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Gloria im Corsogespräch
"Textlastige, etwas ernsthaftere Musik"

Anfang August ist das zweite Album der Band Gloria erschienen - es ist ein gemeinsames Projekt von Wir-sind-Helden-Musiker Mark Tavassol und TV-Moderator Klaas Heufer-Umlauf. Sommerlich ist das Album nicht geraten, eher melancholisch.

Gloria im Gespräch mit Fabian Elsäßer |
    Mark Tavassol (links) und Klaas Heufer-Umlauf (rechts) von der Indiepopband Gloria.
    Mark Tavassol (links) und Klaas Heufer-Umlauf (rechts) von der Indiepopband Gloria. (Deutschlandradio - Philipp Eins)
    Fabian Elsäßer: Prominente Schauspieler und Fernseh-Entertainer, die unbedingt Musiker sein wollen, gibt es jede Menge. Daher dachten viele sofort "Promi-Bonus", als vor zwei Jahren das erste Album der Band Gloria erschien. Das ist das Projekt von Showmaster Klaas Heufer-Umlauf und Mark Tavassol, dem Bassisten der derzeit stillgelegten "Wir sind Helden". Allerdings haben die beiden schon zusammen gearbeitet, als Heufer-Umlauf noch gar nicht seinen heutigen Star-Status hatte. Seit zwei Wochen gibt es die zweite Gloria-Platte "Geister", die bis auf Platz Zwölf der Verkaufscharts kam, obwohl sie ziemlich sperrige Themen behandelt wie Depression, Hoffnungslosigkeit und die Erinnerung an die NS-Zeit. Fabian Elsäßer hat Gloria zum Corsogespräch getroffen und wollte von Klaas Heufer-Umlauf erst einmal wissen, was denn der Unterschied zwischen den beiden CDs ist.
    Klaas Heufer-Umlauf: Es war eine Menge anders beim zweiten Album. Das erste Album ist ja damals entstanden, ohne dass wir, als wir anfingen, miteinander Musik zu machen, die konkrete Absicht hatten, damit überhaupt ein Album in die Welt zu setzen. Und das schlägt natürlich aus auf die Art und Weise, wie man miteinander musiziert. Wir haben wirklich aus Spaß angefangen, Musik zu machen und haben uns dann diesen Spaß erhalten wollen nach vielen, vielen Jahren, und da war es folgerichtig, ein Album zu machen. Das war aber lange nicht klar. Und deswegen unterscheidet sich die Arbeit mit einem ganz konkreten Ziel, noch bevor man den ersten Ton anschlägt zum zweiten Album, natürlich wesentlich von der zum ersten, wo ganz viele Töne angeschlagen wurden ohne dass man wusste, dass das irgendwann mal irgendwer hören wird.
    Elsäßer: Mehr Druck, Herr Tavassol?
    Mark Tavassol: Nee, weniger Druck. Ich fand es tatsächlich - wobei Druck vielleicht der falsche Begriff ist - als ein nicht ganz unwichtiges Thema, sich mal vorzustellen, was passiert, wenn wir ein Platte rausbringen. Bei mir ist es vielleicht nicht so überraschend, bei Klaas ist es wesentlich überraschender, vor allem in so einem Bereich wie wir es gemacht haben, also mit textlastiger, etwas ernsthafterer Musik. Da ist der Wunsch natürlich groß, dass man schon auf den richtigen Füßen landet und nicht falsch wegsortiert wird als Künstler, als Band, dass man in Anführungsstrichen auch einfach ernst genommen wird. Das ist uns gelungen mir der ersten Platte, zu unserer Erleichterung. Es war wirklich eine ganz wichtige Erfahrung für die Band Gloria und so ein Anstoß zu einer Zeit, die uns dann irgendwie als Band noch mal geprägt hat. Das Live-Spielen, das auf Festivals spielen, und im Prinzip da stattfinden, wo wir stattfinden wollen. Und diese Erfahrung hat es natürlich für mich wiederum leichter gemacht, eine zweite Platte ins Leben zu rufen und daran zu arbeiten und irgendwie das Gefühl zu haben: Wir haben eine richtige Richtung aufgenommen, in der wir jetzt weiter unterwegs sind.
