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Globale Koch-Kunst in Bielefeld

Nachdem es vor einigen Jahren in Rotterdam, Paris und London den ersten Versuch einer Retrospektive gab, sind Rirkrit Tiravanijas Kochkünste nun also auch im mittelstädtischen deutschen Kunstmuseum angekommen. Sollte das nicht, ganz unabhängig vom unzweifelhaften Renommee der Kunsthalle Bielefeld, zur Sorge Anlass geben?

Von Carsten Probst |
    Zweifel scheint auch Tiravanija selbst zu hegen:

    "Es ist eine Herausforderung für meine Arbeit. Sie ist dafür gemacht, zu funktionieren. Hier aber im Museum kann sie nicht immer funktionieren. Grundsätzlich hat sie ja eine Art Energie in sich, die dem Publikum, das sich daran beteiligt, ein bestimmtes Gefühl zurückgibt - das Gefühl und die Energie, die die Leute in der Arbeit hinterlassen, wie hier in den 800 Suppenschalen der Arbeit "Spaghetti Western". 800 Leute, die herumsitzen, aus diesen Schalen essen – ich kann eine Energie spüren, die davon ausgeht."

    In der Bielefelder Kunsthalle wird in den nächsten Wochen viel gekocht werden, vornehmlich durch Museumsmitarbeiter an einer eigens für diese Ausstellung in das Foyer eingebauten Küche. Aber schon die feste Einrichtung, das ständige Wiederholen des Kochens am selben Ort widerspricht eigentlich dem Geist von Tiravanijas Aktionen. Oft liegen die Kochutensilien auch nur unbenutzt im Museum umher, wie Artefakte einer vergangenen Zeit. Tiravanija selbst kocht nur zur Eröffnung, dann reist er wieder ab. Etwas Wehmut stellt sich ein.

    Denn Rirkrit Tiravanija war schon zu Beginn seiner eigentümlichen Karriere, bei seiner ersten größeren Koch-Aktion in der Paula Allen Gallery in New York 1990, ein großer Fortsetzer der Fluxus-Bewegung der siebziger Jahre. Die New Yorker Vernissagen-Gäste, so heißt es, hielten ihn damals eher für den Caterer und nicht für den Künstler. Aber auf seine diskrete Art gelang es Tiravanija so, das thailändische Nudelgericht Pad Thai zum Prosecco unter die Leute zu bringen. Für Tiravanija ein symbolisches Bekenntnis zu der damals aufkommenden, demokratischen und anti-monarchistischen Bewegung in Thailand. Denn Pad Thai ist ein einfaches, sättigendes Gericht, das sich in Thailand jeder leisten kann: Inbegriff einer hierarchielosen Versorgung der Massen. Zugleich war es Tiravanijas Bekenntnis zu seiner thailändischen Herkunft. Als Sohn eines Diplomaten, der alle vier Jahre an einen anderen Teil der Welt versetzt worden war, hatte Tiravanija lange gebraucht, um sich zu diesem Bekenntnis durchzuringen. Und personifizierte damit zugleich den Weg einer jungen Generation zwischen dem Beginn globaler Vernetzung und einem Alles vereint Tiravanija in seinen kunstvoll mit Curry und Zitaten aus der Kunstgeschichte gewürzten Kochaktionen.

    Von New York aus kochte sich Tiravanija buchstäblich um die Welt, verwandelte Galerien in Wohnküchen, begründete dadurch die heute oft kopierte Stilrichtung der "Relational Aesthetics", bei der die Kunst nicht mehr nur auf die Gegebenheiten vor Ort reagiert, sondern der Ort mit seinen sozialen Bedingungen auch auf die Kunst. Badische Flädlesuppe versetzt er in einer deutschen Galerie mit einem Teelöffel Cayenne Chili und zitiert damit zugleich Jan Schüttes seinerzeit höchst erfolgreichen Spielfilm "Drachenfutter" von 1987, den man nun auch in der Bielefelder Ausstellung beim Essen ansehen kann. In ihm wird die Figur des Pakistani Shezad, der als Koch in einem Chinarestaurant arbeitet, den Satz sagen: "Du musst Flädlesuppe kochen, um Deutscher zu sein."

    So gleichen die Rezepte Tiravanijas kleinen Drehbüchern für verschiedene Identitätsrollen, die er mit seinen Kochaktionen als Kommunikationstheater inszeniert. Auf seiner unermüdlichen Tournee durch die Galerien und die großen Kunstfestivals dieser Welt ist er nun also in Bielefeld angekommen. Es gibt Lamm und Grünen Curry.