Finster, unruhig und getrieben spielt das Bayerische Staatsorchester unter Generalmusikdirektor Kent Nagano die finstere, unruhige und getriebene Musik dieser Oper über die letzten Eroberungsversuche seines Titelhelden vor seinem Tod. Auf der Bühne türmen sich im Hafen die rostigen Überseecontainer aus aller Welt. Ein nackter, alter Mann drängt sich durch einen Spalt und bleibt zitternd, verloren und einsam an der Rampe stehen. Immer wieder wird er in Don Giovannis Untergangsnacht durch die Szenerie schleichen, um dessen trauriges Ende vorwegzunehmen.
Der von Christoph Marthaler erfundene melancholische Wanderer ist zum festen Zeichenrepertoire zeitgenössischer Opernregie geworden. Ganz und gar zeitgenössisch ist auch die Containerszenerie als Zeichen des turbokapitalistischen Welthandels. Don Giovanni ist zum globalen Frauenjäger und Frauenhändler geworden, denn in den Containern hausen Menschen, Frauen, osteuropäisches Frischfleisch, an dem sich der "Boss" selbst, wie ihn seine Leute in der deutschen Übertitelung nennen, zu bedienen versucht. Sein Mitarbeiter Leporello, frisch und komödiantisch gesungen von Alex Esposito kann die Leistungsbilanz seines Chefs der blonden Elvira belegen, die als Rucksacktouristin ihrem Ex hinterherpilgert.
"In Italien sechshundertvierzig, in Deutschland zweihunderteinunddreißig, hundert in Frankreich, in der Türkei einundneunzig, aber in Spanien sind es schon tausendunddrei."
Aber wer ist dieser Don Giovanni wirklich, der mal als kleiner Mafioso sonnenbebrillt mit schwarzgelockter Gelmähne auftritt, mal als glamouröser Clubbesitzer in goldenem Anzug und am Ende in seiner eigenen Küche als ambitionierter Hobbykoch? Ist er jener "angestrengte Porschefahrer zwischen Dortmund und Wuppertal, der Don Giovanni zu sein meint, indem er die Sekretärin der Konkurrenz verführt", wie es im Programmheft heißt, aber letztlich doch nur ein spießiger Erfüllungsgehilfe einer hohlen Leistungsgesellschaft ist? Auf all diese Fragen gibt die Inszenierung keine Antworten. Der Charakter des Titelhelden bleibt trotz konkreter Bilder diffus.
Einerseits spielt und singt der Pole Mariusz Kwiecien seinen Juan anfangs als den Draufgänger, der letztlich dem Tod in die Arme springen will, wenn er mit einem Hackebeil fuchtelnd seine Intrigen spinnt oder sich mit der Migrantin Zerlina von einem Container herabstürzen will. Andererseits tritt er als biederer Hobbykoch auf und geht nicht in einer Höllenfahrt unter, sondern kippt in der Küche um: Herzinfarkt am Herd. Einerseits ist Mozarts Frauenheld ein existenziell Getriebener, andererseits wirkt er in der Inszenierung von Stephan Kimmig mittelmäßig, unambitioniert und gelangweilt. Überhaupt macht Kimmig in Personenführung und Personenpsychologie auf seiner eigentlich starken szenischen Grundlage auffallend wenig. Die energiereichen Bilder, wie die Friedhofszene mit einem Container voller geschlachteter Schafe, bleiben letztlich Design fürs Rampentheater. Von einigen Ausnahmen abgesehen, wie jene Hackebeilszene, wo der gefällige, aber nicht markante Mariusz Kwiecien einmal aufdreht:
"Damit ihnen vom Wein der Kopf heiß wird, lass ein großes Fest vorbereiten. Wenn Du auf der Straße irgendein Mädchen findest, versuch auch sie noch mitzunehmen. Ohne jede Regel sei der Tanz."
Die neue Münchner Don Giovanni-Inszenierung scheitert, weil sie den radikalen Frager, Experimentator und Libertin an die Oberfläche einer geschichtsvergessenen Gegenwart zerrt und ihn dort hineinpresst. Indem Kimmig seinen Don Giovanni gleichmacht mit den Verhältnissen unserer Zeit, beraubt er ihn aller Sprengkraft. Die Videoprojektion eines Flüchtenden und von kämpfenden Tieren retten das Unternehmen nicht, zumal auch hier bei Schlingensief und Co. kräftig abgekupfert wird. Anna, Elvira, Zerlina, Ottavio und Masetto bleiben einem ziemlich gleichgültig. Geradezu lächerlicher ist am Ende der Auftritt des von Don Giovanni erschossenen Komturs.
Als Kardinal erscheint er, umringt von Herren aus Politik, Verwaltung und Militär, um vom Wüstling Reue zu fordern, obwohl von Moral, Über-Ich und Vaterkomplex drei Stunden lang nicht die Rede war. So erzählt auch die Musik drei Stunden lang etwas anderes als die Szene, wobei die vielen Undeutlichkeiten und Wackeleien im Graben und das im Schnitt mittelmäßige Sängerniveau keinen Ersatz für die verpatzte Regie bieten.
Ellie Dehn wirkt mit ihrer Donna Anna wie ein ungeschliffener Rubin. Dirigent Kent Nagano sollte sich einmal eine klare Vorstellung von einem eigenen Mozartklang machen und Opernintendant Nikolaus Bachler nicht zu viel den Schauspielregisseuren vertrauen.