    "Man braucht ewig für seine Songs"
    Elsäßer: Es ist ein Song jetzt auf dem fertigen Album, der war auf dieser sogenannten Promo-Pappe, also auf diesem Vorab-Exemplar für Journalisten, noch gar nicht drauf: "Seil". Wo kommt der denn jetzt auf einmal her?
    Tavassol: Naja, denn gab's schon.
    Elsäßer: Das war dann ein Ass im Ärmel?
    Heufer-Umlauf:: Oder vielleicht, wenn man ganz ehrlich ist, einer der Songs auf dem Album, die in der "Endreinigung" ein bisschen länger gebraucht haben.
    Tavassol: Ganz weltliche Gründe. Der war noch nicht fertig. Es ist halt so: Würde man jetzt keine Promotion machen für eine Langspielplatte, würde man im Prinzip noch viel mehr Zeit verbringen können im Studio mit irgendwelchen unwichtigen Details. Man braucht ewig für seine Songs. Und durch diese Promo-Platte, die man dann Monate vor Veröffentlichung rausschickt, gibt es eigentlich schon so eine Deadline vor der Deadline. Und dann passiert es manchmal, dass sich eine Promo-Platte unterscheidet von der endgültigen. Es ist nicht nur so, dass ein Song fehlt, teilweise sind auch einige Songs noch mal umproduziert worden, aber das hört man auch nur, wenn man genauer hin hört.
    Elsäßer: Ich finde, der Grundton auf diesem Album, oder sogar generell bei Gloria, der ist eher bedächtig, getragen fast ... Also es ist manchmal Musik, die traurige Elemente hat, aber einen so ein bisschen in den Arm nehmen möchte. Kommt mir das nur so vor, oder ist das so gewollt?
    Heufer-Umlauf: Ich finde das eine ganz schöne Formulierung, ehrlich gesagt. Traurige Elemente, die kann man nicht von der Hand weisen. Wie man's auch immer nennt, ob man es jetzt als Traurigkeit bezeichnet. Ich persönlich finde Melancholie eigentlich ganz passend, weil Melancholie ja etwas ist, was man auch gerne absichtlich mit sich selber macht. Man bringt sich ja manchmal absichtlich in melancholische Situationen, weil das ja auch was Schönes hat. Man kann ja verklärt melancholisch an vergangene Dinge denken oder in die Zukunft schauen. Das ist ja eigentlich kein schlechtes Gefühl. Dadurch dass wir immer, wenn wir einen Song schreiben, zumindest den Anspruch hinstellen: Das Thema, das wir uns vorgenommen haben, wollen wir von allen Seiten beleuchten, so gut wie es eben geht, dadurch ist manchmal so, dass Melancholie sich nicht aussparen lässt, weil sie in vielen Themen einfach auch da ist. Ich weiß nicht, ob das in der eigenen Wahrnehmung, vielleicht noch mit der richtigen Musik, einem als erstes hängen bleibt. Aber ich finde, Melancholie gehört zur Vollständigkeit der Beschreibung bestimmter Dinge, vor allem der Dinge, die wir so auf unseren zwei Alben besprechen. Da kann man es einfach nicht ausschließen.
    Stolpersteine des Künstlers Gunther Demnig
    Elsäßer: Stichtwort Themen. Vieles ist sehr assoziativ getextet, anderes sehr konkret. Der Pilot oder Stolpersteine ... Da geht es um diese Stolpersteine des Künstlers Gunther Demnig, die in ganz vielen Städten mittlerweile an Opfer des Nationalsozialismus erinnern. Bei welchem Stolperstein kam ihnen die Idee.
