfügen - ein Zeichen für Vielfalt und Kompromiss.
"Die Frage ist, ist das nach dem Brexit anders?", so Philip Oltermann. "Heutzutage sieht man in ganz Europa, ist die Flagge Symbol geworden für einen wiederaufkehrenden Nationalismus. Von daher denke ich schon, dass die britische Flagge nicht mehr ganz so cool ist, wie sie es mal war."
Nick Groom nochmal: "I really don't think someone buying Union Jack souvenirs is going to be thinking about Brexit. There’s decades and decades of popular cultural significance in the Union Jack which is pretty much independent in terms of what’s going on in terms of trade deals."
Wer heute ein Union-Jack-Souvenir kauft, wird nicht automatisch an den Brexit denken. Dafür hat die Popkultur die Flagge über die Jahre viel zu populär gemacht. Und sie wird es weiterhin tun.
Wer heute ein Union-Jack-Souvenir kauft, wird nicht automatisch an den Brexit denken. Dafür hat die Popkultur die Flagge über die Jahre viel zu populär gemacht. Und sie wird es weiterhin tun.
Wie der in bester britischer Punk-Tradition "Anti-Brexit-Kollektion" des jungen Modeschöpfers Philip Ellis. Spielerisch platziert er den Union Jack auf Jacken und Schals und ergänzt die Flagge mit den Worten "Great Britain" auf Arabisch oder Sprüchen wie "Don’t bite the hand that feeds you". Zu Deutsch: Säge nicht den Ast ab, auf dem Du sitzt.
Die Popkultur hat aus ihm aber ein flexibles Symbol geschaffen. Das weniger von Selbstbewusstsein zeugt, als von der wunderbaren Fähigkeit, sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen. Wofür der Union Jack in Brexit-Britannien steht, das entscheiden die Briten selbst.
Philip Oltermann: "Dichter und Denker, Spinner und Banker: Eine deutsch-englische Beziehungsgeschichte"
Rohwolt Verlag Reinbek, 2013. 288 Seiten, 12,99 Euro.
Nick Groom: "The Union Jack: The Story of the British Flag"
Atlantic Verlag London, 2006. 464 Seiten, 16,99 Britische Pfund.
Rohwolt Verlag Reinbek, 2013. 288 Seiten, 12,99 Euro.
Nick Groom: "The Union Jack: The Story of the British Flag"
Atlantic Verlag London, 2006. 464 Seiten, 16,99 Britische Pfund.
Eine Spotify-Playlist mit den besten Songs zum Thema begleitet die Serie - im Deutschlandfunk-Account unter "DLF_BrexitMonday"