"Jetzt weißt du, wer die Ehre mir rauben wollte, wer der Verräter war, der mir den Vater nahm. Ich fordere Rache von dir, sie fordert dein Herz."
Der von Christoph Marthaler erfundene melancholische Wanderer ist zum festen Zeichenrepertoire zeitgenössischer Opernregie geworden. Ganz und gar zeitgenössisch ist auch die Containerszenerie als Zeichen des turbokapitalistischen Welthandels. Don Giovanni ist zum globalen Frauenjäger und Frauenhändler geworden, denn in den Containern hausen Menschen, Frauen, osteuropäisches Frischfleisch, an dem sich der "Boss" selbst, wie ihn seine Leute in der deutschen Übertitelung nennen, zu bedienen versucht. Sein Mitarbeiter Leporello, frisch und komödiantisch gesungen von Alex Esposito kann die Leistungsbilanz seines Chefs der blonden Elvira belegen, die als Rucksacktouristin ihrem Ex hinterherpilgert.
"In Italien sechshundertvierzig, in Deutschland zweihunderteinunddreißig, hundert in Frankreich, in der Türkei einundneunzig, aber in Spanien sind es schon tausendunddrei."
Aber wer ist dieser Don Giovanni wirklich, der mal als kleiner Mafioso sonnenbebrillt mit schwarzgelockter Gelmähne auftritt, mal als glamouröser Clubbesitzer in goldenem Anzug und am Ende in seiner eigenen Küche als ambitionierter Hobbykoch? Ist er jener "angestrengte Porschefahrer zwischen Dortmund und Wuppertal, der Don Giovanni zu sein meint, indem er die Sekretärin der Konkurrenz verführt", wie es im Programmheft heißt, aber letztlich doch nur ein spießiger Erfüllungsgehilfe einer hohlen Leistungsgesellschaft ist? Auf all diese Fragen gibt die Inszenierung keine Antworten. Der Charakter des Titelhelden bleibt trotz konkreter Bilder diffus.
Einerseits spielt und singt der Pole Mariusz Kwiecien seinen Juan anfangs als den Draufgänger, der letztlich dem Tod in die Arme springen will, wenn er mit einem Hackebeil fuchtelnd seine Intrigen spinnt oder sich mit der Migrantin Zerlina von einem Container herabstürzen will. Andererseits tritt er als biederer Hobbykoch auf und geht nicht in einer Höllenfahrt unter, sondern kippt in der Küche um: Herzinfarkt am Herd. Einerseits ist Mozarts Frauenheld ein existenziell Getriebener, andererseits wirkt er in der Inszenierung von Stephan Kimmig mittelmäßig, unambitioniert und gelangweilt. Überhaupt macht Kimmig in Personenführung und Personenpsychologie auf seiner eigentlich starken szenischen Grundlage auffallend wenig. Die energiereichen Bilder, wie die Friedhofszene mit einem Container voller geschlachteter Schafe, bleiben letztlich Design fürs Rampentheater. Von einigen Ausnahmen abgesehen, wie jene Hackebeilszene, wo der gefällige, aber nicht markante Mariusz Kwiecien einmal aufdreht:
"Damit ihnen vom Wein der Kopf heiß wird, lass ein großes Fest vorbereiten. Wenn Du auf der Straße irgendein Mädchen findest, versuch auch sie noch mitzunehmen. Ohne jede Regel sei der Tanz."
Die neue Münchner Don Giovanni-Inszenierung scheitert, weil sie den radikalen Frager, Experimentator und Libertin an die Oberfläche einer geschichtsvergessenen Gegenwart zerrt und ihn dort hineinpresst. Indem Kimmig seinen Don Giovanni gleichmacht mit den Verhältnissen unserer Zeit, beraubt er ihn aller Sprengkraft. Die Videoprojektion eines Flüchtenden und von kämpfenden Tieren retten das Unternehmen nicht, zumal auch hier bei Schlingensief und Co. kräftig abgekupfert wird. Anna, Elvira, Zerlina, Ottavio und Masetto bleiben einem ziemlich gleichgültig. Geradezu lächerlicher ist am Ende der Auftritt des von Don Giovanni erschossenen Komturs.
Als Kardinal erscheint er, umringt von Herren aus Politik, Verwaltung und Militär, um vom Wüstling Reue zu fordern, obwohl von Moral, Über-Ich und Vaterkomplex drei Stunden lang nicht die Rede war. So erzählt auch die Musik drei Stunden lang etwas anderes als die Szene, wobei die vielen Undeutlichkeiten und Wackeleien im Graben und das im Schnitt mittelmäßige Sängerniveau keinen Ersatz für die verpatzte Regie bieten.
Ellie Dehn wirkt mit ihrer Donna Anna wie ein ungeschliffener Rubin. Dirigent Kent Nagano sollte sich einmal eine klare Vorstellung von einem eigenen Mozartklang machen und Opernintendant Nikolaus Bachler nicht zu viel den Schauspielregisseuren vertrauen.
"Jetzt weißt du, wer die Ehre mir rauben wollte, wer der Verräter war, der mir den Vater nahm. Ich fordere Rache von dir, sie fordert dein Herz."