    Tavassol: Bei uns in der Straße in Hamburg ist nur ein Stolperstein, und es ist ausgerechnet vor einem Haus, was abgerissen wurde. Und dann gibt's noch mal welche vor einer Supermarktkette. Auch ein Haus, was abgerissen und neu aufgebaut wurde. Aber die meisten Stolpersteine stehen halt vor Häusern, die es zu der Zeit auch schon gab. Es waren die Häuser, in denen das passiert ist und aus denen die Leute gegen ihren Willen herausgeholt und deportiert wurden. Wenn man an den Häusern hochschaut und all die modernen Karosserien und Klamotten jetzt nicht sieht, wenn man nur am Haus hochschaut, dann sieht man exakt das gleiche Bild, was die Leute gesehen haben, denen es damals so ergangen ist. Das Haus ist Zeuge und das vergessen wir. Wir leben da drin, und diese Stolpersteine sind etwas, was uns daran erinnert. Das bewegt uns so sehr, diese Nähe zum Haus als Zeuge, als etwas, was es gesehen hat.
    Elsäßer: Das Haus hat es gesehen. Die Metapher, die mich berührt, das ist nicht kitschig oder dramatisch, das kann man sich wirklich vorstellen.
    Heufer-Umlauf: Das ist auch eine Emotionalisierung, die man an anderen Gedenkstätten hat. Wenn man Orte betritt, die man ganz klar damit assoziiert. Es gibt ja einige. Jeder, der schon mal in Auschwitz war und sich das angeschaut hat, der hat diese Momente dort und steht an bestimmten Plätzen, und das vergisst man sein Leben lang nicht mehr, das ist sehr eindrücklich. Aber dass leider Gottes unseres Städte genauso eine Kulisse waren für Dinge, die man sich nicht mehr vorstellen kann, und dass es eben nicht so lange her, das merkt man erst an der Haltbarkeit eines Hauses. Es ist nicht Hunderte von Jahren her, sondern noch nicht einmal 100 Jahre.
    Das ist zeitgeschichtlich ein Wimpernschlag, und wenn man sich das noch einmal vergegenwärtigt, auch noch mal dieses Argument aufnimmt: "Muss man denn heute da noch dran denken", jeden Tag, wenn man die Zeitung aufschlägt, dann weiß man, offensichtlich wurde da genau aus der ganzen Aufarbeitung noch nicht genug gelernt. Und deswegen finde ich es, das kann man vielleicht auch noch mal sagen, auch wirklich peinlich und verwerflich. Wir haben gestern in München gespielt und auch diesen Song gespielt, und in München gibt es keine Stolpersteine. Die Stadt hat sich dagegen entschieden, mal wieder. Nach einem Streit mit dem Künstler wurde es nach zwei Jahren noch einmal aufgenommen und sie haben sich wieder dagegen entschieden. Und das macht einen irre, wenn man darüber nachdenkt, warum sie es eigentlich wirklich nicht wollen. Weil es eine Touristenstadt ist und man sich lieber mal am Viktualienmarkt mal einen Latte Macchiato holt, als ständig darauf hingewiesen zu werden, dass das auch mal die Hauptstadt der Bewegung war.
    "Das war harte Arbeit für uns beide"
    Elsäßer: Das muss man nämlich auch sagen: Es ist keine Latte-Macchiato-Musik, die sie da machen. Also weder noch textlich, noch musikalisch.
    Tavassol: Ja, es ist nicht richtig sommerlich geraten, das Album.
    Heufer-Umlauf: Geben wir zu!
    Tavassol: Vielleicht gibt's ein, zwei Sekunden bei "Geister" (die Single, Anmerkung der Redaktion), wo das Klavier tatsächlich nach Hotel-Piano klingt. Das wäre wohl der einzige Moment, wo wir Latte Macchiato zulassen. Den muss man dann aber auch schnell ausgetrunken haben.
    Elsäßer: Was mir aufgefallen ist: Da stand immer "Komposition: Tavassol". Herr Heufer-Umlauf, Sie lassen sich dann immer das Rundum-sorglos-Paket vorlegen und müssen es dann nur noch singen?
    Heufer-Umlauf: Das wär schön. Das wär super. Das Rundum-sorglos-Paket. Ganz sicher nicht. Jeder, der an der Produktion dieser Platte beteiligt war, wird mein Auflachen verstehen. Das war harte Arbeit für uns beide. Für Mark sicher ein bisschen mehr. Das Gute ist, dass wir jetzt mit der zweiten Platte auch besser wissen, was der rote Faden, was Gloria auch ist. Das, was einem im Nachhinein immer so logisch erscheint, das ist ja vorwärts gesehen erst einmal so zufällig und so Stein für Stein, und irgendwann steht dann da was, was man erst mit einem gewissen Abstand erkennt und auch mit dem Auf-Tour-Gehen und allem was dazu gehört. Es ist ja nicht nur die Platte und das Schreiben, sondern es sind ganz viele Komponenten, die am Ende dazu führen, dass man ein klares Bild hat von dem, was man da eigentlich gemacht hat und auch weiterhin tut. Und das uns natürlich die Möglichkeit gegeben, die Organisation in der Komposition zu machen, die auch nötig war in der kurzen Zeit, die uns verglichen mit der langen Zeit für das erste Album, zur Verfügung stand. Und deswegen hat Mark da wahnsinnig viel gemacht, wo ich immer wieder und oft sagen musste: Ja, das ist Gloria, was da kommt, das ist gut.
    "Wir hatten am Ende 40, 45 angefangene Sachen, Ideen, textlich wie musikalisch"
    Elsäßer: Aber die Texte schreiben Sie dann wirklich zusammen? Ich habe Sie vorhin gesehen, bevor wir ins Studio gegangen sind, da saßen Sie mit einer Gitarre im Café und schienen an irgendetwas zu tüfteln. Sie setzen sich also auch sonst zusammen und machen das gemeinsam?
    Tavassol: Ja, das war eigentlich unsere Arbeit auch speziell zur ersten Platte, dass wir tatsächlich jeden Krümel auf der Platte diskutiert haben und deswegen auch sehr viel "Verschnitt" hatten. Wir hatten, keine Ahnung, am Ende 40, 45 angefangene Sachen, Ideen, textlich wie musikalisch. Wir haben tatsächlich auch genauso weitermachen wollen. Aber durch die Umstände, dass wir ungefähr vor nicht mal anderthalb Jahren beschlossen haben, dass wir weitermachen wollen, dass jetzt ein guter Zeitpunkt ist, eine Platte rauszubringen, weil wir von unserer privaten aber auch beruflichen Planung gedacht haben, das wär ganz gut Ende Sommer, Anfang Herbst dieses Jahres rauszukommen, da hat sich so ein bisschen das Problem gezeigt, dass Klaas sehr viel zu tun hatte in seinem Fernsehmoderatoren-Beruf. So war das Commitment "Ich fang schon mal an", und aus diesem Commitment ist einfach sehr viel erwachsen.
    Elsäßer: Jetzt haben Sie beide ja eine ganze Menge zu tun, vor allem Klaas Heufer-Umlauf mit seinen Fernsehprojekten. Ich zitier mal eine Textzeile von Wir sind Helden, mit Fragezeichen: "Gekommen, um zu bleiben"?
    Heufer-Umlauf: Ja, ich glaube schon. Das ist ja nicht immer nur von uns beiden abhängig. Weil, wo nichts angeboten wird, kann man auch nichts sehen. Aber das haben wir jetzt mit dem zweiten Album gemerkt. Die Arbeit aufzunehmen und zu sagen, wir schmeißen den Karren jetzt noch mal an, das war relativ selbstverständlich. Da gab's keine großen Gespräche drüber, das war so eine Sache, die in uns gebrodelt hat, ob's jetzt zum zweiten Album weiter geht, die wir mit uns selber ausgemacht haben. Und dann war's nur noch ein kurzes Zunicken, und dann ging's weiter.